Viele Unsicherheiten
Die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs dauert normalerweise 10 bis 15 Jahre. Die aktuellen Meldungen zeigen: „Jetzt sind viele Schritte sehr schnell passiert“, sagt Holzhauser. Sie dämpft aber zu frühe Erwartungen. „Was jetzt passiert ist: Die Forschungseinrichtungen erhielten einen positiven Bescheid, dass mit der Studie gestartet werden kann.“
Ähnlich schätzt es Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Verbands österreichischer Impfstoffhersteller, ein: „Man darf man sich keine Wunder erwarten. Die Forschung braucht Zeit. Niemand weiß heute genau, wie lange es dauert. Es hängt von den Studienergebnissen ab.“
Woran geforscht wird
Welche der derzeit im Fokus stehenden Substanzen am aussichtsreichsten ist, lässt sich derzeit nicht sagen. „Die Entwicklung hängt immer sehr von der Beschaffenheit des Virus ab und wie die Immunantwort am besten getriggert wird“, sagt Holzhauser.
Grundsätzlich gibt es drei Arten von Impfstoffen: Bei Lebendimpfstoffen wird der Impfstoff auf Basis von Vektorviren (harmlose Trägerviren) entwickelt, Totimpfstoffe aus Eiweißstoffen des Virus. Bei genbasierten Impfstoffen impft man genetische Informationen des Erregers. Im Körper entstehen daraufhin Proteine – das Immunsystem bildet Antikörper zur Abwehr. Welche Studien schon laufen:
Deutschland Der nun für eine Studie zugelassene Wirkstoff einer Biotechnologie-Firma und Pfizer ist genbasiert, 200 Freiwillige nehmen teil.
Großbritannien Forscher aus Oxford greifen mit staatlicher Unterstützung auf Erfahrungen mit dem MERS-Virus zurück, das mit SARS-CoV-2 eng verwandt ist und nutzen modifizierte, harmlose Erkältungsviren als Trägermedium. 510 Teilnehmer soll die Studie umfassen, inklusive einer Kontrollgruppe, die ein anderes Präparat erhält.
USA Den genbasierten Impfstoff „mRNA-1273“ entwickelt eine private US-Biotechnologiefirma in Zusammenarbeit mit den staatlichen National Institutes of Health (NIH). Insgesamt 45 Testpersonen zwischen 18 und 55 Jahren nehmen teil, die Studie startete im März. Ein weiterer genbasierter Impfstoff einer anderen Firma wird ebenfalls überprüft.
China Schon im März begann eine Studie mit dem Vektorvirus-Impfstoff „Ad5-nCoV“. Gestartet haben auch zwei weitere Studien, unter anderem mit inaktivierten Lebendimpfstoffen.
Ergebnisse abwarten
Diese Ergebnisse müssen abgewartet werden – besonders in Hinblick auf die Sicherheit in der Praxis. Impfstoffe sollen immerhin Millionen Menschen, auch Kindern, verabreicht werden. Der Nutzen muss bei Weitem überwiegen. Niemand hat etwas davon, wenn ein Wirkstoff wirkt, aber schwere gesundheitliche Schäden anrichtet.
„Man kann nicht alle Schritte überspringen. Da geht es um genaue Überprüfung und Sicherheit“, erklärt Holzhauser. Eine weitere wesentliche Hürde ist die Zulassung durch internationale wie nationale Arzneimittelbehörden. „Man kann davon ausgehen, dass im Fall dieser Pandemie jetzt alle Kräfte gebündelt werden und alle Entscheidungsträger eine Zulassung rasch realisiert werden“, sagt Gallo-Daniel.
Bei der Produktion von Impfstoffen ist Europa übrigens traditionell stark: „76 Prozent der Produktionskapazität der normalen Impfstoffdosen, die weltweit benötigt werden, werden derzeit in Europa produziert“, sagt Renée Gallo-Daniel. Das umfasst 27 Produktionsstätten in 11 Ländern. Zudem gibt es 12 Forschungszentren in 8 Ländern, die auf die Entwicklung von neuen Impfstoffen fokussieren.
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