Rauchstopp: Corona als Anstoß?

Rauchstopp: Corona als Anstoß?
Immer mehr Daten deuten auf schwerere Covid-19-Verläufe durch Tabakkonsum hin.

Die Corona-Krise erscheint nicht gerade als bester Zeitpunkt, mit dem Rauchen aufzuhören: „Viele sahen sich wegen der Pandemie mit Ängsten und Überforderung im durchgerüttelten Alltag konfrontiert. Gefühlszustände, die einen Rauchstopp nicht erleichtern“, sagt Melanie Stulik. Dennoch gab es für die Klinische und Gesundheitspsychologin beim „Rauchfrei-Telefon“ Erfolgserlebnisse. Etwa jene einer verunsicherten Pflegeheim-Mitarbeiterin, die sich zu Beginn der Krise „mitten im Rauchstopp“ befunden hatte.

Das „Happy End“ motiviert gerade am heutigen Weltnichtrauchertag: Nach einem längeren Urlaub und entsprechender Unterstützung griff die Pflegerin auch nach der Rückkehr in die Arbeit nicht zur Zigarette. Es war ihr gelungen, die Gewohnheit anders zu kanalisieren: Sie entdeckte Nähen als neues Hobby. „Mit ihren Masken erfreut sie mittlerweile viele Heimbewohner“, erzählt Stulik.

Auch wenn es in der Krise nicht mehr Anrufe bei der telefonischen Raucher-Beratungsstelle gab: Derartige Einschnitte in den Alltag können tatsächlich wie eine Initialzündung für eine Veränderung wirken, weiß Sozialmediziner Ernest Groman, Leiter des „Nikotin Institut“ in Wien. „Wenn ein Thema präsent ist, überlegen mehr Leute, etwas zu verändern.“ Das sei etwa bei Tabak-Preiserhöhungen bemerkbar, oder als im Vorjahr das Rauchverbot für die Gastronomie kam.

Rauchstopp: Corona als Anstoß?

Risikofaktor für Covid-19

Bei Covid-19 mehren sich die wissenschaftlichen Hinweise, dass Rauchen ein Risikofaktor für schwerere Krankheitsverläufe ist, betont die Gesellschaft für Pneumologie in einer Aussendung. In einer Metaanalyse, in der Studien mit 2.473 bestätigten Covid-19-Fällen analysiert wurden, zeigte sich: Aktive Raucher hatten ein um 45 Prozent höheres Risiko.

Schwere Krankheitsverläufe betreffen zwar generell eher Menschen mit Vorschädigungen der Lunge oder Blutgefäße sowie des Herz-Kreislauf-Systems. In dieser Gruppe befinden sich aber überdurchschnittlich viele Raucher. Und: Die Oberfläche der Atemwege wird durch Tabak geschädigt, was das Eindringen von Viren erleichtert. Das weiß man von Grippe-Viren und Viren, die mit dem neuen Coronavirus verwandt sind.

Diese Daten wiegen für Experten wesentlich schwerer, als eine französische Studie, die im April bekannt wurde. Demnach belege Nikotin bestimmte Rezeptoren, die SARS-CoV-2 für das Eindringen in Zellen benötigt, und könne so die Virusvermehrung bremsen. Die Studie scheint aber nicht wissenschaftlichen Standards zu entsprechen. Dass etwa nur Patienten eines einzigen Spitals untersucht worden waren, lasse nicht auf die Gesamtbevölkerung schließen, heißt es bei der Gesellschaft für Pneumologie.

Sogar für langjährige Raucher hat Rauchstopp-Experte Ernest Groman übrigens eine gute Nachricht: Man profitiert immer davon – als Älterer sogar noch mehr. „Mit den Jahren wird der Körper empfindlicher und reagiert teilweise schneller.“ Primär ist aus seiner Sicht der „organische Gesundheitsaspekt für Herz und Lunge“ am wichtigsten. „Das ist wichtiger, als eine Abhängigkeit in den Griff zu bekommen. Aber es ist nachvollziehbar, dass es manche stört, wenn sie immer Tschik dabei haben müssen, um nicht nervös zu werden.“

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