Neuartige Therapie: Erstmals Frau von HIV geheilt
Sie ist die erste Frau weltweit und der dritte Mensch überhaupt, bei dem eine HIV-Heilung gelang: Bei einer 60-jährigen US-Amerikanerin ist das HI-Virus nach einer Transplantation von Stammzellen aus Nabelschnurblut nicht mehr nachweisbar.
Die Frau, deren Fall kalifornische Forscher jetzt auf einer Konferenz präsentierten, hatte die Diagnose HIV im Jahr 2013 erhalten und wurde seitdem mit antiretroviralen Medikamenten behandelt. Die Wirkstoffkombination, die zur Behandlung von HIV-Patienten üblich ist, ermöglicht HIV-Infizierten eine normale Lebenserwartung.
Bei der Patientin wurde 2017 zusätzlich eine akute myeloische Leukämie diagnostiziert (AML), ein bösartiger Blutkrebs. Aufgrund der Krebserkrankung sollte sie eine Stammzelltransplantation erhalten. Dieses Verfahren ist sehr riskant und mit starken Nebenwirkungen verbunden. Es wird in der Regel Menschen mit Krebs angeboten, bei denen alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
"Die Stammzelltransplantation ist ein tief greifender Eingriff, bei dem das eigene Immunsystem ausgelöscht wird. Das Besondere bei diesem Fall ist, dass eine mildere Form der Stammzelltransplantation erfolgte“, sagt Alexander Zoufaly, Präsident der Österreichischen AIDS Gesellschaft.
Mutation macht immun
Üblicherweise werden bei Leukämien Stammzellen aus dem Knochenmark transplantiert. Sie bauen das gesamte blutbildende System sowie das Immunsystem auf. Werden nun Stammzellen von Spendern mit einer bestimmten Mutation gewählt, die immun gegen HIV macht, können die Empfänger von HIV geheilt werden.
Bisher verlief dies weltweit bei zwei Männern erfolgreich. "Diese Behandlung ist für sonst gesunde, HIV-positive Menschen keine Option. Primäres Ziel war nicht, HIV zu heilen, sondern Krebs. Durch die Auswahl von Stammzellen, die das HI-Virus blockieren, trat aber dieser gewünschte Nebeneffekt ein“, erklärt Zoufaly.
Stammzellen aus Nabelschnurblut
Bei der Frau wurden aber Stammzellen aus Nabelschnurblut verwendet. Das hat mehrere Vorteile: Einerseits braucht es nicht eine optimale Übereinstimmung zwischen Spender und Empfänger. Die Patientin ist Afroamerikanerin gemischter Abstammung.
Die Mutation, die das HI-Virus blockiert, tritt allerdings überwiegend bei Personen aus dem nordeuropäischen Raum auf. Zoufaly: "Die Stammzellen im Knochenmark haben gewisse Eigenschaften. Jene im Nabelschnurblut sind jedoch vollkommen unbedarft, sodass es mehr Menschen ermöglicht, einen sogenannten Match zu finden.“
Im Fall der Patientin konnten also Stammzellen von jemandem mit unterschiedlicher Abstammung verwendet werden. Durch die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut kam es zudem zu keiner Abstoßungsreaktion – die Frau konnte das Spital bereits 17 Tage später verlassen.
Sie erhielt die Stammzellen im August 2017. Zusätzlich bekam sie teilweise übereinstimmende Stammzellen von einer Verwandten ersten Grades, um ihr Immunsystem zu unterstützen. "Die Stammzellen der Verwandten dienten zur Überbrückung. Die Transplantation von Zellen aus Nabelschnurblut ist eine relativ neue Methode, wobei man gemerkt hat, dass es relativ lange dauert bis sich diese Zellen zu selbstständigen Knochenmarkszellen ausbilden. In dieser Zeit hat man kein funktionierendes Immunsystem und ist sehr verletzlich“, so Zoufaly.
Keine Anzeichen für HIV
Die Patientin konnte die antiretrovirale Therapie 37 Monate nach der Transplantation absetzen. Mehr als 14 Monate danach zeigte sie in Bluttests keine Anzeichen von HIV. Anders als bei den beiden bisher von HIV geheilten Männern kam es nicht zu einer sogenannten Graft-versus-Host-Erkrankung. Dabei handelt es sich um eine systemische, entzündliche Erkrankung, bei der die Zellen des Spenders den Körper des Empfängers angreifen. Bisher wurde angenommen, dass es diese Reaktion braucht, um Restbestände des HI-Virus im Körper zu beseitigen. Der aktuelle Fall zeigt jedoch, dass dies nicht notwendig ist.
Die Methode ist keine Routinebehandlung für HIV-Patienten, sondern zeige, wie eine Heilung unter bestimmten Voraussetzungen funktionieren kann, so Zoufaly. "Der Fall stößt das wissenschaftliche Feld auf der Suche nach Heilung an. Für gesunde HIV-Patienten haben wir aber eine absolut effiziente Therapie mit praktisch keinen Nebenwirkungen, die ein normales Leben ermöglicht.“
Bisher erst zweimal erfolgreich gelungen
Der erste Patient, der weltweit von HIV geheilt werden konnte und damit in die Medizingeschichte einging, war der Amerikaner Timothy Ray Brown, auch bekannt als "Berliner Patient“, weil er seit 1995 in Berlin gelebt hatte.
Er erhielt im selben Jahr die Diagnose HIV und nahm elf Jahre lang antiretrovirale Medikamente, bis er Blutkrebs entwickelte. 2007 erhielt er eine Stammzelltransplantation aus dem Knochenmark eines Spenders, das ein verändertes CCR5-Gen aufwies. Diese Mutation macht immun gegen HIV. Nach sehr schweren Nebenwirkungen, die er nur knapp überlebte, blieb Brown über zwölf Jahre lang virenfrei, bis er 2020 erneut an Leukämie erkrankte und daran verstarb.
Ein weiterer erfolgreicher Heilungsversuch wurde im Jahr 2019 bekannt – erneut bei einem Mann, der später als Adam Castillejo identifiziert wurde. Aufgrund seines Wohnorts gilt er als "Londoner Patient“. Im März 2020 – fast drei Jahre nach Absetzen seiner Medikamente – war bei ihm kein HIV mehr nachweisbar. Auch er erhielt im Rahmen einer Krebsbehandlung eine Stammzelltransplantation. Und auch er litt unter starken Nebenwirkungen.
Kommentare