Masern: Ärzte warnen davor, die Gefahren zu unterschätzen
"Masern sind keine harmlose Kinderkrankheit", mahnte Ernst Eber, Vorstand der Grazer Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, als vergangenes Wochenende gehäuft Fälle der Infektionskrankheit in der steirischen Landeshauptstadt auftraten. "Einer von Tausend Masern-Patienten stirbt", warnte der Experte nachdrücklich.
Wie viele Menschen sind in Österreich an Masern erkrankt?
Bundesweit sind derzeit 26 Fälle gemeldet. Die meisten kommen aus der Steiermark, mit Stand Mittwoch gab es 24 bestätigte Fälle, 20 von ihnen in Graz, der Rest in Leoben. Dazu kommen je ein Fall in Wien und Klagenfurt. In der Grazer Kinderklinik sind derzeit nur noch vier kleine Patientinnen und Patienten in stationärer Behandlung, am Dienstag waren es noch sieben.
Haben die Fälle miteinander zu tun?
Jene in Graz mit großer Wahrscheinlichkeit, sie gingen laut der Sanitätsbehörde vermutlich von einem Fall im Norden der Stadt aus. Zusammenhänge mit den Masernfällen in Wien und Klagenfurt sind dagegen eher auszuschließen.
Wie reagieren die Gesundheitsbehörden?
In der Steiermark gab es kurzfristig angesetzte Impfaktionen der Landessanitätsbehörde wie des Grazer Gesundheitsamtes. Der Zulauf von Interessierten war allerdings bescheiden: Zur Landesimpfaktion am Aschermittwoch kamen gerade einmal zwölf Personen, zu jener der Stadt Graz am Faschingsdienstag 27. Die Kärntner Gesundheitslandesrätin Beate Prettner, selbst Ärztin, forderte eine "bundesweite Abstimmung" über die weitere Vorgangsweise.
Wann gab es zuletzt größere Ausbrüche?
2019 war laut Gesundheitsministerium ein starkes Masern-Jahr, 140 Fälle wurden bundesweit gemeldet. Darunter auch der steirische Cluster, der im Jänner 2019 just auf der Kinderklinik seinen Ausgang nahm: Ein 15-Jähriger steckte dort mehrere Kindern an, die mit ihm gemeinsam in der Ambulanz auf Behandlung warteten. Der Jugendliche wusste nicht, dass er Masern hatte, war aber bereits infektiös. Danach mussten letztlich 28 Babys stationär aufgenommen werden, weil sie als Kontaktkinder galten.
Schützen die Masken auch vor Maserninfektionen?
Offensichtlich: In den von Corona und den Schutzmaßnahmen dagegen geprägten Jahren 2021 und 2022 wurde jeweils nur ein Masernfall gemeldet.
Wie ansteckend sind Masern?
Die Masern sind eine der ansteckendsten Viruserkrankungen. Haben 100 nicht geimpfte Personen einen auch nur kurzzeitigen Kontakt mit Masernviren, führt das zur Infektion von mindestens 95 dieser 100 Menschen. Deshalb ist auch eine Durchimpfungsrate von 95 Prozent mit zwei Dosen notwendig, um Ausbrüche zu verhindern – in der Pandemie ist die Durchimpfungsrate aber weiter gesunken und lag 2021 bei den Zweijährigen nur noch bei 84 Prozent für die erste und 74 Priozent für die zweite Teilimpfung. Insgesamt ist die Zahl der Masernimpfungen 2021 um fast fünf Prozent zurückgegangen.
Infektiös ist eine Person üblicherweise ab vier Tagen vor dem Auftreten des Masernausschlags, und hält bis zu vier Tage nach dem Beginn des Ausschlags an. Unmittelbar vor Auftreten des Ausschlags ist man am infektiösesten. Die ersten Symptome (Fieber, Schnupfen, Bindehautentzündung, Kehlkopfentzündung) treten durchschnittlich acht bis zehn Tage nach Beginn des Ausschlags auf.
Wie werden Masern übertragen?
Masernviren werden durch das Einatmen infektiöser Tröpfchen (Sprechen, Husten, Niesen) oder durch direkten Kontakt mit infektiösen Nasen- bzw. Rachensekreten übertragen.
Wie gefährlich sind Masern?
Sie können in allen Altersgruppen ernste oder sogar tödliche Folgen haben. Bei Kindern unter einem Jahr und im Erwachsenenalter besteht ein besonderes Risiko für einen schweren Verlauf, heißt es im Österreichischen Impfplan. Demnach kommt es bei ein bis zwei pro 1.000 gemeldeten Maserninfektionen zu einer Masernenzephalitis (Gehirnentzündung), davon verlaufen bis zu 25 Prozent tödlich, etwa ein Drittel der Überlebenden leidet an bleibenden schweren Folgeschäden. "In Industriestaaten stirbt etwa eines von 1.000 mit Masern infizierten und gemeldeten Kindern an dieser Erkrankung."
