Kommt jetzt auch noch eine Grippe-Welle?
„I mog nimmer“, schreibt der Molekularbiologe Ulrich Elling auf Twitter: „Omicron BA.2 ist noch nicht vorbei und schon kommt das Nächste: Influenza A H3N2.“ In Dänemark gebe es schon Rekordzahlen: "Influenza-Impfung wirkt nicht. Der Saisoneffekt wird hoffentlich helfen, dann kommt es halt im Herbst", schreibt Elling. Aber wie groß ist das Risiko einer starken Influenza-Welle tatsächlich - und kann man von den Symptomen her Influenza und Covid-19 verlässlich unterscheiden?
„Wir sehen derzeit jede Woche eine Verdoppelung von Influenzavirus-Nachweisen in unserem Überwachungssystem“, sagt die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien. „Da ist schon eine deutliche Dynamik dahinter. Dass es noch eine richtig starke Welle wird, kann ich mir jetzt nicht mehr vorstellen, aber wir werden mit Sicherheit noch eine Influenzavirus-Aktivität sehen. Letztendlich steht und fällt alles mit dem Tragen von Masken. In Dänemark oder auch in den Benelux-Staaten werden mehr oder minder keine Masken mehr getragen und diese Staaten haben alle eine starke, weit verbreitete Influenzavirus-Aktivität.“
Auch mehrere andere Staaten melden bereits eine weit verbreitete Aktivität des Influenzavirus, darunter Portugal, Slowenien und Schottland. Deutliche Anstiege der Infektionszahlen gibt es auch in vielen US-Bundesstaaten.
Laut dem jüngsten Bericht des Diagnostischen Influenza Netzwerks Österreich vom Ende der Vorwoche ist die Virusaktivität in Österreich derzeit aber insgesamt noch moderat.
Redlberger-Fritz betont, dass zwar früher oder später jede und jeder auch wieder mit dem Influenza-Virus in Kontakt kommen wird, „aber jede Influenza-Welle bedeutet eine starke Belastung des Gesundheitssystems, vor allem auf den Normalstationen. Sollte in der jetzigen Situation mit den vielen Personalausfällen und hohen Corona-Patientenzahlen auch nur eine ganz normale Influenza-Aktivität dazu kommen, folgt ein Kollaps des Gesundheitssystems.“ Auch deshalb sei die Wiedereinführung der Maskenpflicht zum Schutz des Gesundheitssystems zum jetzigen Zeitpunkt wichtig gewesen. Vergangenes Jahr zirkulierte die Influenza praktisch nicht.
Heuer geringe Wirksamkeit des Influenza-Impfstoffs
Eine Studie der US-Gesundheitsbehörde C.D.C. zeigte, dass der Influenza-Impfstoff das Infektionsrisiko heuer nur um rund 16 Prozent senkt. „Der Impfstoff ist nicht unwirksam, aber die Wirksamkeit ist klar suboptimal“, sagte der US-Experte Jesse L. Goodman. Der Grund: Seit der Produktion der Impfstoffe kam es bei dem derzeit dominanten Influenza-Virus A(H3N2) zu einer so starken Veränderung der Oberflächenstruktur, dass es trotz Impfung vom Immunsystem nur schlecht erkannt wird. „Die Impfung schützt trotzdem noch vor Komplikationen einer Infektion“, betont Redlberger-Fritz.
Bisher sind im Influenza-Überwachungssystem drei Doppelinfektionen mit gleichzeitig Influenza und SARS-CoV-2 nachgewiesen: Alle drei Personen waren gegen Covid-19 geimpft, aber nicht gegen Influenza. Dank ihrer Corona-Impfungen hatten die Betroffenen keinen schweren Covid-Verlauf.
Laut britisch-niederländischer Studie, die im Fachmagazin The Lancet veröffentlicht wurde, benötigten Spitalspatienten mit einer Doppelinfektion viermal häufiger eine Unterstützung bei der Beatmung und hatten ein um das 2,4-fache erhöhtes Sterberisiko im Vergleich zu einer ausschließlichen Covid-19-Erkrankung. Die meisten Patienten wurden aber vor der Verfügbarkeit eines Covid-Impfstoffs im Spital aufgenommen, Angaben zur Influenza-Impfung gab es nicht. Bisher habe es über die Folgen einer Doppelinfektion wenig Informationen gegeben, heißt es in einer Mittteilung der an der Studie beteiligten Universität Edinburgh.
Eine Influenza zeigt sich häufig mit plötzlichem Krankheitsbeginn, hohem Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen. „Ein verlässliches Unterscheidungsmerkmal zu Covid-19 ist das aber nicht“, betont der Infektiologe Alexander Zoufaly. Gerade bei Geimpften gebe es oft einen abgemilderten Verlauf: „Anhand der Symptome kann man nicht eindeutig sagen, ob es sich um Influenza oder Covid handelt.“
In der Saison 2020/21 haben sich mehr als 22 Prozent der Bevölkerung gegen Influenza impfen lassen, in dieser Saison waren es rund 17 Prozent.
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