Sputnik V für Österreich? Was der Impfstoff tatsächlich kann
Österreich verhandelt mit Russland über die Lieferung von einer Million Impfstoffdosen von Sputnik V. 300.000 Dosen könnten bereits im April geliefert werden. Eine Kaufentscheidung ist aber noch nicht gefallen. Der Impfstoff ist in der EU noch nicht zugelassen.
Welche Technologie steht hinter Sputnik V?
Sputnik V ist - wie das Produkt von Astra Zeneca und der Universität Oxford - ein Vektorimpfstoff. Für solche Vektorimpfstoffe nutzt man Trägerviren ("Vektoren"), die für Menschen harmlos sind, sich nicht vervielfältigen und auch keine Krankheiten auslösen können. Dieses Trägervirus wird genetisch so verändert, dass es die genetische Information für das Oberflächeneiweiß des Coronavirus enthält. Das Trägervirus gelangt in einzelne Körperzellen, die daraufhin mit der Produktion des Oberflächeneiweiß beginnen. Das Immunsystem erkennt es als fremd und bildet Abwehrstoffe.
Und wie unterscheidet sich Sputnik V von Astra Zeneca?
Beide verwenden als Trägerviren Adenoviren, abgeschwächte Schnupfenviren. Astra Zeneca verwendet für beide Teilimpfungen dasselbe Adenovirus, ein abgeschwächtes Schnupfenvirus von Schimpansen, Sputnik V verwendet zwei verschiedene humane Adenoviren.
"Das ist definitiv ein Vorteil", sagt die Virologin und Impfstoffexpertin Christina Nicolodi: "Damit umgehen sie das Immunsystem." Was Nicolodi meint: Der Körper bildet nach der ersten Impfung Antikörper (Abwehrstoffe) gegen das Vektorvirus. Bei der zweiten Dosis mit demselben Vektorvirus reagieren diese Antikörper dann aber auf das Trägervirus und aktivieren das Abwehrsystem - dieses bekämpft dann also auch die Impfung selbst. Genauer gesagt die Trägerviren, es gelangen weniger Vektorviren in die Zellen, was die Wirksamkeit verringern kann. "Dadurch kann dann auch weniger von dem Oberflächenprotein von SARS-CoV-2 gebildet werden, das ist das hauptsächliche Problem", sagt Nicolodi.
Ist der zweite Vektorvirus aber ein anderer, fällt diese Reaktion des Immunsystems weg. Und: "Bei zwei unterschiedlichen Trägerviren wird dem Immunsystem der Impfstoff aber auf etwas unterschiedliche Weise präsentiert - da weiß man schon lange, dass das zu einer besseren Immunreaktion führen kann", erklärt Peter Kremsner, Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie der MedUni Tübingen.
Was weiß man über die Wirksamkeit von Sputnik?
Laut im Journal The Lancet publizierten Daten liegt die Wirksamkeit bei 91,6 %. Das bedeutet, dass also in der Gruppe der Geimpften 91,6 Prozent weniger Erkrankungen auftraten als in der Kontrollgruppe. Bei Astra Zeneca liegt dieser Wert bei rund 76 Prozent.
Und die Sicherheit?
"Das größte Problem, das wir mit Sputnik haben, ist, dass zwar eine sehr ordentliche Effektivitätsstudie im Fachmagazin The Lancet publiziert wurde, aber noch keine Sicherheitsdaten veröffentlicht wurden", sagt der Impfexperte Herwig Kollaritsch. Er verweist aber auch darauf, dass der Impfstoff bereits in mehr als 50 Ländern zugelassen ist: "Hätte es hier Auffälligkeiten gegeben, wären die schon berichtet worden." Ähnlich sieht das auch Ärztekammerchef Thomas Szekeres. Aber auch Nicolodi sagt: "Vor einem Einsatz dieses Impfstoffes würde ich gerne die Sicherheitsdaten sehen und auch die genauen Daten zur Bildung der Antikörper gegen SARS-CoV-2. Die derzeit publizierten Daten reichen aus meiner Sicht noch nicht für eine Zulassung."
Was weiß man generell über die Qualität russischer Impfstoffe?
„Russland kann qualitativ gute und hochwirksame Impfstoffe produzieren – daran zweifle ich keine Sekunde. Sputnik V ist kein schlechter Impfstoff", sagt Nicolodi zu den Verhandlungen zwischen Russland und Österreich über eine Million Impfdosen. "Ich habe mit Russland im Bereich der Influenza-Viren zusammengearbeitet, das sind unglaublich gute Experten", betont die Virologin. Ähnlich positiv äußerte sich auch der Leiter der Ständigen Impfkommission in Deutschland, Thomas Mertens.
Aber Russland hat den Impfstoff auf geringer Datenbasis zugelassen?
Russland hat den Impfstoff bereits Mitte August für eine breite Anwendung in seiner Bevölkerung zugelassen, nur aufgrund von Daten der ersten beiden Studienphasen. Daten aus der großen Phase-3-Studie, die in der EU oder den USA unerlässslich für eine Zulassung ist, lagen noch nicht vor. International hat das zu viel Kritik geführt: "Russland hat sich entschieden, das Risiko einzugehen und bereits nach Abschluss der Phase 2 zu impfen. In einer Pandemie ist das nicht unüblich, auch diesen Aspekt muss man sehen." Die im Magazin The Lancet erschienene Studie basiert abe bereits auf einer Zwischenauswertung der Phase-3-Studie mit rund 20.000 Teilnehmern.
Weiß man, wie weit die EMA mit der Prüfung ist?
Offizielle Auskünfte dazu gibt es von der Europäischen Arzneimittelagentur EMA keine. Am 4. März hat sie das sogenannte "Rolling Review"-Verfahren begonnen, in dem sie kontinuierlich neu einlangende Daten überprüft. "Dieses Verfahren wird so lange dauern, bis ausreichend Evidenz für eine formalen Zulassungsantrag vorhanden ist", heißt es auf der Homepage. Aber auch zwischen noch nicht erfolgtem Zulassungsantrag und Zulassung würden voraussichtlich zumindest zwei bis drei Wochen vergehen. Deshalb wird immer öfter ein nationaler Alleingang diskutiert. Beim Österreichischen Bundesamt für die Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) heißt es dazu nur, "wir wollen uns an keinen Spekulationen beteiligen. Aus unserer Sicht muss es eine ausreichende Prüfung von Sicherheit und Wirksamkeit geben."
Russland müsste einen Antrag auf eine nationale Zulassung stellen "und mit den nationalen Behörden abklären, welche Unterlagen noch nachzuliefern sind", erklärt Nicolodi. "Wie schnell das geht, traue ich mich jetzt nicht zu sagen."
Soll Österreich auf die EMA-Zulassung warten?
"Wenn Sie mich als jemanden fragen, der in der pharmazeutischen Industrie arbeitet, dann sage ich, ja, es ist besser zu warten", erklärt Nicolodi. "Aus Sicht einer Virologin ist es wiederum besser, je früher uns ein Impfstoff zur Verfügung steht. Da sind wirklich zwei Seelen in meiner Brust."
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