Kälteres Wetter, neue Subvarianten: Wie geht es mit Corona weiter?
Es ist eine erfreuliche Entwicklung: Seit rund drei Wochen gehen die Corona-Infektionszahlen zurück. "Sehr wahrscheinlich" haben die sehr milden Oktober-Temperaturen eine Rolle dabei gespielt, dass es zu einer Trendumkehr bei den Corona-Zahlen kam, heißt es bei der Gecko-Kommission, der gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination. Wurde noch am 9.10. eine 7-Tages-Inzidenz von mehr als 1.000 ermittelt, so liegt diese derzeit bereits unter 400. Doch viele stellen sich jetzt die Frage: Wie lange hält der Abwärtstrend bei den Corona-Zahlen noch an?
„Das hängt vom Wetter ab“, sagt Simulationsforscher Niki Popper zum KURIER. „Wenn es kälter wird, werden die Infektionszahlen wieder steigen. Dann holen wir die BA.5-Infektionen bei all jenen nach, die noch nicht ausreichend immunisiert sind.“ Die BA.5-Welle könnte dadurch einen zweiten Peak, einen zweiten Gipfel, bekommen. Neue Corona-Subvarianten wie BQ.1.1., die eine bestehende Immunität besser umgehen können, spielen dabei vorerst noch keine große Rolle, sagt Popper.
Auch die Gecko-Kommission verweist in ihrem jüngsten Bericht auf den Einfluss des Wetters: Wann die Abnahme der gemeldeten Positivtestungen wieder zu Ende gehe, hänge auch von der Wettervorhersage ab. So hat eine Studie gezeigt: Eine Verringerung der täglichen Durchschnittstemperatur um ein Grad Celsius erhöht die effektive Reproduktionszahl – sie gibt an, wie viele Personen eine infizierte Person im Durchschnitt ansteckt – um zwei bis drei Prozent. Liegt sie unter eins, bremst das die Virusausbreitung. Zuletzt lag sie bei 0,79, das heißt: 100 infizierte Menschen stecken – statistisch gesehen – 79 weitere Menschen an.
Für die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien ist es derzeit noch zu früh vorherzusagen, wann die nächste Welle kommen wird: „Es ist auch der Immunstatus der Bevölkerung so unterschiedlich, dass es immer schwieriger wird, abzuschätzen, um wie viel besser sich eine neue Variante verbreiten kann als BA.5. Aber dass eine neue Welle kommen wird ist klar. Nur den Zeitpunkt kann man aus meiner Sicht derzeit überhaupt noch nicht vorhersagen“, sagt sie zum KURIER.
Der Molekularbiologe Ulrich Elling von der Akademie der Wissenschaften geht davon aus, dass es in „ein paar Wochen“ mit den Infektionszahlen „weit aufwärtsgehen“ werde, erklärte er in einem Standard-Interview.
Der Bioinformatiker Richard Neher von der Universität Basel hält es für möglich, dass die neue Corona-Subvariante BQ.1.1. „zu einer weiteren Welle irgendwann im November führt“, schilderte er in einem Interview mit tagesschau.de. Sie breite sich schneller als andere Varianten aus und verdopple ihren Anteil alle ein bis zwei Wochen. Sie habe eine Reihe von Mutationen die es ihr erlauben, zumindest teilweise die existierende Immunantwort von Menschen zu unterlaufen. Eine Prognose, wie hoch diese Welle sein könnte, sei aber um einiges schwieriger abzuschätzen, sagt Neher – und macht diesbezüglich keine Angaben. Mehrere Expertinnen und Experten und auch die Europäische Gesundheitskontrollbehörde ECDC wiesen in den vergangen Tagen aber darauf hin, dass es keine Anzeichen gebe, dass BQ.1.1. zu schwereren Infektionen führe als BA.5.
Und Impfexperten betonen, dass mit dem BA.4./BA.5-Boosterimpfstoff auf jeden Fall auch bei BQ.1.1. ein guter Schutz vor schweren Erkrankungen gegeben sei.
"Frage nach Anstieg irrelevant"
Generell sei die Frage; wann wieder ein Anstieg komme, mittlerweile aber „völlig irrelevant“, sagt Popper: „Wir haben derzeit eine Dauerbelastung in den Spitälern, aber die hat nicht nur mit Covid zu tun, die gab es auch schon im Herbst 2019. Covid ist da nur ein Faktor. Es gibt eine Problematik der respiratorischen Effekte insgesamt: Wenn alle Infektionswellen gleichzeitig kommen, geht es sich ressourcenmäßig nicht mehr aus. Das sagen wir seit dem Frühjahr.“
Bereits derzeit seien in den Spitälern die Ressourcen am Ausgehen: „Wobei es nicht immer eine permanente Überlastung ist, sondern teilweise auch eine Fehlbelastung.“ Wenn man also etwa für das Betreiben eines Spitalsbettes vier verschiedene Spezialisten benötigt, und einer fehlt, dann könne es sein, dass die anderen drei „sogar herumstehen“.
Ob am Ende eine Covid- und eine Influenza-Welle zeitlich verschoben sind, sei mehr oder weniger eine Frage von Glück: „Das kann man nicht steuern.“ Bei Corona gebe es eine Dauerwelle, „die ist im Sommer niedriger und im Winter höher, darauf muss man sich einstellen und die Ressourcen danach ausrichten“.
Deshalb gehe es nicht mehr wie früher um die Peaks einer Welle, um die Spitzenwerte, sondern um die dauerhafte direkte und indirekte Belastung.
Wichtig wäre ein Masterplan für die verbesserte Überwachung von Infektionskrankheiten und auch den generellen Umgang mit Infektionskrankheiten wie Covid im Spital. „Die meisten Infizierten werden nicht wegen, sondern mit Covid aufgenommen. Aber auch sie bedeuten wegen der Isolation einen hohen Arbeitsaufwand. Deshalb wäre es auch hier wichtig, sich grundsätzlich zu überlegen, wie kann man die Ausbreitung von Infektionen im Spital möglichst verhindern, gleichzeitig aber auch die Arbeitsbelastung in einem bewältigbaren Ausmaß halten.“
Auch Redlberger-Fritz sieht ein Problem dann, wenn die echte Virusgrippe, Corona und RS-Viren (häufigster Auslöser schwerer Atemwegsinfektionen bei Kleinkindern) gleichzeitig zu Erkrankungswellen führen: „Dann haben wir eine massive Überlastung der Spitalskapazitäten.“ Bei Influenza und RSV sei man derzeit - früher als in den Jahren vor der Pandemie - in der Vorlaufzeit: "Bei der Influenza haben wir derzeit immer wieder einzelne Nachweise von Infektionen in Österreich, wahrscheinlich werden dann in vier bis sechs Wochen die Zahlen hochgehen." Ähnlich sei es bei RSV: "So, wie es derzeit aussieht, werde diese beide Wellen, also Influenza und RSV, relativ zeitgleich kommen."
Die Virologin rät dazu, auch mit einer Erkältung zu Hause bleiben – und falls das nicht möglich ist, unbedingt die Maske nehmen, „egal, wie das Virus heißt. Denn jeden Infekt, den ich habe, kann ich - mit derselben Symptomatik - auch meinem Nachbarn vermachen. Und das sollten wir unbedingt vermeiden.“
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