Quarantäne-Regeln: Warum bei der Lockerung Vorsicht geboten ist
Omikron grassiert in Europa inzwischen im großen Stil. Gleichzeitig greift auf politischer Ebene das Kopfzerbrechen darüber, wie man einen Zusammenbruch systemrelevanter Versorgungsbereiche wegen massenhafter Infektions- und Quarantänefälle verhindern könnte, um sich.
In einigen Ländern, darunter Frankreich und Italien, hat man die Quarantäne-Bestimmungen bereits gelockert. Anderorts, etwa in Deutschland, denkt man zumindest ernsthaft darüber nach.
Viele heimische Expertinnen und Experten plädieren bei der Verkürzung der Quarantäne-Dauer aktuell für ein Fahren auf Sicht.
So hält es der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) beispielsweise zwar durchaus für angemessen, die Isolationsdauer für Corona-Infizierte zu verkürzen. Denn es gebe Hinweise darauf, dass Betroffene bei Omikron früher Krankheitsanzeichen zeigen und die Dauer der Infektiosität entsprechend verkürzt ist.
Bislang lag die Inkubationszeit bei etwa fünf Tagen. Infizierte entwickelten also erst ab Tag fünf Symptome. Bei Omikron ist die Inkubationszeit allem Anschein nach um etwa zwei Tage verkürzt. "Die Quarantäne könnte mit negativen PCR-Test um diese zwei Tage verkürzt werden", folgert Czypionka.
Wenn man sich mit der Omikron-Variante infiziert hat, kann man derzeit frühestens zehn Tage nach Beginn der Symptome oder, wenn dieser Zeitpunkt unklar ist, zehn Tage nachdem der Erreger labordiagnostisch erstmals nachgewiesen wurde, aus der Quarantäne entlassen werden. Zusätzlich muss man mindestens 48 Stunden symptomfrei sein und einen negativen PCR-Test nachweisen beziehungsweise muss bei einem positiven PCR-Test der Ct-Wert (gibt Auskunft über das Ansteckungsrisiko) größer oder gleich 30 sein.
Als Kontaktperson 1 (K1) einer positiv auf das Coronavirus getesteten Person dauert die Quarantäne momentan in der Regel zehn Tage. Ein Freitesten ist, sofern man keine Symptome hat, mittels negativem PCR-Test ab dem fünften Tag möglich. Ausnahme: K1-Personen, die sich nicht von der infizierten Person absondern können (z. B. im gemeinsamen Haushalt lebend ohne räumliche Trennung). Hier dauert die Quarantäne aktuell jedenfalls zehn Tage.
Czypionka spricht sich aber ebenso wie der Virologe Norbert Nowotny von der Vetmeduni Wien dagegen aus, die Absonderung für geimpfte Kontaktpersonen bereits jetzt gänzlich zu erlassen. Czypionka: "Das ist meiner Meinung nach erst sinnvoll, wenn echte Versorgungsprobleme drohen. Setzen wir diesen Schritt im Voraus, erleichtern wir dem Virus die Verbreitung. Das kann nicht das Ziel sein. Wir wollen ja verhindern, dass sich eine allzu starke Welle aufbaut."
Dass es dazu kommen wird, hält Nowotny für sehr wahrscheinlich: "Wir müssen befürchten, dass wir im Laufe dieses Monats und in der ersten Februarhälfte auch in Österreich mit sehr vielen Infektionsfällen konfrontiert sein werden. Das könnte zu Versorgungsproblemen führen und potenziell ganzen Branchen lahmlegen, weil sich einfach zu viele Menschen isolieren müssen. Das könnte es notwendig machen, die Quarantäne zumindest für dreifach Geimpfte zu verkürzen."
Für ein solches Vorgehen spreche auch, dass bei dreifach Geimpften die Viruslast geringer sei. "Sie sind auch deutlich kürzer und auch nicht so massiv ansteckend wie Ungeimpfte oder nur einfach oder zweifach Geimpfte."
Booster-Anreiz setzen?
Dreifach Geimpfte als Anreiz für den Boosterstich gänzlich aus der Quarantäne-Pflicht zu entlassen sei "ein Hasardspiel", warnt Czypionka. "Man bekommt so am Ende zwar womöglich mehr Menschen mit besserem Impf-Schutz, bleibt aber auf dem Risiko, dass der ein oder andere Geboosterte das Virus weitergibt, sitzen." Nowotny plädiert dafür, abzuwarten: "Wenn wir sehen, wie die Welle bei uns ablaufen wird, kann man das noch immer machen."
Statt Quarantäne eine umfassende Maskenpflicht für geboosterte Kontaktpersonen zu erlassen – so geht Italien momentan vor –, sei nur in Ausnahmefällen sinnvoll, sagt Czypionka: "Ich würde das auf Personen begrenzen, die in der kritischen Infrastruktur gebraucht werden. Wenn man hier nicht vorsichtig agiert, kann es erst recht zu einer Enthemmung des Infektionsgeschehens und zum Kollaps in bestimmten Bereichen kommen, weil dann auch etliche Personen Symptome entwickeln und deswegen ausfallen werden."
Omikron durchrauschen lassen?
Hinter der Diskussion rund um die Verkürzung der Quarantäne-Zeiten steht laut Czypionka nicht zuletzt eine ideologische Debatte. "Und die dreht sich darum, ob man das Ansteigen der Infektionszahlen nicht mehr so ernst nehmen soll – oder weiterhin möglichst lückenloses Containment betreiben und so Kontaktpersonen von bestätigten Covid-19-Fällen ermitteln soll, um Infektionsketten zu unterbrechen. Unseren Forschungen zufolge ist eine niedrige Inzidenz nach wie vor die beste Möglichkeit, um durch die Omikron-Welle zu kommen."
Auch Nowotny ist dagegen, "die Infektionen einfach laufen zu lassen". Das sei zu gefährlich, "solange wir das klinische Bild der Omikron-Infektionen in Österreich noch nicht genau genug kennen".
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