Motivation ohne Medikamente
„Die Arbeit im Grünen hebt die Stimmung und steigert den Antrieb ganz ohne Medikamente“, betont Kratz. „Durch die Gartenarbeit kommen zum Beispiel Patienten mit einer Depression wieder in Schwung, in dem sie aktiv etwas tun. Oft trauen sie sich gar nichts mehr zu.“ Bei Menschen mit Demenz wiederum helfe die Therapie durch Erinnerung. „Sie sind orientierungslos und haben die Erinnerung an ihre Vergangenheit verloren. Doch die meisten Patienten der älteren Generation haben einen Bezug zur Natur, haben ihre Finger schon einmal im Erdboden gehabt und sei es nur beim Kohlrübenstehlen im Krieg“, erzählt der Arzt.
Das Gärtnern biete Halt und Orientierung, allein schon durch den vertrauten, immer wiederkehrenden Lauf der Jahreszeiten, ergänzt Gartentherapeutin Marlit Bromm. Ein weiterer positiver Effekt: „Die Patienten, die sonst eher in einer passiven Rolle sind, kümmern sich nun aktiv um etwas, übernehmen Verantwortung für die Pflanzen. Der Gepflegte wird zum Pflegenden“, ergänzg Kratz.
Therapie zwei Mal pro Woche
Zwei Mal pro Woche können Patienten jäten, säen, pflanzen, schneiden oder - etwa im Winter - kreativ mit Pflanzen und anderem Naturmaterial arbeiten. Die Gartentherapie ist aus Bromms Sicht eine achtsame Naturerfahrung, die weit über das körperliche Arbeiten hinausgeht. „Es geht auch darum, innezuhalten, sich in der Natur zurechtzufinden, Dinge wahrzunehmen und im Hier und Jetzt anzukommen.“
Behandlung mit Vergangenheit
Laut der Amerikanischen Vereinigung für Gartentherapie, AHTA, wurden therapeutische Aspekte der Gartenarbeit schon im Altertum beschrieben. Im 19. Jahrhundert habe der Arzt Benjamin Rush erstmals positive Effekte auf Menschen mit psychischen Erkrankungen beschrieben. In den 1940er und 1950ern sei die Therapieform auch in der Rehabilitation von Kriegsveteranen eingesetzt worden. Inzwischen werde Gartentherapie für ein breites Spektrum von Erkrankungen genutzt.
„Die Techniken helfen, neue Fähigkeiten zu erlernen oder sich verlorene Fähigkeiten wieder anzueignen“, schreibt die AHTA. Durch Gartentherapie könnten etwa Gedächtnisleistung, kognitive und sprachliche Fähigkeiten verbessert werden. Aber auch Muskelkraft, Gleichgewichtssinn und Ausdauer ließen sich stärken.
Nicht für alle Patienten sinnvoll
Allerdings sei diese Art der Therapie nicht für jeden geeignet, erläutert Kratz: „Das hilft nur bei Leuten, die auch einen angenehmen Bezug zum Garten haben. Deshalb machen wir vorher Biografiearbeit, um zu sehen, was zu den Patienten passt.“
Das bestätigt auch die Internationalen Gesellschaft für Gartentherapie: "Die Gartentherapie findet sich vor allem in der Altenhilfe und in Rehaeinrichtungen der Psychiatrie und der Sucht und zunehmend auch im pädagogischen Bereich“, sagt deren Präsident Andreas Niepel. Darüber hinaus kann die Therapieform in der Neurologie angewendet weden - wenn Menschen zum Beispiel nach einem Schlaganfall wieder lernen müssen, beide Hände koordiniert einzusetzen, ihren Rumpf zu kontrollieren, zu gehen, zu stehen. Zahlreiche Studien belegen die positive Wirkung des Gärntners auf das Wohbefinden.
Universitäre Ausbildung in Österreich
Während es in Deutschland keine eigenständige Ausbildung gibt - hier können sich etwa hauptberufliche Ergotherapeuten oder Pädagogensich weiterbilden - gibt es u.a. in Großbritannien und den USA verschiedene Hochschulen, die Gartentherapie lehren. In Österreich gibt es eine universitäre Ausbildung zur Gartentherapie an der Donau-Universität Krems in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik (Akademische Expertin/Akademischer Experte für Gartentherapie). Wie das Gesundheitsministerium auf gesundheit.gv.at schreibt, sollte als Voraussetzung für die Ausbildung zur/zum Akademischen Expertin/Experten für Gartentherapie ein Stammberuf mit pädagogischem, sozialem, medizinischem oder psychologischem Schwerpunkt vorliegen.
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