In die Arbeit mit dem Rad: Wie sich das auf die Gesundheit auswirkt

Radfahren fördert die Gesundheit
Ein schottisches Forschungsteam hat untersucht, wie sich das unterschiedlich den Körper auswirkt. Von manchen Ergebnissen waren sie überrascht.

Nationaler Energie- und Klimaplan, EU-Klimaziel, Klimaneutralität bis 2040: Viel war in den vergangenen Tagen zum Thema Klimaschutz zu lesen und zu hören. Besonders im Fokus steht dabei auch immer die Rolle des Verkehrs. So sind auch Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs ein entscheidender Beitrag zur Kohlendioxid-Reduktion. Jetzt verweisen die Autoren einer neuen Studie aus Schottland - einer der bisher größten zu diesem Thema - aber noch auf einen ganz anderen Aspekt: Die gesundheitlichen Auswirkungen, die es hat, wenn man (wo dies möglich ist) den Weg zur Arbeit großteils mit dem Rad oder - wo die Entfernung nicht zu weit ist - auch zu Fuß zurücklegt. Und dabei gab es durchaus sehr überraschende Erkenntnisse.

Die Studie ist im renommierten Fachjournal British Medical Journal - Public Health erschienen. Wissenschafterinnen und Wissenschafter der Universitäten von Edinburgh und Glasgow in Schottland haben 2001 aus vorliegenden Volkszählungsdaten mehr als 82.000 Personen im Alter von 16 bis 74 Jahren ausgewählt und diese nach ihren Angaben in drei Gruppen eingeteilt: 

  • Personen, die zur Gänze oder zum größten Teil den Weg in die Arbeit mit dem Rad zurücklegen (bei 81 Prozent war die Distanz kürzer als fünf Kilometer, bei 14 % zwischen 5 und 10 km und bei zirka 5 % länger als 10 km)
  • Personen, die den größten Teil des Weges in die Arbeit zu Fuß gehen (bei 98 % weniger als fünf Kilometer)
  • Personen, die für den größten Teil des Weges das Auto oder öffentlichen Verkehrsmittel benützen. 

Über einen Zeitraum von knapp 18 Jahren (2001 bis 2018) wertete das Team alle vorliegenden Gesundheitsdaten dieser Personen aus: Spitalsaufnahmen, Medikamentenverschreibungen und auch Todesfälle.

"Die Auswahl der Personen ist repräsentativ für die Gesellschaft Schottlands und ich halte die Ergebnisse auch auf Länder wie Österreich für übertragbar", sagt Bruce Whyte vom Glasgow Centre for Population Health, einer der Studienautoren, zum KURIER.

  • Bei den Radfahrerinnen und Radfahrern war das Risiko, im Beobachtungszeitraum an irgendeiner Krankheit zu versterben, um 47 Prozent niedriger im Vergleich zu den Auto- bzw. Öffi-Pendlern. Das Krebs-Sterberisiko war sogar um 51 Prozent reduziert.
  • Spitalsaufnahmen waren insgesamt um 10 Prozent niedriger im Vergleich zu den körperlich wenig aktiven Pendlern. Und Spitalsbehandlungen wegen Herzproblemen waren sogar um 24 Prozent reduziert, die Einnahme von Medikamenten gegen Herz-Kreislauf-Beschwerden sogar um 30 Prozent.
  • "Positiv überrascht" waren Whyte und die anderen Autorinnen und Autoren von einem weiteren Ergebnis: Medikamente gegen Ängste und Depressionen wurden in der Radler-Gruppe deutlich seltener (minus 20 %) verschrieben als bei den inaktiven Pendlern. "Das ist eine wichtige Erkenntnis der Studie."

Positive Gesundheitseffekte zeigten sich auch bei den Fußgängerinnen und Fußgängern - auch bei ihnen waren Spitalsaufnahmen und Medikamentenverschreibungen wegen Herz- und psychische Erkrankungen reduziert, wenngleich auch in einem etwas geringeren Ausmaß. "Ein Grund dafür könnte sein, dass die körperliche Anstrengung bei den Radfahrern größer war als bei den Fußgängern, aber das haben wir nicht untersucht."

Aber wieso wirkt sich das Pendeln mit dem Rad so überraschend gut auf die Psyche aus? "Hier spielt die Aktivierung des ganzen Körpers, die erhöhte Herzfrequenz, sicher eine Rolle", sagt Whyte. Auch das Fahren im Freien, oft auch in der Natur, haben einen positiven Effekt auf die Psyche. "Gleichzeitig haben Radler auch mehr Kontrolle über ihre Fahrt als Autofahrer, sind von Staus nicht so beeinflusst und haben dadurch weniger Stress."

In die Arbeit mit dem Rad: Wie sich das auf die Gesundheit auswirkt

Dass die Radler und Zufußgeher im Schnitt jünger waren als die "non-active commuters", die nicht-aktiven Pendler, wie sie in der Studie genannt wurden, wurde in der Datenauswertung berücksichtigt und dieser Effekt "herausgerechnet": Das jüngere Durchschnittsalter ist also keine Erklärung für die positiven Effekte, betont Whyte.

Allerdings hatte das Radeln auch eine Schattenseite: In den 18 Jahren Beobachtungszeit mussten Radfahrerinnen und Radfahrer doppelt so häufig (6 % versus 3 %) nach einem Verkehrsunfall im Spital behandelt werden wie Autofahrer und Öffi-Pendler - absolut war die Unfallhäufigkeit aber noch immer sehr gering für den langen Zeitraum.

Großes Potenzial. In Wien legt die Bevölkerung zehn Prozent ihrer Alltagswege mit dem Fahrrad zurück, in Graz sind es 20, in Innsbruck 29 und in der Stadt Salzburg sogar 37 Prozent, heißt es beim Verkehrsclub Österreich (VCÖ).

In Österreich ist das Potenzial für mehr Radverkehr sehr hoch, heißt es beim VCÖ: „Jeder dritte Alltagsweg in Österreich ist kürzer als zweieinhalb Kilometer, jeder zweite Alltagsweg kürzer als fünf Kilometer.“ Fazit für VCÖ-Expertin Katharina Jaschinsky: „Österreich ist auch ein Fahrradland.“ 

"Voraussetzung für die verstärkte Verlagerung von Autofahrten auf das Fahrrad ist eine gute und sichere Rad-Infrastruktur sowohl in den Städten und besonders auch in den Regionen", betont auch Jaschinsky. Ein Beispiel dafür sind baulich getrennte, sichere Radwege.

Whyte: "Viele Studien haben gezeigt: Was Menschen am meisten vom Radfahren abhält, sind Sicherheitsbedenken. Will man also den Anteil des Radverkehrs deutlich erhöhen, braucht man dafür eine sichere Infrastruktur für Radfahrer."

Der schottische Wissenschafter betont aber auch: "Trotz dieses einen erhöhten Risikos überwiegen die Vorteile des Radfahrens bei Weitem - denn alle anderen Gründe für Spitalsaufnahmen, seien es Herzkrankheiten oder Krebs, waren deutlich niedriger."

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