Wie sich Omikron bei Kindern unter fünf Jahren auswirkt
Kinder waren bisher im Vergleich zu anderen Altersgruppen weniger stark von Covid-Infektionen betroffen. Erfahrungen aus Ländern, in den die Omikron-Variante bereits täglich für neue Höchststände bei den Infektionszahlen sorgt, zeigen jedoch, dass es diesmal anders sein könnte. In den USA müssen laut der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC derzeit täglich rund 900 Kinder unter 18 Jahren wegen einer Covid-19-Infektion im Spital aufgenommen werden.
Im Vergleich zur Gesamtzahl aller Hospitalisierten – im Schnitt täglich 160.000 Menschen – ist das zwar nur ein Bruchteil. Dennoch sind mehr Kinder betroffen als in den bisherigen Wellen, insbesondere in der Altersgruppe der unter Fünfjährigen werden immer wieder neue Rekordwerte vermeldet.
Das zeigt sich auch in Großbritannien: Kleine Kinder und Babys werden mit Omikron im Vergleich zu älteren Kindern mit proportional höherer Wahrscheinlichkeit ins Krankenhaus eingeliefert als bei früheren Varianten. Insbesondere der Anteil von Kindern unter einem Jahr stieg im Vergleich zu früheren Wellen an: Er beträgt derzeit 42 Prozent, verglichen mit rund 30 Prozent in früheren Wellen, wie eine aktuelle Studie der University of Liverpool und des University College London zeigt. Die gute Nachricht: Die betroffenen Kinder sind überwiegend nicht schwer krank, benötigen seltener Sauerstoff und können nach kürzerer Zeit wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden.
Weniger Krankenhausaufenthalte
Ähnliches zeigt ein Preprint, also eine noch nicht von Fachkollegen begutachtete Studie aus den USA, in der die Daten von rund 80.000 infizierten Kindern unter fünf Jahren analysiert wurden, 7.000 davon mit Omikron. Die Studie ergab bei mit Omikron infizierten Kindern etwa 70 Prozent weniger Krankenhausaufenthalte, Aufnahmen auf die Intensivstation und Beatmung mit Sauerstoff im Vergleich zu Kindern, die sich mit Delta angesteckt hatten. Insgesamt wurden der Studie zufolge etwa ein Prozent der mit Omikron infizierten Kinder ins Spital eingeliefert, verglichen mit etwa drei Prozent der Kinder mit Delta. "Trotz dieses ermutigenden Ergebnisses sind weitere Studien erforderlich, um die langfristigen Folgen einer Omikron-Infektion, etwa Long Covid, zu überwachen", schreiben die Forscher.
In Südafrika, wo Omikron erstmals zirkulierte, wurde mit der neuen Variante zwar ein starker Anstieg der Krankenhauseinweisungen von unter Fünfjährigen verzeichnet. Auch dort zeigte sich allerdings, dass die meisten nur eine kurze Aufenthaltsdauer im Spital benötigten und kaum auf Intensivstationen behandelt werden mussten. Für Aussagen darüber, wie gefährlich Omikron für jüngere Kinder ist, sei es allerdings noch zu früh, meinen südafrikanische Wissenschaftler. Das Bild sei von Klinik zu Klinik zu unterschiedlich.
Zufallsbefunde
Doch wie lässt sich bei scheinbar milderen Verläufen der Anstieg der Fallzahlen bei den ganz Kleinen in den verschiedenen Ländern erklären? Eine These, die der deutsche Virologe Christian Drosten vertritt, ist, dass Zufallsbefunde eine Rolle spielen, also Kinder wegen einer anderen Diagnose ins Spital kommen und im Zuge der Aufnahme eine Covid-Infektion nachgewiesen wird. "Das erklärt sich relativ einfach dadurch, dass, wenn sich so ein Virus in der Bevölkerung verbreitet, es sich auch bei den Kindern verbreitet. Und dann findet man das Virus eben auch in den Kindern, die wegen anderer Sachen ins Krankenhaus müssen", sagt Drosten in seinem aktuellen NDR-Podcast. Gleichzeitig sei das keine Entwarnung. „Es ist dadurch nicht erklärt, warum speziell diese jüngsten Kinder überproportional mit Covid ins Krankenhaus kommen. Man muss aber immer dazusagen und wissen, dass weiterhin die Krankheitsschwere und auch die Aufnahmezahlen bei Erwachsenen viel stärker sind“, betont Drosten.
