Junge Leute haben die höchsten Infektionsraten
In einem Jahr Pandemie hat sich einiges gewandelt. Das hat mit dem Auftreten aggressiver Virus-Varianten einerseits und – die gute Nachricht – mit dem Vorhandensein der Impfung zu tun. Fest steht jedenfalls, bei den Zahlen liegen die Jungen mittlerweile ganz vorne (siehe Grafik weiter unten). Und das Virus ist auch für sie gefährlicher als noch vor einem Jahr. Erst letzte Woche berichtete der KURIER: In der Klinik Floridsdorf ist der jüngste Intensivpatient 18. Die Krankheitsverläufe sind durch die Variante B.1.1.7 „schneller und schwerer“, sagt der Intensivmediziner Stephan Kettner.
Welche Gruppen stecken sich am häufigsten an?
Die Daten der AGES, die der Statistiker Erich Neuwirth ausgewertet hat, zeigen einen klaren Trend: Seit Mitte Februar ist die Zahl der positiven Fälle pro 100.000 Einwohner bei den 15- bis 24-Jährigen am höchsten. Was auffällt: In Wien gingen die Infektionsraten bei dieser Altersgruppe besonders stark in die Höhe, ebenso bei den 5- bis 14-Jährigen. Eine finale Erklärung gibt es dafür noch nicht: „Möglicherweise funktionieren die sozialen Kontakte der Jugendlichen in der Großstadt anders“, sagt Neuwirth. Die Infektionsraten bei den davor so stark betroffenen über 85-Jährigen gehen hingegen stark zurück, was auch auf die bereits hohe Durchimpfung dieser Gruppe zurückzuführen sein dürfte.
Das Alter selbst ist jedenfalls kein Indikator dafür, ob man mehr oder weniger ansteckend ist, sagt der Public Health Experte Hans Peter Hutter von der MedUni Wien: „Ausschlaggebend ist die Verhaltensweise und der tägliche Alltag – zum Beispiel der Job und das Freizeitverhalten.“ „Ich vermute, es geht vor allem darum, sozial schwächeren Gruppen zu helfen, ihre Kontakte zu reduzieren. Weil es sind genau sie, die vermutlich Jobs haben, in denen Homeoffice nicht möglich ist und die gleichzeitig auch auf engerem Raum mit mehr Leuten zusammenleben“, sagt Eva Schernhammer, Leiterin der Abteilung für Epidemiologie an der MedUni Wien.
Wo stecken sich die Menschen an?
Laut Daten der AGES stecken sich die meisten Menschen im eigenen Haushalt an. Das alleine kommt nicht überraschend, aber „was schon auffällt, ist, dass wahrscheinlich durch die britische Virus-Variante jetzt eine infizierte Person mehr zusätzliche Personen im Haushalt ansteckt als früher“, so Schernhammer. Entscheidend ist aber auch, woher die Ansteckungen überhaupt in den Haushalt kommen – vor allem aus dem Bereich Freizeit, laut AGES die zweithäufigste Quelle.
Auch der Berliner Virologe Christian Drosten hat im Podcast des NDR eine klare Antwort darauf: „Wir haben inzwischen sehr viel Kenntnis darüber, wo diese Kontakte auftreten. Dazu zählt der Privatbereich, der Erziehungs- und Bildungsbereich, und dazu zählen die Arbeitsstätten.“ Hutter ergänzt: „Es kommt nicht nur darauf an, wie viele Kontakte jemand hat, sondern vor allem, unter welchen Rahmenbedingungen, ob es infektiöse Kontakte sind oder nicht, ob es Abstand und Maske gibt beim Treffen.“
Welche Rolle spielen die Schulen im Pandemie-Geschehen?
In einer britischen Studie, die die Covid-Situation von 12 Millionen Erwachsenen untersuchte, konnte kein Unterschied im Sterberisiko festgestellt werden zwischen Personen, die in Haushalten mit Kindern oder ohne Kinder leben. Welche Rolle Kinder im Infektionsgeschehen spielen, ist nicht restlos geklärt. „Ich denke, Kinder sind hauptsächlich ein Abbild ihres Umfelds und keine Treiber im Infektionsgeschehen“, sagt Schernhammer dazu. Das zeigen auch Studien.
Gleichzeitig bedeuten Schulschließungen auch: Eltern betreuen ihre Kinder zu Hause, arbeiten daher auch selbst daheim und reduzieren so auch ihre eigenen Kontakte, lautet ein Hinweis im British Medical Journal.
Welche Maßnahmen schützen am besten vor einer Ansteckung?
Strenges Kontaktverbot ist die wirksamste Maßnahme – zu diesem Schluss kamen Wissenschafter der Uni Oxford. Die Begrenzung aller Treffen auf maximal zwei Personen hat der Studie zufolge einen sehr großen Effekt und reduziert den Reproduktionswert (R-Wert) – also wie viele Personen eine infizierte Person ansteckt – um rund 26 Prozent. Gefolgt von nächtlichen Ausgangsbeschränkungen (13 %) sowie der Schließung der Gastronomie (12 %).
Keine Freikarte sind Antigen-Schnelltests: „Die geben eine gewisse Sicherheit, aber nur eingeschränkt. An die Maßnahmen und den Abstand muss man sich trotzdem halten“, sagt Hutter.
Wie sinnvoll ist eine Maskenpflicht im Freien, wie sie jetzt in Wien eingeführt wurde?
Im Freien gibt es weniger relevante Übertragungswege als drinnen. Eine Ansteckung über Aerosole oder eine Schmierinfektion passiert kaum – die Tröpfcheninfektion ist aber auch im Freien ein Risiko. Deshalb ist der Mindestabstand von zwei Metern so wichtig, denn „so weit fliegen diese Tröpfchen nicht, wenn man sich normal unterhält“, sagt Hutter. „Wenn der Abstand nicht eingehalten werden kann, sollte man eine FFP2-Maske tragen.“
Kommentare