Influenza, RSV: Warum derzeit so viele Kinder Atemwegsinfekte haben
„Seit ein paar Wochen steigt die Zahl der kranken Kinder kontinuierlich“, sagt der Kinderarzt Jörn Schönlaub, Leiter der Notfallambulanz der Innsbrucker Uni-Kinderklinik: Zwischen 70 und 120 Kinder untersuchen die Medizinerinnen und Mediziner der Notfallambulanz derzeit täglich, der Großteil hat Atemwegsinfekte. „Die meisten davon gehen auf die Influenza, die echte Grippe, zurück, viele auch auf das RS-Virus.“ Das zeitgleiche Auftreten von Influenza und RSV sei „herausfordernd“.
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„Es ist noch zu bewältigen und wir mussten noch kein Kind, das eine stationäre Aufnahme benötigt, abweisen, aber es ist nicht einfach“, sagt Schönlaub. Der Mangel an Pflegepersonal erschwere die Situation im stationären im Bereich aber zusätzlich.
Täglich müssen auch Kinder stationär aufgenommen werden, vor allem, um die Atmung vorübergehend mit der Gabe von Sauerstoff zu unterstützen. „Zwischen 5 und 20 Patientinnen und Patienten sind im Bereich der Kinderklinik stationär in Behandlung.“
Die Situation sei aber insgesamt nicht schlimmer als im Vorjahr, der Zeitpunkt allerdings ein späterer.
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Auch Doppelinfektionen mit RSV und Influenza kommen immer wieder vor: „Dabei beobachten wir, dass die Kinder mitunter noch ein wenig kränker sind, etwa, weil das Fieber höher und die Krankheitsdauer länger ist.
Die Lage in Innsbruck steht beispielhaft für Österreich: „Wir sehen in den Proben unseres Überwachungssystems (Sentinel-System) einen starken Anstieg bei den Nachweisen von RSV – sie haben sich von der dritten auf die vierte Jännerwoche verdoppelt – und auch von Influenza“, erläutert die Virologin Judith Aberle vom Zentrum für Virologie der MedUni Wien. Sehr aktiv seien weiterhin auch die diversen Erkältungsviren (Rhinoviren, Adenoviren, die "alten" saisonalen Coronaviren), deutlich rückläufig die Infektionen mit dem SARS-Coronavirus.
Konkret bedeutet der Anstieg im Überwachungssystem-System der Virologie der MedUni Wien:
- 72 Proben von eingesandten Schleimhautabstrichen waren in der Kalenderwoche 4 RSV-positiv, eine Woche davor waren es 36 (von jeweils zirka 300 Proben, die von teilnehmenden Ärztinnen und Ärzten sowie Spitalsabteilungen an das Zentrum für Virologie zur Auswertung eingeschickt werden).
- Influenza dominierte nach wie vor (mit 99 positiven Ergebnissen)
- Rhinoviren (die derzeit häufigsten Erkältungsviren) waren in 23 Proben nachweisbar
- SARS-CoV-2 nur in 13 Proben.
Die Influenza-Welle verlaufe heuer nicht so heftig wie im Vorjahr. In diesem Winter dominiert ein A(H1N1)-Influenzavirus, das im Gegensatz zum im vergangenen Jahr vorherrschenden A(H3N2)-Virus weniger häufig schwere Erkrankungen bei Älteren auslöst. „Kinder und Jugendliche sind aber wie immer bei der Grippe stark betroffen“, sagt Aberle. Zumal mehrere Geburtsjahrgänge noch keinen Kontakt mit A(H1N1) hatten.
Aber auch Erwachsene sind viele wegen der Influenza im Krankenstand, wie die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) Anfang der Woche mitteilte: "Die Zahlen der grippalen Infekte und der echten Virusgrippe sind weiterhin steigend", erklärte ÖGK-Chefarzt Andreas Krauter.
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Bei RSV zeichnet sich das dritte starke Jahr hintereinander ab, sagt Aberle. „Vor der Pandemie gab es häufig das Muster, dass auf eine starke Saison – meist im Dezember – dann ein Jahr darauf eine etwas spätere und schwächere Saison folgt. Das hat sich verändert. Warum, das wissen wir noch nicht.“
Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist einer der häufigsten Erreger von Atemwegsinfekten bei Säuglingen und Kleinkindern. „Je jünger die Kinder, umso höher ist das Risiko, dass sie etwas schwerer erkranken“, sagt Kinderarzt Jörn Schönlaub. Die kleinsten Verzweigungen der Bronchien (Bronchiolen) können sich entzünden und verengen. „Typische Zeichen sind ein trockener Husten und eine schnellere Atemfrequenz.“ Trinkt das Kind schlecht, bleibt die Windel trocken und ist der Allgemeinzustand schlecht, sollte man unbedingt eine Kinderärztin oder einen -arzt aufsuchen: „Dort wird die Lunge abgehört und die Sauerstoffsättigung des Blutes gemessen.“ Wichtig ist auch, die oberen Atemwege – etwa mit einem Nasensauger oder Nasentropfen – freizuhalten.
