Wie man sich vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützen kann

Blood Clot or thrombus blocking the red blood cells stream within an artery or a vein 3D rendering illustration. Thrombosis, cardiovascular system, medicine, biology, health, anatomy, pathology concepts.
Warum erhöhte Blutdruck- und Cholesterinwerte auf keinen Fall ignoriert werden sollten.
"Fünf Lebensstilfaktoren können das Risiko für einen Schlaganfall bis zu 80 Prozent senken", sagt die Neurologin Julia Ferrari, Leiterin der Abteilung für Neurologie im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in Wien: Kein Übergewicht, mediterrane Ernährung, nicht Rauchen, kein oder möglichst wenig Alkohol und ausreichend Bewegung, mindestens 150 Minuten pro Woche. Auch das Herzinfarktrisiko kann damit stark gesenkt werden.
 
Und dann gibt es Risikofaktoren, von denen viele beeinflussbar sind. Der Bluthochdruck und die Blutfette zum Beispiel. "Aber leider werden sie unterschätzt und oft nicht ernst genommen", sagt Ferrari. "Die Leute denken sich, ein Blutdruck von 150/100 mmHg ist kein Problem. Aber alles, was über 130/85 mmHg liegt  – bei Älteren kann man auch noch 140/90 tolerieren – ist zu hoch."
 
Neurologin Ferrari war eine der Referentinnen beim KURIER-Gesundheitstalk am 27. Mai zum Thema "Wie man sich vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützen kann". Die Veranstaltung war eine Kooperation von KURIER, MedUni Wien und Novartis.
Wie man sich vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützen kann

Neurologin Julia Ferrari, Leiterin der Abteilung für Neurologie, Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, Wien.

Die Internistin und Diabetologin Yvonne Winhofer-Stöckl, Oberärztin an der Diabetes- und Lipidambulanz an der MedUni / AKH Wien,  ist oft mit der Situation konfrontiert, dass Patientinnen und Patienten erhöhte Blutfettwerte ignorieren.
"Dabei zeigen alle Studien: Je niedriger das 'schlechte' LDL-Cholesterin ist, desto weniger Herzinfarkte und Schlaganfälle gibt es. LDL-Cholesterin ist ein Abfallprodukt, das man nicht braucht. Für Menschen mit niedrigem Risiko, die auch noch keine Gefäßerkrankung haben, liegt der Schwellenwert, der nicht überschritten werden sollte, bei 116 mg/dl. Ab 190 mg/dl ist auf jeden Fall eine medikamentöse Therapie empfohlen."
Wie man sich vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützen kann

Lipid- und Diabetesspezialistin Yvonne Winhofer-Stöckl von der MedUni / AKH Wien.

Nur diese Werte zu betrachten, sei aber eine veraltete Sichtweise, sagt Winhofer-Stöckl. "Wichtig ist, das individuelle Risiko, in den nächsten zehn Jahren einen Herzinfarkt oder Schlaganfall zu bekommen, zu ermitteln." Dabei spielt ein generell erhöhtes genetisches Risiko – gab es in der Familie schon Herzinfarkte oder Schlaganfälle vor dem 65. Lebensjahr – ebenso wie zahlreiche andere Faktoren eine Rolle: Etwa chronische Erkrankungen, Bluthochdruck, Zigarettenkonsum, zu viel Cholesterin durch einen Gendefekt, aber auch das Geschlecht und das Alter. Bei Männern steigt das Risiko früher und ist höher, betont auch Julia Ferrari.
Dass bei Menschen, die ein erhöhtes Risiko haben, der LDL-Zielwert deutlich niedriger – unter 70 oder bei bereits bestehenden Erkrankungen der Herz- oder Gehirngefäße sogar unter 55 mg/dl – sein sollte, habe einen guten Grund, sagt Winhofer-Stöckl: "Hier ist als Folge der Atherosklerose ein entzündlicher Prozess im Gang. Bei diesen Patienten können bei Werten über 70 mg/dl die Plaques, die krankhaften Ablagerungen an den Arterieninnenwänden, wachsen. Bei Werten um die 70 mg/dl bleiben bestehende Plaques stabil und bei Werten darunter bilden sie sich teilweise zurück bzw. verändert sich ihre Zusammensetzung so, dass sie nicht mehr so leicht aufplatzen."
Der Prozess der Atherosklerose sei vergleichbar mit einem Lagerfeuer, sagt Winhofer-Stöckl: "Wenn das Feuer ausgehen soll, dürfen Sie nichts mehr nachlegen – und das LDL-Cholesterin ist das Holzscheit."
 
Mit Lebensstiländerungen allein sind derart niedrige Werte nicht zu erreichen. Winhofer-Stöckl hat immer wieder mit Vorbehalten von Patientinnen und Patienten gegen die am häufigsten eingesetzten Cholesterinsenker, die Statine, zu tun: "Aber es gibt keine Substanzklasse, die so gut getestet ist, von der wir so viele Sicherheitsdaten haben." Nur bei einem von 1.000 Patienten treten Muskelschmerzen auf, vielfach seien sie auf orthopädische Probleme zurückzuführen. Auch Behauptungen, wonach das Demenzrisiko erhöht sei, seien falsch: "Im Gegenteil: Dadurch, dass sie Gefäßverkalkungen verhindern bzw. reduzieren, sinkt das Demenzrisiko."
 
Sollte jemand Statine aber gar nicht vertragen, gebe es mittlerweile Alternativen. "Und man kann durch die Kombination mit einer zweiten Substanz die Statin-Dosis sehr niedrig halten." Nur für Patientinnen und Patienten, die etwa nach einem Infarkt ein sehr hohes Risiko haben und mit Statinen keine ausreichende LDL-Senkung erreichen, können die neuen "Cholesterinspritzen" – monoklonale Antikörper, die unter die Haut injiziert werden – eine Alternative sein: "Aber sie sind auf keinen Fall ein genereller Ersatz für die Statine."

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