Keine Impfung, viele Fälle: Wie geht es Kleinkindern in der aktuellen Welle?
Die aktuellen Anstiege bei Neuinfektionen betreffen auch die Allerkleinsten: In der Gruppe der Unter-Fünfjährigen beträgt die Sieben-Tages-Inzidenz in Österreich derzeit 1.565 und ist damit - wie auch bei Erwachsenen - auf einem Höchststand seit Beginn der Pandemie.
Zwar sind Kleinkinder immer noch seltener betroffen als fast alle anderen Altersgruppen – derzeit haben nur die 75- bis 84-Jährigen mit 1.515 eine niedrigere Sieben-Tages-Inzidenz –, gleichzeitig handelt es sich aber auch um jene Gruppe, die am schlechtesten durch regelmäßige Tests erfasst wird.
Noch immer gibt es kein einheitliches Testsystem für Kindergartenkinder, ob sie getestet werden oder nicht, hängt österreichweit an der Freiwilligkeit der Eltern. Sie werden nur dann regelmäßig getestet, wenn die Eltern das wollen und – je nach Bundesland – auch selbst in die Hand nehmen.
Hinzu kommt, dass das einfachere und von Kindern gut akzeptierte Gurgeln erst ab vier Jahren zuverlässig funktioniert. Kleinere Kinder können ab etwa drei Jahren spülen oder die vielerorts privat zu zahlenden Lutscher-PCR-Tests machen, bei denen die Speichelprobe über das Lutschen eines Stäbchens entnommen wird.
Omikron im Kindergarten
Ausfälle von Betreuungspersonal und Schließungen von Gruppen zeigen jedenfalls, dass Omikron sowie die Variante BA.2 vor Kindergärten nicht Halt machen. In manchen Einrichtungen mussten die Öffnungszeiten reduziert werden, teilweise wurde auf Notbetrieb umgestellt. Der ohnehin bestehende Personalmangel im Kindergarten wird durch Quarantäne und Infektionen verstärkt.
Positiv ist, dass die Krankheitsverläufe bei Kindern unter fünf Jahren bei einer Infektion mit Omikron überwiegend milder sind als bei einer Infektion mit Delta – das belegen Studien und Krankenhausdaten. Die Spitalsaufenthalte sind im Schnitt kürzer, Kleinkinder müssen seltener auf die Intensivstation. Dennoch sind schwere Verläufe ebenso wie bei Erwachsenen möglich. Anders als Delta werden bei Omikron zudem vor allem die oberen Atemwege infiziert, die wiederum bei Kindern enger sind und leichter gereizt werden können.
Long Covid bei jedem vierten Kind
Auch Long Covid kann Kinder betreffen – bei jedem vierten Kind, das sich mit Covid-19 infiziert und Symptome hatte, können Langzeitfolgen auftreten, wie eine aktuelle Überblicksstudie zeigt. Von rund 80.000 Kindern aus 21 internationalen Studien entwickelten 25 Prozent der Null- bis 18-Jährigen Symptome, die mindestens vier bis zwölf Wochen andauerten oder die innerhalb von zwölf Wochen nach Infektion auftraten (Die Studie ist im Preprint erschienen und kann hier nachgelesen werden).
Die häufigsten Probleme waren depressive Verstimmung, Müdigkeit und Schlafstörungen.
Daten zum Multi-Entzündungssyndrom PIMS aufgrund von Omikron gibt es bisher wenig. Laut der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC tritt die Erkrankung nach Omikron-Infektionen bei Kindern seltener auf als bei Delta-Infektionen. Es handelt sich um eine verzögerte, überschießende Immunreaktion, die selbst bei leichten oder sogar unerkannten Verläufen auftreten kann.
Am häufigsten ist es bei Kindern im Alter von fünf bis elf Jahren, auch Jüngere können betroffen sein. Zu Symptomen kommt es normalerweise drei bis vier Wochen nach einer leichten Infektion mit Covid-19. Dazu zählt etwa Fieber, Durchfall, ein Hautausschlag, Schmerzen im Brustbein sowie ein geschwollener Mund oder geschwollene Hände und Füße.
Das Syndrom zeigt sich sehr unterschiedlich und kann einen Krankenhausaufenthalt notwendig machen. Die meisten Kinder erholen sich aber gut.
Fehlender Schutz
Vor einer Infektion geschützt werden können Kleinkinder bisher kaum. Das Tragen von Masken wird erst ab einem Alter von fünf, sechs Jahren gut mitgemacht, weshalb Kinder bis sechs Jahre von der Maskenpflicht ausgenommen sind.
