Richard Crevenna: Natürlich ist Bewegung gut, aber Gehen allein wird wahrscheinlich in vielen Fällen nicht ausreichen. Tritt ein Rückenschmerz auf, ist es im ersten Schritt wichtig, durch eine klinische Untersuchung und einen speziellen Fragenkatalog mögliche gefährliche Ursachen - etwa ein schwerer Bandscheibenvorfall, der zu einer Lähmung führen kann oder der Bruch eines Knochens als Folge von Krebs oder Osteoporose - auszuschließen. Solche gefährlichen Ursachen mit dringender Notwendigkeit einer Behandlung betreffen aber nur 20 Prozent der neu aufgetretenen Schmerzen im mittleren und unteren Rücken. In diesen Fällen sind weiterführende Untersuchungen - inklusive eines bildgebenden Verfahrens, etwa CT oder MRT - notwendig.
Und die anderen 80 Prozent?
Das sind unspezifische Rückenschmerzen, deren Ursachen irgendwo in der Muskulatur liegen und die etwa durch Verspannungen, Fehl- und Überbelastungen ausgelöst werden. Erstes Ziel ist es, die Patientinnen und Patienten schmerzfrei zu bekommen - mit schmerzreduzierenden und muskelentspannenden Medikamenten - sowie Wärmeanwendungen, sei es durch Elektrotherapie, Ultraschall oder auch wärmende Kissen. Ganz wichtig ist die Information an die Patientinnen und Patienten: "Ihre Schmerzen sind ungefährlich, wir machen sie schmerzfrei, aber jetzt müssen Sie sich bewegen und trainieren, um weiteren Rückenschmerzen vorzubeugen. In diesen Fällen ist in der Regel kein CT oder MRT notwendig, das wäre eine Überdiagnostik.
Und dann reicht Spazierengehen?
Da bin ich persönlich ein wenig skeptisch. Natürlich verringert jede körperliche Aktivität das Risiko für Zivilisationskrankheiten wie Rückenschmerzen. Und wenn ich mich täglich 30 Minuten aus einem stressigen Alltag ausklinken kann und etwas für mich machen kann, dann kommt neben dem Effekt der Bewegung auch noch ein positiver Effekt auf die Psyche hinzu. In vielen Fällen wird es aber für einen dauerhaften Effekt notwendig sein, nicht nur die Bewegungsmuskulatur, sondern vor allem auch die Haltemuskulatur, die Stabilisatoren der Wirbelsäule, zu kräftigen. Das bringt den größten Effekt. Dafür muss man nicht unbedingt ins Fitnessstudio. Man kann zum Beispiel mit Therabändern auch sehr gute Übungen zuhause durchführen, sollte sich die richtige Anwendung aber von einem Physiotherapeuten zeigen lassen.
Nur Spazierengehen bringt wohl auch keinen Trainingseffekt?
Ja, und deshalb wäre es gut, zumindest einen Teil des Ausdauertrainings in etwas höherer Intensität, etwa mit Nordic Walking, auszuüben. Dann wird auch die Bewegungsmuskulatur aufgebaut. Man kann sich auch mit einem Sportwissenschafter einen individuellen Trainingsplan erstellen lassen.
Sind bei unspezifischen Rückenschmerzen nicht immer Körper und Psyche beteiligt?
Dazu sage ich: Man kann nicht geistig durch Stress, Termindruck, etc. angespannt sein und gleichzeitig körperlich entspannt sein. Und umgekehrt ist es natürlich genau so. Der Geist lebt auch in unserem Körper. Deshalb helfen vielen Patientinnen und Patienten auch Entspannungstechniken, Biofeedback oder Meditation. Aber bereits das Achten auf regelmäßige Pausen, oder in sitzenden Berufen zwischendurch immer wieder aufstehen, ein wenig herumgehen, bringen viel - für Körper und Psyche.
Buchtipp: Richard Crevenna, Rückenschmerzen Vorbeugen und aktiv behandeln. Ein interdisziplinärer Ratgeber zu Rückengesundheit am Arbeitsplatz. Prävention und Therapie von Rückenproblemen. Manz-Verlag, 207 Seiten, 23.90 Euro
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