Bringt der Antikörper-Schnelltest in der Apotheke überhaupt etwas?
Das System klingt einfach und unkompliziert: Über einen Tropfen Blut aus der Fingerkuppe kann bestimmt werden, wie hoch der Wert der Antikörper gegen SARS-CoV-2 ist. Nach 20 Minuten Wartezeit erhält man einen Wertebereich in der üblichen Einheit BAU/ml (kurz für Binding Antibody Units), der Auskunft darüber geben soll, "wie gut" man vor Covid-19 geschützt ist – so wird der Test in einem Erklärvideo der Herstellerfirma Genspeed Biotech gemeinsam mit der Apothekerkammer beworben.
Einige Apotheken bieten den Schnelltest bereits seit Monaten an, das Gerät dafür stammt von dem oberösterreichischen Medizintechnik-Unternehmen. Der Vorteil gegenüber der Blutabnahme beim Hausarzt oder im Labor: "Unser Test ist wesentlich niederschwelliger. Dass Kapillarblut aus der Fingerkuppe verwendet wird, ist gerade für Kunden mit Nadelphobie ein wesentlicher Vorteil", meint Geschäftsführer Max Sonnleitner.
Aber bringt dieser Test überhaupt etwas? Gibt er den Getesteten nicht vielleicht sogar ein falsches Sicherheitsgefühl?
Kundinnen und Kunden der Apotheken könnten mit dem Schnelltest über die Zeit ihren Antikörperverlauf feststellen lassen. "Wenn man sich zum Beispiel alle drei Monate testet, bekommt man einen Eindruck, wie die Antikörperkonzentration und damit auch der Antikörper basierte Immunschutz verläuft“, so Sonnleitner. Daraus ließe sich dann ableiten, ob etwa eine Booster-Impfung nötig sei oder nicht. Zudem würden drei verschiedene Antikörper-Arten bestimmt, was im Labor nicht der Fall sei.
Booster nicht danach planen
Gregor Hörmann von der Österreichischen Gesellschaft für Labormedizin kann dem Verfahren und der Empfehlung, daraus die Entscheidung für oder gegen eine Booster-Impfung abzuleiten, wenig abgewinnen. "Ich verstehe, dass manche neugierig sind, aber es gibt aktuell keine allgemeine Empfehlung für alle, den Antikörperwert bestimmen zu lassen. Es gibt keine klare klinische Aussage darüber, dass ein bestimmter Wert für eine ausreichende Schutzwirkung sorgt oder dass dieser Patient eine Auffrischung bräuchte", so Hörmann.
Sinnvoll sei die Bestimmung nur bei Patienten mit eingeschränktem Immunsystem, "wo man eine hohe Wahrscheinlichkeit hat, dass die Impfung gar nicht anspricht." Sie müssten eventuell nochmals geimpft werden. Hörmann: "Dass man nach dem Antikörperwert seine Auffrischungsimpfung planen kann, dazu ist die aktuelle Datenlage noch nicht ausreichend."
Dies entspricht den Empfehlungen des Gesundheitsministeriums sowie des Nationalen Impfgremiums (NIG). Beide raten gesunden Erwachsenen davon ab, Antikörper bestimmen zu lassen. Noch sei nicht bekannt, "welche Antikörper-/Titerhöhe notwendig ist, damit ein sicherer Schutz vor Covid-19 gegeben ist“, heißt es etwa vom Gesundheitsministerium.
Auch Personen mit hohen Antikörper-Werten können an Covid-19 erkranken, während andere mit niedrigen Werten symptomlos bleiben können. Der Wert zeigt lediglich an, ob der Körper mit dem Virus oder der Impfung Kontakt hatte. Zudem ist er eine Momentaufnahme – in einem Monat kann der Wert bereits ganz anders sein, wie Antikörperstudien zeigen.
Schnelltest "nicht notwendig"
Abgesehen von der Notwendigkeit des Tests, sieht Labormediziner Hörmann auch Probleme hinsichtlich der Qualität des Schnelltests aus der Apotheke. Problematisch sei die Spezifität von 93 Prozent – im Vergleich zu anderen Labortests sei dies niedrig. "Das bedeutet sieben Prozent sind falsch-positive Ergebnisse. Das ist um Größenordnungen zu viel und 20 Mal höher als bei aktuell top verfügbaren Labortests erreicht wird. Dieser Qualitätsabstrich ist aus meiner Sicht durch nichts zu rechtfertigen", so Hörmann.
Die beworbene Schnelligkeit sei schlicht nicht notwendig, da man das Ergebnis aus dem Labor meist innerhalb eines Tages erhalte. "Die Bestimmung von Antikörpern ist kein Akutbefund, wo ich unmittelbar ein Ergebnis brauche. Ich sehe keine Notwendigkeit für einen Schnelltest", meint Hörmann. Anders sei dies bei Antigentests, die rasch Aufschluss geben können, ob jemand infektiös ist oder nicht.
Testhersteller Sonnleitner weist die Kritik an der Qualität des Verfahrens zurück. "Angaben über Spezifität und Sensitivität von Herstellern müssen immer im Kontext betrachtet werden. Die 93 Prozent stammen aus einer Studie der medizinischen Fakultät der Johannes Kepler Universität Linz, in der sieben Testsysteme miteinander verglichen wurden – hier hat Genspeed im Vergleich mit den anderen mit einer Sensitivität von 100 Prozent und einer Spezifität von 93 Prozent sehr gut abgeschnitten", betont Sonnleitner. In einer anderen Studie sei eine Spezifität von 97 Prozent festgestellt worden. Zudem weise der Schnelltest unterschiedliche Antikörperarten nach, die in das Ergebnis miteinfließen.
Derzeit wird der Apothekentest nicht als Nachweis über Antikörper im Grünen Pass anerkannt. Laut Sonnleitner erfülle das System die Anforderungen dafür, "wo es allerdings eingesetzt wird, wird nicht von uns bestimmt".
Fünf Experten und eine Expertin antworten
Hans-Peter Hutter: Nein. Es gibt bis jetzt keinen Antikörperwert, der angibt, wie lange ich geschützt bin. Er sagt also für den Einzelnen nichts aus – außer dass man sich mit anderen vergleichen kann. Für bestimmte Patientengruppen macht es Sinn, weil bei diesen die Immunantwort auf die Impfung unsicher ist.
Eva Schernhammer: Nein. Es wurde mir vor und nach meiner ersten Impfung der Spiegel der neutralisierenden Antikörper im Rahmen einer Studie gemessen, das war im März 2021. Seither weiß ich nichts weiter.
Gerald Gartlehner: Nein, ich kenne meinen Antikörperstatus nicht. Es gibt für mich eigentlich keinen Grund meine Antikörper bestimmen zu lassen. Ich gehe davon aus, dass ich durch die Impfungen gut geschützt bin.
Marton Széll: Aus Interesse habe ich meinen Titer zweimal bestimmen lassen. Es zeigte sich der erwartete Abfall um ca. 80 Prozent über sechs Monate.
Heinz Burgmann: Ja ich kenne ihn, da ich an einer Studie teilgenommen habe, im Rahmen derer er bestimmt wurde. Ansonsten ist der Antikörper-Status für eine Impfentscheidung nicht sehr sinnvoll.
Michael Wagner: Da ich an einer Studie teilgenommen habe, kenne ich meinen Antikörperstatus aus dem Juli 2021.
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