Influenza wiederum zeigt sich meist durch plötzlich einsetzendes, hohes Fieber, viele Kinder klagen auch über Kopfschmerzen, entzündete Augen oder Ohrenschmerzen. „Bei andauerndem Fieber oder Ohrenschmerzen unbedingt einen Arzt aufsuchen, damit etwaige Komplikationen wie eine Mittelohr- oder Lungenentzündung behandelt werden. Besonders bei Risikokindern braucht es auch frühzeitig eine antivirale Therapie (Tamiflu, Anm.)“
Zirka alle zwei Jahre ändert sich bei RSV der Subtyp – vergangenes Jahr dominierte Subtyp B, heuer ist es A. „Den Wechsel hat es immer gegeben. Aber wir untersuchen jetzt, ob es ähnlich wie bei SARS-CoV-2 Varianten gibt, die dem Immunsystem entkommen können.“
So war im vergangenen Jahr eine Linie des Subtyps B dominant, die zuvor noch nie dominiert hat: „Das ist sicher ein Faktor, aber im Detail wissen wir es noch nicht.“
Bisher gab es keine eindeutigen Hinweise darauf, dass es je nach RSV-Subtyp Unterschiede in der Schwere der Erkrankung oder bei den Symptomen gibt.
RSV, Influenza: Kein langer Schutz nach Infektion
Generell hinterlässt aber weder eine RSV- noch eine Influenza-Infektion eine lang anhaltende Immunität. "Eine Infektion mit Influenza A in einem Jahr schützt nicht vor einer Infektion mit einem Influenza-B-Virus in derselben Saison, und auch an RSV kann man in zwei aufeinanderfolgenden Jahren erkranken."
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"Die Infektionszahlen, die wir aktuell sehen, sind keine Auswirkungen der Hygiene-Maßnahmen in der Pandemie", betont Aberle: "Im Winter 2021/2022 gab es zwei Geburtenjahrgänge, die noch keinen Kontakt zu RSV hatten - wegen der Schutzmaßnahmen im Winter 2020/2021. Aber für Kinder, die 2023 oder 2022 auf die Welt kamen, spielt die Pandemie hier keine Rolle mehr."
Influenza-Impfung ist noch sinnvoll
Da die Influenza-Welle noch im Ansteigen sei, sei auch eine Impfung jetzt noch sinnvoll, sagt Kinderarzt Schönlaub.
Was RSV betrifft, wird ein neuer, sogenannter monoklonaler Antikörper zur passiven Immunisierung von allen Säuglingen und Kindern in ihrer ersten RSV-Saison erst für die nächste Welle zur Verfügung stehen. Derzeit gibt es nur ein Antikörperpräparat für ganz bestimmte Risikokinder, z. B. mit bestimmten Herzfehlern.
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Von einer RSV-Infektion sind immer Kinder bei einer Erstinfektion am stärksten betroffen, und zwar bereits Säuglinge ab dem dritten Lebensmonat. „Heute wissen wir aber, dass auch ältere Menschen schwer an RSV erkranken können, was auch Spitalsaufnahmen zur Folge haben kann“, sagt Aberle. Für Menschen ab 60 Jahren sind bereits zwei Impfstoffe zugelassen, einer davon hat auch eine Zulassung für die Impfung von Schwangeren, damit diese die Antikörper an ihre Kinder weitergeben.
Generell können RSV-Infektionen sehr unangenehm und langwierig sein: „Der Husten kann auch mehrere Wochen nach der Infektion noch andauern.“
Wiener Ärztekammer empfiehlt FFP2-Masken in Ordinationen
Durch die Infektwellen seien die Ordinationen enorm gefordert, sagte Mittwoch Naghme Kamaleyan-Schmied, Kassenärztin und Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer. Patienten sollten bei Ordinationsbesuchen eine FFP2-Maske tragen, von der Politik fordert die Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer für Wien kostenlose FFP2-Masken für die Praxen sowie Influenza- und RSV-Tests als Kassenleistung.
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