Impfungen sind bisher keine für die Altersgruppe der Unter-Fünfjährigen zugelassen. Das könnte sich diese Woche ändern, zumindest in den USA.
Es wird erwartet, dass Moderna diese Woche erste Daten für eine Zulassung einer Kleinkinderdosis einreicht. Das Unternehmen hat sich laut einem Bericht der New York Times für zwei Dosen mit einem Viertel der Erwachsenendosis entschieden. Das sind 25 Mikrogramm mRNA je Dosis für Kinder unter fünf Jahren.
Zum Vergleich: Biontech/Pfizer verabreicht in dieser Altersgruppe ein Zehntel der Erwachsenendosis, also drei Mikrogramm statt 30 Mikrogramm. Kinder im Alter von fünf bis zwölf Jahren erhalten zehn Mikrogramm. Die Daten von Biontech/Pfizer waren bisher allerdings enttäuschend – bisher ist der Impfstoff nicht für Kinder im Vorschulalter zugelassen.
Ausreichende Dosis?
Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA kündigte Anfang Februar zwar an, den Impfstoff zu evaluieren. Doch kurz darauf zog Biontech/Pfizer den Antrag wieder zurück, da die vorliegenden Daten keinen ausreichenden Schutz vor symptomatischer Infektion zeigten.
Die Immunreaktion sei zu schwach, weshalb Biontech/Pfizer derzeit die Wirkung einer dritten Dosis, eines Boosters, untersucht. Daten dazu werden im April erwartet. Auch der Booster soll mit drei Mikrogramm erfolgen. Eine Veränderung der Dosis steht derzeit aber nicht im Raum.
Beide Impfstoffhersteller, Biontech/Pfizer und Moderna, bewegen sich in einem Spannungsfeld zwischen maximal möglicher Immunantwort und möglichst niedrigem Risiko für Nebenwirkungen. Bisherige Untersuchungen des Impfstoffes von Biontech/Pfizer zeigen ein hohes Sicherheitsprofil bei Unter-Fünfjährigen.
Die oft genannte Herzmuskelentzündung als mögliche Folge einer Impfung trete sowohl bei Biontech/Pfizer als auch bei Moderna-Empfängern sehr selten und typischerweise mild auf, wie auch aktuelle britische Daten belegen. Eine Risikogruppe sind bisher männliche Teenager sowie junge erwachsene Männer.
Nach den enttäuschenden Ergebnissen bei ihrer 2-Dosen-Studie für Unter-Fünfjährige bei Biontech/Pfizer liegen die Erwartungen vieler auf dem Impfstoff von Moderna, von dem es bisher nur eine Erwachsenenvariante gibt.
Laut EMA Moderna für Kinder wirksam und sicher
Laut dem Unternehmen zeigen erste Ergebnisse, dass für Kinder im Alter von sechs bis elf Jahren die halbe Dosis (50 Mikrogramm statt 100 Mikrogramm bei Erwachsenen) für eine robuste Immunantwort sorgt. Obwohl die Gesamtzahl der Infektionen in der Studie von Moderna gering war, soll sie belegen, dass der Impfstoff einer Erkrankung gut vorbeugt.
Erwartet wird, dass Moderna Daten für alle drei Altersgruppen – die Unter-Sechsjährigen, Sechs- bis Elfjährige sowie Zwölf- bis 17-Jährige – im Lauf dieser Woche bei der FDA einreicht. Die europäische Arzneimittelagentur EMA teilte mit, dass die Wirksamkeit und Sicherheit des Präparats ebenso hoch sei wie bei Erwachsenen. Studien zeigten, dass damit der Immunschutz bei Kindern so hoch sei wie bei Jugendlichen von 18 bis 25 Jahren mit der hohen Dosis. Mögliche Nebenwirkungen seien Schmerzen und Rötungen an der Einstichstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Übelkeit, Fieber oder Gelenkschmerzen.
Das NIG empfiehlt derzeit aufgrund von internationalen Sicherheitsberichten zu einem erhöhten Auftreten von Herzmuskel- und Herzbeutelentzündungen vorwiegend bei jüngeren Personen Impfungen mit Moderna vorsichtshalber erst ab einem Alter von 30 Jahren. Gemäß der Zulassung könne der Impfstoff auf ausdrücklichen Wunsch aber auch bei Personen unter 30 Jahren verwendet werden, wird in der Anwendungsempfehlung des NIG betont.
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