Neue Virusvariante: Was ihr Nachweis in Österreich bedeutet
Der Virologe Andreas Bergthaler vom CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Akademie der Wissenschaften bringt es im KURIER-Gespräch mit drei Worten auf den Punkt: „Sie ist angekommen. Wir haben in vier Fällen die englische, und in einem auch die südafrikanische Variante des neuen Coronavirus in Österreich detektiert. Das war nicht völlig überraschend.“ Die Analysen stammen von Ende Dezember bis Sonntag, 3.1.
„In Großbritannien hat man bereits mehr Daten gesammelt und es wird klar: Die Variante ist tatsächlich infektiöser, im Durchschnitt stecken sich mehr Personen weiter an, es gibt eine erhöhte Reproduktionszahl von 0,4 bis 0,7“, erklärt Bergthaler. Wichtig erscheint ihm, „dass bei der neuen Variante mehr Viren in den Infizierten vorhanden sind,
dass diese Infizierten – statistisch signifikant – mehr junge Menschen bis zu 19 Jahren sind,
und dass der Krankheitsverlauf nicht verändert ist. “
Wie weit verbreitet?
Wie stark die neue englische Variante in Österreich bereits verbreitet ist, „können wir mit den vorliegenden Daten noch nicht sagen“. Bergthaler vermutet aber, dass die Mutation mehrfach eingetragen wurde, aber noch nicht sehr verbreitet ist – auch in Abwasser von Kläranlagen ist sie bisher nicht nachgewiesen worden.
Seit Weihnachten wurden in einer Kooperation der AGES und der Akademie der Wissenschaften 388 Virusisolate genau auf ihre einzelnen genetischen Bausteine hin untersucht (sequenziert). In Proben aus Österreich ohne vorherige Reisegeschichte wurden die Virusmutationen aus England und Südafrika noch nicht gefunden. Insgesamt wurden seit Beginn der Pandemie 1.800 Proben sequenziert.
Die südafrikanische Mutation wurde bei einer 30-jährigen Österreicherin entdeckt, die am 6.12. aus dem Urlaub aus Südafrika zurückgekommen ist, gab Franz Allerberger, Leiter der Abteilung für öffentliche Gesundheit der AGES, bekannt.
Der erste bekannte Fall mit der englischen Mutation betrifft ein zwölfjähriges österreichisches Mädchen, das am 18.12. aus England gekommen ist. Danach entdeckte man sie bei einem Österreicher, der am 21.12. mit einer der letzten Maschinen aus Großbritannien in Wien-Schwechat gelandet ist und bei zwei slowakischen Kindern (neun und zehn Jahre).
In keinem Fall kam es zur Ansteckung anderer Familienangehöriger.
Gesundheitsminister Rudolf Anschober: „Wir haben mit einem Lichtkegel in eine dunkle Scheune geleuchtet, wir müssen jetzt schauen, dass dieser Lichtkegel viel breiter wird. “
Der Virologe Christoph Steininger erklärte vor einigen Tagen im KURIER-daily-Podcast, die neue Virusvariante sei „kein Grund, in Panik zu verfallen“, wichtig sei jetzt aber das Sammeln von Daten. Die Erkrankungen seien nicht aggressiver.
Größerer Impfabstand?
Angesichts der Ausbreitung der neuen Virusvariante in England gibt es dort den Plan, die zweite Impfdosis nicht bereits nach drei bis vier, sondern erst nach zwölf Wochen zu verabreichen, um rasch mehr Menschen impfen zu können. Begründung: Schon nach der ersten Dosis trete eine gewisse Immunität ein, die bis zur zweiten Dosis ausreiche.
Der österreichische Impfstoff-Experte Otfried Kistner ist aber skeptisch: „Ein hoher Schutz zeigt sich definitiv erst eine Woche nach der zweiten Impfung. “ Und weiter: „Gerade in einer Notsituation fände ich besser, wenn man einen kleineren Teil der Bevölkerung hat, der verlässlich geschützt ist – und nicht einen größeren, der nicht oder nicht vollständig geschützt ist. Wenn es dann trotz Impfung zu Erkrankungen kommt, wird es heißen, der Impfstoff wirkt nicht.“
Etwas anderes sei die Halbierung der Dosis: „Das würde ich eher für vertretbar halten, zumindest bei der ersten Teilimpfung."
Kommentare