Als Spätfolge einer Masernvirus-Infektion kann die immer tödlich verlaufende "subakut sklerosierende Panenzephalitis (SSPE)" auftreten. Dabei handelt es sich um eine fortschreitende Schädigung des Gehirns, die Monate bis Jahre nach einer Masernkrankheit auftritt. Sie führt zu einem unumkehrbaren Abbau von Hirnfunktionen. Zwischen 1997 und 2007 starben 16 Kinder daran. „Diese schleichende Gehirnentzündung ist furchtbar, die Kinder verlieren nach und nach alle ihre bisher erworbenen Fähigkeiten“, sagt der Wiener Kinderarzt Peter Voitl
Masern als harmlose Kinderkrankung zu bezeichnen ist demnach falsch?
"Absolut", sagt Kinderarzt Voitl: "In Weltregionen, wo nicht gegen Masern geimpft wird, gibt es eine hohe Kindersterblichkeit durch die Masern." Kollaritsch: „Vor Einführung der Impfung waren auch bei uns die Spitäler voll mit schwer kranken Kindern, viele bekamen dauerhafte Schäden, viele starben.“Und es können auch Erwachsene schwer an Masern erkranken.
Manche Eltern meinen, eine überstandene Masernerkrankung stärke das Kind?
"Das stimmt nicht", sagt der Infektiologe Herwig Kollaritsch. "Das Gegenteil ist der Fall. Masern schwächen das Immunsystem und rufen einen Immundefekt hervor. Es wurde gezeigt, dass Kinder bis zu 36 Monate nach einer Masernerkrankung ein erhöhtes Risiko haben, an anderen Infektionskrankheiten zu sterben. Sie verlieren einen Teil ihres bereits erworbenen immunologischen Gedächtnisses." Masern reduzieren also die Überlebenschancen der Kinder auch bei anderen Erkrankungen. Im Gegensatz dazu schützt die Impfung das Immunsystem. In Industrienationen mit hoher Masern-Durchimpfungsrate wurde gezeigt, dass speziell durch die Impfung die Sterblichkeit durch andere Infektionskrankheiten deutlich gesenkt werden konnte.
Können Eltern Masern selbst erkennen und von anderen Erkrankungen mit Ausschlägen unterscheiden?
"Zuerst gibt es die Phase 'alles fließt', die Nase und die Augen rinnen, und es kommt zu hohem Fieber", sagt Kinderarzt Voitl. "In der zweiten Phase kommt der Ausschlag mit einer intensiven Farbe, viel intensiver als Röteln und Scharlach. Und er betrifft die gesamte Haut." Diese Kombination - sehr farbintensiver Ausschlag und auf dem gesamten Körper - gebe es sonst bei keiner Krankheit.
Gibt es eine spezifische Therapie?
Nein, eine spezifische antivirale Therapie steht nicht zur Verfügung, heißt es im Impfplan. "Der einzig wirksame Schutz vor einer Infektion ist die Impfung.“
Gibt es auch ein Risiko durch die Impfung?
"Die Masernimpfung ist eine der am besten verträglichen", sagt Kinderarzt Voitl. Als Reaktion des Körpers auf das Impfvirus könne es zu den sogenannten "Impfmasern" kommen. "Rund zehn Tage nach der Impfung treten ein leichter Ausschlag und erhöhte Temperatur auf", so Voitl. "Das ist ungefährlich und ohne bleibende Folgen." Ähnlich Kollaritsch: "Bei sehr vielen Lebendimpfungen kann es vorübergehend zu einer abgeschwächten Form der Symptome der Originalkrankheit kommen, aber nicht zu schweren Krankheitsverläufen."
In extrem seltenen Fällen - ein Fall auf eine Million Impfungen und noch weniger - könne auch eine vorübergehende Gehirnentzündung als Folge der Impfung auftreten. Dabei handle es sich in der Regel um Kinder mit Immundefekten. "Aber so etwas ist eine extreme Seltenheit. Wenn Millionen Kinder geimpft werden, kann immer einmal ein Kind dabei sein, das stärker reagiert. Aber das ist absolut nicht vergleichbar mit den hohen Risiken einer Maserninfektion", betont Kollaritsch.
Wann und wie oft werden Kinder gegen Masern geimpft?
Es werden zwei Dosen Masern-Mumps-Röteln-Impfstoff ab dem vollendeten 9. Lebensmonat (also ab dem 10. Lebensmonat) empfohlen. Fehlende Impfungen können und sollen laut Impfplan in jedem Alter nachgeholt werden. 2021 ist die Zahl der dokumentierten Impfungen um fast fünf Prozent zurückgegangen, ganz besonders bei den ganz kleinen Kindern.
Kann man trotz Impfung an Masern erkranken?
Maserninfektionen bei geimpften Personen sind sehr selten. In Studien wurde die Schutzwirkung nach einer einmaligen MMR-Impfung mit 94 bis 95 Prozent berechnet. Die zweifache MMR-Impfung verhindert jedoch bei 93 bis 99 Prozent der Geimpften den Ausbruch einer Erkrankung und führt in der Regel zu lebenslanger Immunität.
Ein lebenslanger Schutz besteht nur dann, wenn beide Teilimpfungen erfolgt sind. Deshalb sollten auch Jugendliche und Erwachsene, die als Kinder nur einmal gegen Masern, Mumps und Röteln geimpft worden sind, eine weitere MMR-Impfung erhalten. Das betrifft einige Geburtsjahrgänge Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre.
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