Gelenksprobleme: Wie die Schlüsselloch-Chirurgie heute helfen kann
Eingriffe an Schulter und Knie sind „die Klassiker“: Rund 150 Mal am Tag wird in Österreich eine Arthroskopie, eine Gelenksspiegelung, durchgeführt (siehe unten) Bereits 50 bis 60 Prozent der gelenkschirurgischen Eingriffe erfolgen per Schlüssellochchirurgie. „Diese minimalinvasive Methode ist heute der Goldstandard“, erklärt der Sportorthopäde und Schulterspezialist Philipp Heuberer, Präsident der Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkschirurgie (AGA), Europas größter Fachgesellschaft für Arthroskopie. Diese organisierte kürzlich einen großen internationalen Kongress zu diesem Thema im Wiener Austria Center. 1.200 Spezialisten nahmen daran teil.
„Ich kann damit die anatomischen Strukturen so wiederherstellen, wie sie ursprünglich waren, das ist der Vorteil für den Chirurgen. Der Vorteil für den Patienten ist, dass er nach dem Eingriff weniger Schmerzen im Vergleich zu einem offenen Eingriff hat, die Infektionsgefahr deutlich reduziert ist und auch die Rehabilitation rascher verläuft.“
Blutkörperchen sichtbar
„Aufgrund der immer besseren Auflösung der Arthroskopiesysteme können wir so nah an anatomische Strukturen heranzoomen, dass wir mittlerweile sogar die roten Blutkörperchen in den Gefäßen der Gelenkskapsel sehen“, sagt der Kongresspräsident Roman C. Ostermann, Facharzt für Orthopädie und Traumatologie und Spezialist für Sport- und Gelenksverletzungen. „Gewisse krankhafte Veränderungen haben wir erst dadurch entdeckt und klassifiziert.“
Etwa 30 bis 40 Prozent aller Menschen leiden im Laufe ihres Lebens unter Schulterschmerzen. Risse an den Sehnen der Rotatorenmanschette – vier Muskeln, die das Gelenk umfassen und stabilisieren – sind die häufigste Verletzung, die operiert werden muss, sagt Heuberer. „Moderne Nahtsysteme ermöglichen uns, dass wir solche Defekte sehr gewebeschonend behandeln können und das Gelenk nicht komplett eröffnet werden muss“, betont Ostermann. Dies gelte auch für Meniskus- oder Kreuzbandrisse: „Wo möglich, versuchen wir Risse zu nähen und Gewebe zu erhalten.“ Dabei helfen zunehmend auch „Orthobiologika“ – Substanzen, die natürlich im Körper vorkommen, etwa mit Blutplättchen angereichertes Blutplasma. Heuberer: „Bei einer Kniearthrose ist bereits nachgewiesen, dass der Heilungsprozess dadurch unterstützt wird.“
Arthroskopie
Die Gelenksspiegelung) (arthros griechisch für Gelenk und skopein gr. für schauen) ist eine minimal-invasive diagnostische und therapeutische Behandlung von Gelenken. Über winzige Hautschnitte werden eine Kamera und Spezialinstrumente in das Gelenk eingeführt, die Bilder werden auf einen Monitor übertragen
Patientenservice
Die Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkschirurgie hat ein Online-Portal eingerichtet, in dem die Methode genau erklärt wird: www.arthroskopie-verstehen.de
Die Gelenksspezialisten wollen auch aufklären, dass viele Sportverletzungen vermieden werden könnten: Gerade bei den „Weekend Warriors“, Hobbysportlern zwischen 35 und 50 Jahren, kommt es leicht zu Überlastungsschäden: Etwa, wenn unaufgewärmt und untrainiert abrupte Richtungswechsel vollzogen werden.
„Viele Patienten fragen dann, warum die Schulter ein relativ unstabiles Gelenk ist“, erzählt Ostermann: „Das ist der Preis für die enorme Bewegungsfreiheit der Arme, ohne die es in der Evolution den Menschen nicht möglich gewesen wäre, ihr Umfeld zu erforschen.“ Die Schulter werde hauptsächlich von Muskeln stabilisiert. Der Gelenkskopf sei relativ groß, die Pfanne klein, wie bei einem Golfball auf dem Tee, dem kleinen Stift, auf den der Ball zum Abschlag gelegt werden darf. „Reißt der Knorpelfaserring der Pfanne bei einer Ausrenkung des Schultergelenks ab, bedeutet das gleich einen massiven Verlust der Stabilität.“Ist eine konservative Therapie nicht ausreichend und eine Operation notwendig, dann hat die Arthroskopie den Vorteil, dass die Narben kleiner sind und auch Gelenksverletzungen behandelt werden können, „zu denen wir mit offenen chirurgischen Verfahren keinen Zugang hätten“.
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