Influenza und Covid: Warum Experten jetzt vor "Flurona" warnen
Haben Sie schon von „Flurona“ gehört? Es ist ein Kunstwort und bedeutet eine gleichzeitige Infektion mit der Grippe („Flu“ auf Englisch) und dem Coronavirus. „Auf uns kommen mehrere Wellen zu (Corona, Influenza und RS-Viren, häufigster Auslöser schwerer Atemwegsinfektionen bei Kleinkindern)– und wir sollten alles tun um zu verhindern, dass diese zeitgleich stattfinden“, sagt die Virologin Monika Redlberger-Fritz, MedUni Wien. Denn "Flurona" könnte zu mehrfachen Problemen führen - für den betroffenen einzelnen Menschen, für die Wirtschaft und das Gesundheitssystem.
Wie aktiv sind die Influenza-Viren schon?
Die Stadt Wien errechnet aus den Daten eines Netzwerkes an Melde-Ärztinnen und Ärzten die wöchentliche Zahl von grippalen Infekten (Erkältungen) und echter Influenza. 10.150 Neuerkrankungen in der Kalenderwoche 41 (bis 16. 10., aktuellste Daten) ist der zweithöchste Wert der vergangenen Jahre.
Was ist heuer anders?
Vor der Pandemie traten erst im November/Anfang Dezember die ersten echten „österreichischen“ Influenza-Fälle auf, bei denen die Betroffenen sich also nicht im Ausland und auch nicht bei Reiserückkehrern im Inland angesteckt haben: Wo es also gar keinen Zusammenhang mit einer Reise gibt. Danach hat es vier bis sechs Wochen bis zum Beginn einer Grippewelle gedauert. „Heuer detektieren wir die ersten echten österreichischen Fälle aber schon jetzt und sind damit bereits in dieser Vorwarnstufe.“ Damit könnte nun bereits Ende November/Anfang Dezember die Grippewelle starten.
Wie schlimm wären gleichzeitige Infektionen mit Corona und Influenza?
„Nach den bisherigen Daten erhöht eine Doppelinfektion das Risiko für einen Aufenthalt auf einer Intensivstation sowie für eine Beatmungspflicht um das Doppelte“, sagt die Virologin. Eine gleichzeitige Corona-Welle und Grippe-Epidemie könnten also schwerwiegende Folgen haben. "Und nebenbei sehen wir bereits erste Fälle von RSV, eine Virusinfektion, die vor allem bei Kindern sehr schwere Hustenerkrankungen auslöst." Aber auch bei älteren Menschen werde das Risiko einer RSV-Infektion massiv unterschätzt. Fazit: Es könnten sich im schlimmsten Fall drei Wellen gleichzeitig aufbauen, Corona, Influenza und RSV. Da es diesen Fall bisher noch nicht gab und Doppelinfektionen zwar schon bisher vorkamen, aber - auch global gesehen - selten waren, sind auch die Erfahrungen damit noch gering.
"Man kann jedoch annehmen, dass Doppelinfektionen mit Influenza, anderen Viren oder Bakterien zu klinisch komplizierteren und schwereren Verläufen führen könnten und damit eine zusätzliche Belastung der Gesundheitssysteme darstellen", sagt Redlberger-Fritz. Eine Überlastung der Spitäler und viele Personalausfälle in der gesamten Wirtschaft wären die Folge. "Vor der Pandemie konnten die Gesundheitssysteme mit einer Influenzawelle umgehen, oder mit einer RSV-Welle. Das war eine Belastung, aber keine Überlastung. Aber wenn jetzt alle drei Wellen gleichzeitig und nicht hintereinander stattfinden, dann könnte es sehr wohl zu einer Überlastung kommen.
Deshalb sollte man sich bei SARS-CoV-2 und der Influenza mit der Impfung schützen. "Und bei allen anderen respiratorischen Erkrankungen ist die Maske der beste Schutz." Leider habe sich die Maske aber in der Gesellschaft noch nicht ganz als gesellschaftsfähig etablier: "Aber sie ist ein gesellschaftsfähiges Muss, wenn man anderen Menschen Respekt und Höflichkeit erweisen will und sie nicht einfach mit dem Erreger ansteckt, den man gerade in sich hat, ganz egal, ob der Influenza, Corona, RSV oder sonstwie heißt."
