Genesen, geimpft - oder beides: Wer die Superimmunität hat
„Von Covid Genesene kommen unter die Räder“: Das sagen Betroffene zu dem Umstand, dass ihr Genesenenstatus im Grünen Pass weiterhin nur sechs Monate beträgt und nicht mehr um jeweils drei Monate mittels Antikörpertest verlängert werden kann. Die Gültigkeit des Impfnachweises mit der zweiten Impfung wurde zwar verkürzt, beträgt aber ab 6. Dezember statt zwölf zumindest neun Monate. Aber wie sieht es jetzt mit der Immunität von Genesenen im Vergleich zu jener von Geimpften tatsächlich aus?
Was ist die Grundlage der Kritik Genesener?
„Jüngste Daten zeigen, dass man nach einer überstandenen Covid-Infektion im Schnitt auf eine Immunitätsdauer von etwa einem Jahr kommt“, sagt Neos-Abgeordneter Gerald Loacker. Er verweist auf Daten aus den Antworten einer parlamentarischen Anfrage, die er an Minister Wolfgang Mückstein gestellt hat: „Demnach gebe es unter Genesenen etwas weniger neuerliche Infektionen als unter Geimpften. Loacker drängt auf verbesserte Regeln für Genesene: „In der Schweiz gilt die Infektion für 12 Monate als ,G‘“.
Was sagen Experten?
Die Deutsche Gesellschaft für Virologie hat eine Stellungnahme veröffentlicht, wonach die Schutzdauer nach einer SARS-CoV-2-Infektion mindestens ein Jahr beträgt. Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, verweist auf eine Publikation, wonach bei Genesenen 1,5 bis 2 Jahre ein zumindest 50-prozentiger Schutz vor Reinfektionen gegeben ist. Aber: „24 % der Infizierten hatten keine Antikörper und daher auch keinen wirklichen Schutz vor Infektion.“ Mikrobiologe Martin Moder schrieb zu der Studie auf Twitter: „Genesene haben im Mittel etwa gleich hohe Antikörper-Level wie doppelt mRNA-Geimpfte. Aber: Bei den Geimpften sind die Level zuverlässig hoch, während sie bei Genesenen viel breiter streuen.“
Es gibt also Vorteile und Nachteile?
„Rein immunologisch gesehen ist es so, dass Genesene einen gewissen Vorteil gegenüber Geimpften haben, weil ihre Antikörper besser und an mehr Stellen des Spike-Proteins binden“, sagt Sylvia Knapp, Professorin für Infektionsbiologie an der MedUni Wien. „Allerdings gibt es nach einer Infektion eine große Schwankungsbreite bei der Antikörperbildung und dem Ausmaß des Immunschutzes. Und wir haben nach wie vor keinen verlässlichen Antikörper-Schwellenwert, der sicher Schutz garantiert.“
Abgesehen von den Vorgaben für den Grünen Pass: Was spricht für die Impfung von Genesenen?
„Die beste Immunantwort haben die, die zuerst infiziert waren und danach geimpft wurden“, sagt Knapp – eine „Superimmunität“ sozusagen. „Diese Personen haben wahrscheinlich auch einen längeren Schutz als Menschen, die zweimal geimpft sind.“ Das sei aber kein Grund zu versuchen, sich bewusst zu infizieren: „Das Risiko schwerer Verläufe ist viel zu hoch.“ – Watzl: „Eine Impfung zirka 6 Monate nach einer durchgemachten Infektion gibt den besten Schutz, den wir aktuell kennen. Gerade und auch gegen Delta!“ Eine Impfung schütze nicht nur einen selber, sondern gebe gerade in den Monaten nach der Impfung einen sehr guten Fremdschutz.
Sollen Genesene eine zweite Impfung erhalten?
Genesene, die eine Impfung erhalten haben, sollen wie Personen mit zwei Impfungen angesehen werden, empfiehlt das Impfgremium. Und sie sollen eine weitere zweite Impfung ab sechs Monaten nach der ersten erhalten. „Bei einer zweimaligen Impfung kann eine erhöhte Rate an Impfreaktionen bei Genesenen nicht ausgeschlossen werden“, heißt es bei der Wiener Ärztekammer. Trotzdem ist ein dreimaliger Kontakt mit dem Virus bzw. Virusproteinen für die Ausbildung einer langfristigen und stabilen Immunität wichtig, betont Knapp. Israel zeige, wie wichtig Booster-Impfungen seien. „Damit hofft man auf eine kontinuierliche und langfristige Verbesserung der Qualität der Antikörper, wie man sie bei Genesenen sieht.“
Sollte die Sechsmonatsfrist für Genesene verlängert werden?
„Nein, weil es ist sehr sinnvoll, dass sie nach spätestens sechs Monaten eine erste Impfung zur Aufrechterhaltung Ihres Schutzes bekommen“, sagt die Immunologin Sylvia Knapp.
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