Reinhold Kerbl, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, schätzt die Zahl der Zufallsbefunde in Österreich auf 30 bis 40 Prozent. "Im Vergleich zu früheren Wellen wird mehr getestet. Es gibt kein Kind auf einer Station, das nicht getestet wird. Dadurch gibt es natürlich Kinder, wo sich die Infektion als Nebenbefund ergibt, aber die Hauptdiagnose ist eine andere", sagt Kerbl. In Österreich sind derzeit laut Kerbl kaum Kinder wegen einer schweren Covid-19-Infektion im Spital. "Es scheint so zu sein, dass Omikron bisher auch bei Kindern leichter verläuft. Kinder, die wir aufnehmen, haben Fieber und Symptome eines Atemwegsinfekts. Die Infektionen verlaufen momentan eigentlich eher wie andere virale Infektionen, die wir aus dieser Jahreszeit kennen."
Eltern gehen eher ins Spital
Forscher der britischen Studie erklären den Anstieg der in Spitälern aufgenommen Kleinkinder auch damit, dass dadurch, dass Omikron-Symptome jenen von Atemwegserkrankungen ähneln, mehr Eltern vorsorglich Krankenhäuser aufsuchen. Sie gehen mit Säuglingen und Vorschulkindern bei Fieber, Husten und anderen auch für Covid typischen Symptomen eher ins Spital als Eltern von älteren Kindern mit denselben Symptomen. Wird dann eine Covid-Infektion festgestellt, bleiben sie meist zur Beobachtung. Auch Kerbl bestätigt, dass jüngere Kinder eher aufgenommen werden. "Bei Schulkindern lässt sich viel besser beurteilen, wie sich eine Atemwegsinfektion entwickelt. Je jünger ein Kind ist, desto eher neigt man zur Aufnahme, da man nicht genau weiß, wie sehr es beeinträchtigt ist."
Die schiere Menge an Neuinfektionen durch die höhere Infektiösität von Omikron führt dazu, dass auch mehr Kinder infiziert sind. Selbst wenn Omikron also bei Kindern unter fünf Jahren milder verläuft als Delta, könnten mehr schwere Fälle auftreten. Anders als ältere Kinder können unter Fünfjährige zudem nicht geimpft werden. Noch gibt es keinen zugelassenen Impfstoff für diese Altersgruppe, die Daten von Biontech/Pfizer – sie sind die bisher einzigen, die für kleine Kinder veröffentlicht wurden – zeigten, dass Zwei- bis Fünfjährige keine ausreichende Immunantwort entwickelten.
Die Unternehmen untersuchen derzeit, ob höhere Dosen bessere Effekte erzielen. "Für unsere jüngsten Kinder, die noch nicht für eine Impfung in Frage kommen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir sie mit Menschen umgeben, die geimpft sind, um ihnen Schutz zu bieten", sagte CDC-Direktorin Rochelle Walensky. Das betrifft vor allem Kinder mit Grunderkrankungen. Daten der CDC aus den USA im Herbst zeigen, dass zwei Drittel der infizierten Kinder im Krankenhaus Vorerkrankungen haben. Das deckt sich mit Berichten aus US-Krankenhäusern während der Omikron-Welle.
Langfristige Aussagen noch nicht möglich
Die bisher analysierten Daten sind allerdings noch sehr frisch und nicht vollständig. Aussagen darüber, wie gefährlich Omikron für kleinere Kinder tatsächlich ist, können nicht endgültig getroffen werden. Auch Daten zu Long Covid und dem Multi-Entzündungssyndrom Mis-C aufgrund von Omikron gibt es noch nicht. Kerbl: „Eine Häufung von Mis-C ist nicht zu erwarten, das müssten wir zumindest aus Südafrika schon wissen. Bei der Delta-Welle im Herbst haben wir in Österreich deutlich weniger Fälle gesehen als in den früheren Wellen.“ Während im Frühjahr noch eines von 1.000 infizierten Kindern Mis-C entwickelte, war es in der vergangenen Welle eines von 3.000 Kindern. Welche Rolle Omikron für Long Covid bei Kindern spielt, werde man erst in den kommenden Monaten beobachten können, so Kerbl.
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