"Penninger-Medikament": Patientin in Heilversuch erfolgreich behandelt

Der Wirkstoff soll Coronaviren (orange) daran hindern, in Zellen (auf dem Bild grau) einzudringen.
Ein Bericht über eine Therapie einer schwer kranken Frau ist jetzt in einem Fachjournal erschienen. Eine große Studie mit 200 Patienten ist aber noch nicht abgeschlossen.

Auch wenn es für ein abschließendes Urteil viel zu früh ist - es ist ein erstes positives Signal: Die Firma Apeiron Biologics AG gab jetzt "erste vielversprechende Ergebnisse" mit ihrem neuen Therapieansatz gegen Covid-19 bei einer Patientin bekannt. Die Behandlung der Covid-19-Patientin mit dem von Josef Penninger mitentwickelten synthetischen Enzym APN01 "ging mit einer signifikanten klinischen Verbesserung einher", heißt es in einer Aussendung der Firma. Sie verweist darin auf eine Publikation im renommierten Fachmagazin The Lancet Respiratory Medicine, die in der Nacht auf Freitag veröffentlicht wurde und in der über diese Fallstudie berichtet wird.

"Die veröffentlichten Daten zeigen die erwarteten Zeichen einer adaptiven (spezifisch gegen das neue Coronavirus gerichteten, Anm.) Immunantwort,einer rapiden Verringerung der Viruslast und von Entzündungsmediatoren", sowie die Entwicklung hoher Mengen spezieller (neutralisierender) Antikörper, die die Vermehrung des Virus hemmen, heißt es in der Aussendung.

An der Fallstudie war ein internationales Forscherteam, darunter auch das  IMBA (Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften) in Wien, beteiligt. Die Grundlage hinter dem Wirkungsmechanismus wurde bereits 2005 am IMBA entdeckt. Anhand der Studie jetzt konnte detailliert gezeigt werden, wie das Medikament in einem Patienten wirkt.

Erstautor der Publikation ist Alexander Zoufaly, Oberarzt der Abteilung für Infektionskrankheiten im Wiener Kaiser-Franz-Josef-Spital ("Klinik Favoriten"). Er wird in der Aussendung so zitiert: Die Ergebnisse dieser Patientenfallstudie sind ermutigend und unterstützen das Vorgehen, APN01 als Therapie zur Behandlung von COVID-19 in klinischen Phase-II-Studien weiter zu erforschen.”

Eine solche wird derzeit in mehreren Ländern mit 200 schwer kranken Covid-19-Patienten durchgeführt. 100 erhalten den Wirkstoff, 100 ein Placebo, ein wirkungsloses Scheinmedikament - Patienten und behandelnde Ärzte wissen nicht, wer womit behandelt wird. Sieben Tage lang bekommen sie zwei Mal täglich eine 30-minütige Infusion mit dem Wirkstoff oder dem Placebo. Die Studie läuft noch, Daten gibt es deshalb noch keine.

Heilversuch außerhalb der Studie

Bei dem jetzigen Einzeleinsatz handelte es sich hingegen um einen sogenannten Heilversuch ("named patient use") außerhalb und unabhängig von der Studie. Als Heilversuch wird der Einsatz eines noch nicht zugelassenen Medikaments unter der Voraussetzung bezeichnet, dass "die Arzneispezialität zur Abwehr einer Lebensbedrohung oder schweren gesundheitlichen Schädigung dringend benötigt wird und dieser Erfolg mit einer zugelassenen und verfügbaren Arzneispezialität nach dem Stand der Wissenschaft voraussichtlich nicht erzielt werden kann", heißt es im Arzneimittelgesetz.

Das Enzym APN01 hat ein Team der Firma Apeiron Biologics AG rund um den österreichischen Genetiker Josef Penninger vor 15 Jahren am IMBA  in Wien gegen das erste SARS-Virus entwickelt. Damals haben Penninger und sein Team das Enzym ACE2 als die essenzielle Eintrittspforte eines Coronavirus (damals SARS) in Zellen beschrieben. Der Wirkstoff APN01 ist eine lösliche, synthetisch hergestellte Version dieses Enzyms ACE2 und blockiert das Eindringen des neuen Coronavirus in Zellen.

Deshalb soll es jetzt gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 zum Einsatz kommen. Penninger, derzeit Professor an der University of British Columbia in Kanada, ist Gründer und Aufsichtsratsmitglied der Firma und „Miterfinder“ des Wirkstoffs.

So wirkt das Medikament

APN01 hat einen doppelten Wirkmechanismus: Es ahmt das menschliche Enzym ACE2 nach, welches das Virus zum Eindringen in Zellen benötigt. Das Virus soll damit an die dem Patienten injizierte, lösliche Form des Enzyms binden und nicht an die originale Variante auf den Körperzellen: "Es wäre dann wie ein Schwamm, der das Virus aufnimmt und es davon abhält, an den Körperzellen anzudocken und in die Zellen hineinzugehen", erklärte Josef Penninger in einem früheren Interview.

Gleichzeitig wird die eigentliche Schutzfunktion des Enzyms auf den Zellen nicht durch das Virus blockiert – die Gefahr gefährlicher Entzündungsreaktionen in der Lunge und auch Schädigungen anderer Organe sinkt.

"Die neuen Patientendaten stützen die Fähigkeit von APN01, dem Virus die Tür zu verschließen", wird Penninger in der Aussendung zitiert. "Aber im Gegensatz zu praktisch allen anderen Medikamentenkandidaten zeichnet sich APN01 durch eine doppelte Wirkung aus: es blockiert das Virus und kann über seine Enzymfunktion die Lunge, die Blutgefäße oder das Herz vor Verletzungen schützen. Die aktuellen Ergebnisse liefern wesentliche Daten, dass diese wichtige Enzymfunktion von APN01 bei behandelten COVID-19-Patienten erhalten bleibt.

"Wir sind zuversichtlich"

Wir freuen uns, dass unser Medikamentenkandidat APN01 dieser Patientin geholfen haben könnte, die lebensbedrohliche Krankheit zu überwinden und sind zuversichtlich, diese positiven Ergebnisse in unserer laufenden und fortschreitenden klinischen Phase II-Zulassungsstudie bestätigen zu können", lautet eine Aussage von Peter Llewellyn-Davies, Vorstandsvorsitzender der APEIRON Biologics, in der Aussendung:  "Die weitere wissenschaftliche Validierung durch die Publikation in dieser renommierten Fachzeitschrift bestärkt uns in unseren Bemühungen, zum Wohle der Patienten und der Gesellschaft eine wirksame Therapie gegen COVID-19 anzubieten."

 

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