Forscher Norbert Bischofberger: "Vielleicht früher zurück zur Normalität"
„Mir geht es gut, alles okay. Und ich bin sehr hoffnungsvoll, dass Remdesivir wirksam ist.“ Der Vorarlberger Norbert Bischofberger zählt zu den erfolgreichsten Entwicklern von Anti-Virus-Medikamenten. Bis Mitte 2008 war er Forschungsdirektor von Gilead Sciences in Kalifornien, einem der größten Biotech-Unternehmen. Er entwickelte das Anti-Grippe-Mittel Tamiflu ebenso wie Medikamente gegen HIV sowie eine Therapie gegen Hepatitis C, mit der innerhalb von Wochen 99 Prozent der Patienten geheilt werden konnten. Und er hatte das Entwicklungsprogramm zu Remdesivir unter seiner Aufsicht – jener Substanz, die jetzt einer der Hoffnungsträger für eine Therapie von Covid-19 ist.
„Die Frage ist, in welchem Stadium das Präparat gegeben werden muss. Bei Tamiflu sind es die ersten 48 Stunden nach Symptombeginn. Beim neuen Coronavirus ist der Zeitraum sicher länger, aber vielleicht ist es auf der Intensivstation, wenn man bereits beatmet werden muss, zu spät. Da helfen wahrscheinlich entzündungshemmende Mittel besser.“
Vermehrungsstopp
Vor rund zehn Jahren begann Bischofberger mit der Entwicklung von Remdesivir – ursprünglich als Mittel gegen Ebola. „Ebola und Corona sind total verschiedene Viren. Aber beide benötigen eine sogenannte Polymerase (ein Enzym, Anm.), um sich in Zellen zu vervielfältigen.“ Genau da setzt Remdesivir an: Ein Teil dieses Moleküls baut sich an einer speziellen Stelle im Viruserbgut ein – und blockiert die virale „Kopiermaschine“. Bisherige Daten „sind vielversprechend, aber wir benötigen noch die Ergebnisse aus kontrollierten Studien“.
„Ich glaube, dass wir eine Therapie früher als einen Impfstoff haben werden“, sagt Bischofberger: Zwar gibt es Firmen, die von einem Impfstoff in einem halben Jahr bis Jahr sprechen. Aber ich denke, es wird länger dauern. Denn ein Impfstoff, der Millionen von gesunden Menschen verabreicht wird, muss absolut sicher sein – sonst ist der Schaden durch die Impfung größer als jener durch die Corona-Infektion.“
Bei bereits vorhandenen Wirkstoffen wie Remdesivir könnte es schneller gehen: „Viele Studien wurden ja bereits begonnen.“ Und es gebe mehrere vielversprechende Therapieansätze: „Auch das Medikament von Josef Penninger, das jetzt ebenfalls untersucht wird, hat eine gute Chance.“
Früher zur Normalität?
Bischofberger ist zuversichtlich: Sollte sich in den kommenden Monaten eine Therapie herauskristallisieren, „könnten wir vielleicht schon viel früher die Distanzierungsmaßnahmen lockern, die keiner will, und zur Normalität übergehen. Derzeit liegen manche schwerkranke Patienten 20 Tage im Spital. Wenn ich diesen Zeitraum bei 90 Prozent auf drei bis fünf Tage senken und die Menschen retten könnte, besteht die Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems nicht mehr.“
Und wie sieht er Präsident Trump? „Er hat von einem Tag auf den anderen seine Meinung geändert: Zuerst sagte er, ,alles unter Kontrolle, alles in Ordnung‘. Und am nächsten Tag: ,Ich habe immer gewusst, dass das eine Pandemie ist‘. Das war verwirrend, falsch, gefährlich.“
Und zu Gerüchten, dass das Virus aus einem Labor stammt? „Die Herstellung in einem Labor ist extrem unwahrscheinlich, weil dieses Virus eine komplett andere genetische Struktur hat als alles, was wir bisher kannten. Da bräuchte man zehn Jahre dafür.“ Und ein Laborunfall? „Das kann ich nicht kommentieren. Aber es ist nicht ungewöhnlich, dass Viren von Tieren auf Menschen gehen – das war auch bei HIV so. Das wird immer wieder passieren.“
Studienprogramm mit bis zu 10.000 Patienten
Ende April / Anfang Mai könnte es erste Hinweise geben, ob der Optimismus vieler Ärzte berechtigt ist: Da werden die Daten einer Remdesivir-Studie mit 400 schwer kranken Patienten veröffentlicht, sagt Clemens Schödl, Geschäftsführer von Gilead Sciences in Österreich. Eine Vergleichsgruppe, die ein Placebo erhielt, gibt es aber auch hier noch nicht: „Bei so schwer Kranken wäre das unethisch gewesen, da die Hinweise auf einen positiven Effekt doch recht stark sind.“
Eine Kontrollgruppe gebe es aber in einer weiteren Studie mit 600 „moderat“ Erkrankten, die nicht beatmet werden müssen und die Ende Mai publiziert werden soll. Ebenfalls zu diesem Zeitpunkt soll eine US-Studie unter der Oberaufsicht des weltbekannten US-Infektionsexperten Anthony Fauci publiziert werden. „Insgesamt sind weltweit derzeit Studien mit bis zu 10.000 Patienten geplant.“
Eine Remdesivir-Therapie besteht aus elf Infusionen in zehn Tagen. Bis Ende Mai stehen für Studien und Notfallbehandlungen („compassionate use“) 140.000 Behandlungszyklen weltweit zur Verfügung. „Die Produktionszeit betrug ursprünglich neun Monate bis ein Jahr, jetzt sind wir bei sechs bis acht Monaten.“ Deshalb werden erst wieder im Oktober Therapien für weitere 500.000 Menschen bereitstehen – positive Studienergebnisse vorausgesetzt.
Suche nach Therapien
Weltweit wird an 155 Medikamenten und 79 Impfungen zur Bekämpfung von Covid-19 gearbeitet. Diese erstaunlichen Zahlen hat das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) erhoben. Viele Arzneimittelhersteller untersuchen Wirkstoffe, die schon gegen eine andere Krankheit zugelassen oder in Entwicklung sind.
Erste Daten lassen hoffen
Eine erste kleine Studie mit 53 Patienten zeigte vor Kurzem bei insgesamt 68 Prozent eine Besserung nach der Gabe von Remdesivir.
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