Aber derzeit sinken die Corona-Zahlen doch?
Tatsächlich klingt derzeit die BA.5-Welle deutlich ab. Aber man dürfe sich dabei nicht auf die offiziellen Infektionszahlen verlassen, betont der Kinderarzt Rudolf Schmitzberger, Leiter des Referats für Impfangelegenheiten der Österreichischen Ärztekammer. "Abwasseranalysen lassen darauf schließen, dass die Zahl der tatsächlichen Covid-Infektionen um das Dreifache höher ist als die derzeitige Zahl der positiven Coronatests." Und er verweist auch darauf, dass die Europäische Gesundheitsbehörde ECDC am Wochenende bekannt gab, dass sie einen neuerlichen Anstieg der Infektionen in den kommenden Wochen für sehr wahrscheinlich halte. Denn ab Mitte November könnte in der EU der Omikron-Subtyp BQ.1 bzw. BQ.1.1 dominierend sein - und der kann die bestehende Immunität durch Impfungen und Infektionen wiederum ein Stück besser umgehen als die früheren Omikron-Varianten. Allerdings: Keine Hinweise gibt es derzeit darauf, dass dieser Subtyp schwerere Infektionen verursacht als die bisherigen und dass der Schutz der Impfungen vor schweren Erkrankungen geringer ist.
Kinder
Diese Woche beginnen österreichweit die Influenza-Impfaktionen. Für Kinder ab dem vollendeten 6. Lebensmonat bis zum vollendeten 15. Lebensjahr ist die Impfung im kostenfreien Kinderimpfprogramm des Bundes, der Bundesländer und der Sozialversicherungsträger erhältlich. Alle Infos unter sozialministerium.at/influenza.
Erwachsene
Wien bietet ab 2. 11. auch 400.000 Erwachsenen eine kostenlose Grippe-Impfung an, eine Hälfte wird in Impfzentren verimpft, die andere von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten. Informationen dazu finden Sie hier.
In vielen anderen Bundesländern gibt es für Erwachsene die Influenza-Impfung zu vergünstigten Preisen zwischen 15 und 27 Euro. Eine Übersicht zu den Influenza-Impfangeboten in den Bundesländern finden Sie hier.
Weiß man schon, wie gut der Influenza-Impfstoff an die zirkulierenden Viren angepasst ist?
„Es sieht sehr gut aus“, sagt die Virologin. Da 2020/2021 die Influenza-Saison durch die Covid-Schutzmaßnahmen wie die Maskenpflicht komplett ausgefallen ist und 2021/2022 auch noch massiv eingeschränkt wurde, konnten die Influenza-Viren nicht zirkulieren und mutieren – ihre genetische Vielfalt hat sich massiv eingeschränkt. „Das macht es leichter, für die Impfstoffproduktion den richtigen Impfstoff vorherzusagen.“
In den Impfstoffen gibt es heuer auch eine Komponente „B/Austria“ – was bedeutet das?
Die Influenza-Impfstoffe schützen vor jenen vier Grippevirusvarianten (je zweimal Influenza A und B), die voraussichtlich in der nächsten Grippesaison am häufigsten auftreten werden. Wer sich heuer gegen die Grippe impfen lässt, wird auch gegen den Virusstamm „B/Austria/1359417/2021“ immunisiert. „Es handelt sich dabei um den Stamm unserer einzigen zwei Influenza-Nachweise 2021 im österreichischen Netzwerk zur Überwachung zirkulierender Viren“, sagt Redlberger-Fritz. „Diese zwei Viren haben wir an das zuständige WHO-Zentrum in London geschickt – und die WHO hat das Influenza-Austria-Virus für die heurigen Impfstoffe ausgewählt. Wir impfen also mit einem österreichischen Virus.“
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