Vom HIV-Entdecker zum Impfskeptiker: Luc Montagnier ist tot
Wer sich heutzutage mit HIV ansteckt, kann dank vieler Medikamente ein langes und in weiten Teilen normales Leben führen. Zu verdanken ist das unter anderem Luc Montagnier: Der französische Forscher, der im Jahr 2008 gemeinsam mit Francoise Barré-Sinoussi für seine bahnbrechende Forschung zum HI-Virus den Nobelpreis für Medizin erhalten hatte, ist jetzt im Alter von 89 Jahren verstorben.
Montagnier sorgte zeit seines Lebens für Schlagzeilen, nicht nur in Frankreich. Als der streitbare Wissenschafter 1983 erste Resultate aus seinen Forschungen zu HIV und AIDS zog – zwei Jahre, nachdem Ärzte in New York und Kalifornien eine Häufung ungewöhnlicher Todesfälle unter jungen, homosexuellen Männern beobachtet hatten –, war die wissenschaftliche Welt zunächst nicht überzeugt von ihm. „Wir hatten gute Ergebnisse, aber die Wissenschaftsgemeinde akzeptierte sie zumindest für ein ganzes Jahr nicht“, beklagte er später verstimmt.
Bittere Rivalität
Grund dafür war seine öffentlich ausgetragene Konkurrenz mit einem Forscherteam, das ebenso an der Entschlüsselung des Virus arbeitete: Robert Gallo, einem US-amerikanischen Wissenschafter, gelang es ein halbes Jahr nach Montagnier ebenso, das HI-Virus zu entschlüsseln – allerdings wurde dessen Antrag auf ein Patent für einen HIV-Bluttest früher genehmigt als jener Montagniers.
Was folgte, war ein erbitterter Rechtsstreit mitsamt diplomatischen Verwicklungen. Schließlich ging es für die Forscher als auch für die Pharmafirmen der jeweiligen Länder um handfeste finanzielle Interessen – HIV und AIDS breiteten sich in den 1980ern rasant aus. Gelöst wurde der Streit erst Jahre später, und zwar im Jahr 1987 von US-Präsident Ronald Reagan und Frankreichs Premier Jacques Chirac. Die beiden Streitparteien schlossen einen Vergleich.
Im Jahr 2008, als Montagnier gemeinsam mit Françoise Barré-Sinoussi den Nobelpreis für Medizin erhielt, erwähnte das Nobelkommittee Gallo mit keinem Wort. Der US-Amerikaner bestätigte später selbst, dass Montagnier der erste gewesen sei, der das Virus entdeckt habe.
Umstrittene Aussagen
Nicht nur die Rivalität mit Gallo, die übrigens auch verfilmt wurde, machte Montagnier über die Grenzen der Wissenschaftscommunity hinaus bekannt. In hohem Alter verbreitete der Forscher Thesen, die nicht nur Kollegen zum Staunen brachten – etwa, dass gesunde Ernährung besser gegen AIDS wirke als Medikamente. Auch war er der irrigen Ansicht, dass Autismus durch langfristige Antibiotikagabe geheilt werden könne.
Kurz nach Ausbruch der Coronapandemie stellte er zudem die These auf, das Virus sei künstlich im Labor erzeugt worden – weil chinesische Forscher einen Impfstoff gegen Aids haben entwickeln wollen. Und er unterstellte der Impfung, die Krankheit Covid-19 massiv zu verschlimmern – was freilich widerlegt wurde.
Das Virus Das Humane Immundefizienz-Virus schädigt die Abwehr-kräfte des Körpers und führt – meist nach Jahren ohne Symptome – zu AIDS. Die Krankheit ist bis heute unheilbar, aber gut behandelbar
39 Millionen Tote Das Virus hat sich seit den 1980ern zur Pandemie entwickelt. Am stärksten betroffen ist das südliche Afrika. In Österreich waren Schätzungen zufolge 2021 rund 9.000 Menschen infiziert
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