Dabei „kommt es dann zu diesen seltenen Thrombosen im Gehirn aber auch im Bauchraum oder in den Schlagadern, alles sehr ungewöhnliche Lokalisationen“. Was genau diesen Mechanismus in Gang setzt ist noch unklar. Ein direkter, kausaler Zusammenhang ist laut EMA noch nicht endgültig bewiesen, „aber möglich“.
Wie häufig ist diese Beobachtung?
Die EMA berichtete von 62 Hirnvenenthrombosen in der EU bei 9,2 Millionen Impfungen – ein Risiko von 1:100.000. In Deutschland waren unter 31 Verdachtsfällen überwiegend Frauen. Sie wurden bisher aber auch doppelt so oft geimpft. Bei den unter 60-Jährigen sehe man mehr Hirnvenenthrombosen als normalerweise zu erwarten wären, so die EMA. Auch in der ungeimpften Bevölkerung sind Frauen deutlich häufiger betroffen, mit dem größten Risiko zwischen 35 und 45. In Österreich gibt es laut Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) zwei bestätigte Fälle.
Laut Kyrle gibt es drei weitere Verdachtsfälle. Was die tatsächliche Häufigkeit betrifft kursieren je nach Land unterschiedliche Angaben. „Eine genaue Zahl zur Risikoeinschätzung können wir noch nicht geben, wir kennen die Dunkelziffer nicht. Ich gehe aber davon aus, dass die Nebenwirkung sehr selten ist.“ Demgegenüber steht das Risiko einer schweren Covid-19-Erkrankung. Allerdings liegt im Alter von 25 Jahren das Sterberisiko (Infektionssterblichkeit) bei nur rund 0,01 Prozent, im Alter von 50 Jahren jedoch schon mehr als 0,1 Prozent der Infizierten.
Warum sind vor allem jüngere Frauen betroffen?
Bisher wurde vor allem Lehrpersonal und medizinisches Personal geimpft, „in dieser Gruppe gibt es eben überwiegend Frauen“, sagt Kyrle. Aus dem Alter, dem Geschlecht oder der Krankheitsgeschichte ließen sich derzeit noch keine spezifischen Risikofaktoren ableiten, so die EMA. Eine allgemeine Thrombose-Neigung zählt momentan auch noch nicht dazu. Kyrle: „Wir suchen nun nach Charakteristika der Betroffenen – was genau hat diese Leute anfällig gemacht?“
Auf welche Symptome soll man achten?
Grippeähnliche Symptome (Gelenks-, Muskel und Kopfschmerzen) über ein bis drei Tage unmittelbar nach der Impfung sind kein Anlass zur Sorge. Achten sollte man auf Kopfschmerzen, Schwindel oder Bauchschmerzen von Tag 4 bis 20. „Wenn man schnell ins Spital geht, ist das recht gut behandelbar. Man sollte das also ernst nehmen“, so der Thromboseforscher.
Wie sieht es bei anderen Impfstoffen aus?
In einer US-Studie wird von 20 Fällen von akuter ITP (Form des Bluttplättchenmangels) nach Moderna- und Pfizer-Impfungen berichtet. „Das muss man aber strikt trennen“, betont Kyrle. ITP sei eine bekannte seltene Nebenwirkung nach Impfungen. Sinusvenenthrombosen wurden bisher bei den anderen Impfstoffen laut dem Forscher noch nicht beobachtet.
Warum wurden ursprünglich Ältere nicht geimpft?
Zu Beginn des Astra Zeneca Impfstarts wurden nur Jüngere geimpft. Der Grund waren damals fehlende Daten bei Älteren. Nun weiß man aber schon länger, dass das Vakzin auch bei Älteren gut wirkt.
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