Florian Krammer ist Professors für Impfstoffforschung an der „Icahn School of Medicine at Mount Sinai“ in New York und derzeit auf Heimaturlaub in der Steiermark.
KURIER:Herr Krammer, der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sagt, viele Fragen zur Impfung seien unbeantwortet.
Florian Krammer: Wir wissen bereits sehr viel, etwa zu den angesprochenen Impfreaktionen: 90 Prozent hatten Schmerzen an der Einstichstelle, viele auch Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schüttelfrost oder erhöhte Temperatur – das zeigt, dass das Immunsystem reagiert. Das ist unangenehm, aber nicht gefährlich und nach ein bis zwei Tagen vorbei. Es gab ganz vereinzelt vorübergehende schwerere Reaktionen wie Lymphknotenschwellungen. Bisher haben wir aber keine Hinweise auf Impfschäden. Viele haben Sorgen wegen Langzeitwirkungen – aber die meisten Nebenwirkungen treten bald nach einer Impfung auf. Demgegenüber ist das Risiko von Langzeitfolgen durch eine Infektion mit dem Coronavirus unvergleichlich höher.
Doskozil stellte auch die Frage nach der Bedeutung der Impfung für Allergiker?
Es spricht nichts gegen eine Impfung von Allergikern. Wir haben bei zwei Fällen in Großbritannien und einer Handvoll in den USA gesehen, dass manche Menschen eine starke allergische Reaktion entwickeln. Wenn jemand schon einmal einen anaphylaktischen Schock hatte, besteht die Gefahr, dass das auch bei einer Impfung passiert. Diese Personen sollte man 30 Minuten lang nach der Impfung überwachen. Aber wenn jemand auf Pollen- oder Hausstaub allergisch reagiert oder beim Essen einer Erdbeere ein komisches Gefühl im Mund bekommt, sehe ich kein Problem. In den USA sind mittlerweile mehr als eine Million Dosen verimpft worden, in Großbritannien eine halbe Million. Schwere allergische Reaktionen sind sehr selten – aber man muss das beobachten.
Der LH fragte, ob die Impfung „gentechnisch verändert sei“.
Ich glaube, der Landeshauptmann sollte sich die vielen Informationen durchlesen, die schon veröffentlicht sind. Man kann natürlich sagen, dass der Impfstoff, die Boten-RNA, so wie viele Impfstoffe oder auch rekombinantes Insulin für Diabetiker gentechnologisch bzw. biotechnologisch hergestellt wird. Aber im Menschen verändert sich genetisch nichts. Die Boten-RNA, die nur die genetische Information für das Oberflächenprotein des Virus transportiert, gelangt nicht in den Zellkern mit unserer Erbinformation, der DNA.
Ausschließen kann man das derzeit nicht. Moderna hat in einer kleinen Zwischenauswertung bei den Geimpften aber weniger Infektionen ohne Symptome als in der Kontrollgruppe gesehen, das ist vermutlich auf geringere Virusmenge und kürzere Infektionsdauer zurückzuführen. Vermutlich hat die Impfung schon einen positiven Einfluss darauf, ob und wie lange man infektiös ist. Belegt ist, dass diese RNA-Impfstoffe rund 9 von 10 Erkrankungen verhindern. Und bei denen, die erkranken, sind die Verläufe wahrscheinlich milder.
Sie haben auf Twitter geschrieben, dass Sie über den Einfluss der mutierten Virusvariante auf Impfstoffe nicht zu sehr besorgt sind.
Es scheint tatsächlich so zu sein, dass sich diese Variante schneller ausbreitet und infektiöser ist. Aber in den vergangenen Tagen haben sich einige Daten angesammelt, die dagegen sprechen, dass der Impfstoff bei dieser Variante nicht wirkt. Bei Mäusen, die mit einer Mutante des Virus infiziert waren, ließ sich die Virusvermehrung gut stoppen. Und ein Kollege aus Texas publizierte Daten, dass von der Infektion gebildete Antikörper auch die mutierte Virusvariante (N501Y) neutralisieren, also stoppen können. Anders ist das mit der Variante aus Südafrika. Die muss man sich noch genauer anschauen.
Sie waren selbst Proband der Zulassungsstudie von BioNTech/Pfizer.
Mittlerweile weiß ich, dass ich in der Placebogruppe war, die eine Kochsalzlösung erhielt. Aber ich habe am 6. 1. meinen ersten Impftermin mit dem richtigen Impfstoff – und ich freue mich schon darauf!
Sollen sich Menschen impfen lassen, die bereits eine Infektion gegen SARS-CoV-2 bzw. eine Covid-19-erkrankung hinter sich haben?
Derzeit ist nicht endgültig geklärt, wie lange nach einer Infektion ein Schutz vor einer neuerlichen Infektion bzw. Erkrankung besteht. Es sind aber nur wenige Zweitinfektionen bekannt, deshalb gehen wir schon von einem längeren Schutz aus. Ziemlich sicher sind es mehrere Monate. Es spricht aber nichts gegen eine Impfung nach einer durchgemachten Infektion, im Gegenteil, dadurch wird die Abwehr nur noch verstärkt.
Angesichts des derzeitigen Engpasses an Impfstoff, sollten aber Menschen vorgezogen werden, die noch gar keinen Schutz gegen SARS-CoV-2 aufgebaut haben.
Alternativ kann man aber auch einen Antikörpertest durchführen lassen. Wenn Antikörper gegen das Oberflächenprotein (Spike-Protein) gemessen werden, korreliert das Ergebnis hervorragend mit den Neutralisationstests, bei denen in Speziallabors die Antikörperwirkung an vermehrungsfähigen Viren eindeutig nachgewiesen wird.
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