Vielmehr zeigen die Ergebnisse der Forscher, dass zwischen 31 und 54 Prozent aller Brustkrebsdiagnosen bei Frauen im Alter von 70 Jahren und älter als Überdiagnosen angesehen werden könnten. Das heißt, eine Krankheit wird zwar diagnostiziert, hat aber für die Patientin keinen gesundheitlichen Schaden zur Folge. Eine Überdiagnose kann insofern schädlich sein, als sie das Risiko von Komplikationen durch Überbehandlung sowie finanzielle Kosten und emotionale Probleme mit sich bringen kann.
Die Forscher untersuchten die Daten von rund 55.000 Frauen im Alter von 70 Jahren und älter. Sie verglichen die Brustkrebsdiagnose- und Sterberate bei Frauen, die sich während einer 15-jährigen Nachbeobachtungszeit einer Mammografie unterzogen hatten, und bei jenen, bei denen keine Mammografie durchgeführt worden war.
Die Ergebnisse
- Die Brustkrebsrate bei Frauen im Alter von 70 bis 74 Jahre betrug sechs Prozent bei Frauen, die einem Mammografie-Screening unterzogen wurden. Bei Frauen, die keine Mammografie hatten, waren es vier Prozent. Die Forscher schätzten, dass bei rund einem Drittel (31%) der Fälle eine Überdiagnose erfolgte.
- Bei Frauen im Alter von 75 bis 84 Jahren wurde bei fünf Prozent der untersuchten Frauen Brustkrebs festgestellt. Bei den nicht mit Mammografie untersuchten Frauen waren es drei Prozent. Hier betrugt die geschätzte Überdiagnoserate 47 Prozent.
- Bei Frauen im Alter von 85 Jahren und älter, betrug der Anteil jener mit Brustkrebs, die einem Screening unterzogen wurden, drei Prozent. Bei jenen ohne Mammografie war der Anteil ein Prozent. Hier lag die Überdiagnoserate bei 54 Prozent.
"Obwohl sich unsere Studie auf Überdiagnosen konzentrierte, ist es wichtig anzuerkennen, dass Überdiagnosen nur eine von vielen Überlegungen bei der Entscheidung über die Fortsetzung des Screenings sind", sagte die Forscherin und Yale-Assistenzprofessorin für Medizin Ilana Richman. So spielen etwa persönliche Risikofaktoren, Vorerkrankungen sowie Risiken und Nutzen des Screenings eine Rolle.
Mammografie-Screening in Österreich
In Österreich werden seit dem Jahr 2014 alle Frauen im Alter zwischen 45 und 69 Jahren in Abstand von zwei Jahren per Brief zur Mammografie eingeladen. Dabei wird die Brust geröntgt. Frauen zwischen 40 und 44 Jahren sowie über 70 Jahren können auf eigenen Wunsch an dem Programm teilnehmen.
Allerdings herrscht Unklarheit darüber, ab welchem Alter und in welchen Zeitabständen Mammografien sinnvoll sind und ob es eher ein risikobasiertes Screening braucht. Studien zeigen, dass das individuelle Brustkrebsrisiko bisher nur unzureichend vorhergesagt werden kann. Für eine Änderung im Brustkrebsvorsorgeprogramm brauche es mehr fundierte Daten zum Nutzen-Schaden-Verhältnis des Screenings, heißt es etwa vonseiten des Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA), das sich dieser Frage mit Untersuchungen widmet.
➤ Mehr lesen: Mammografie-Screening: Braucht es Änderungen?
Noch nicht ausreichend angenommen
In der Bevölkerung wird das Screening nicht in dem Maß angenommen, wie es laut EU-Guidelines sein sollte. Demnach sollten 70 Prozent der Frauen regelmäßig zur Mammografie gehen – das wird etwa in Großbritannien und skandinavischen Ländern sogar übertroffen.
In Österreich nutzen nur vier von zehn Frauen das seit 2014 angebotene Früherkennungsprogramm. Insgesamt erkranken in Österreich rund 5.500 Frauen und Männer jährlich am sogenannten Mammakarzinom. Die Diagnose erfolgt hauptsächlich durch das Mammografie-Screening.
Bei vielen Frauen wird Brustkrebs spät diagnostiziert, da sie zum einen nicht an der Vorsorge teilnehmen, zum anderen Veränderungen der Brust häufig ignorieren.
Die meisten Brustkrebs-Erstdiagnosen erfolgen zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr. Bei jüngeren Frauen ist die Mammografie weniger sinnvoll, da aufgrund des noch dichteren Brustgewebes Tumore schwerer erkennbar sind. Aus diesem Grund ist das Screening erst ab 45 Jahren bzw. auf Wunsch ab 40 Jahren kostenlos.
Kommentare