Die sieben Faktoren, die das Gehirn bis ins hohe Alter fit halten
Die Amerikaner formulieren es griffig: „Life‘s Simple 7“ – sieben einfache Punkte – sind es, die wesentlich über den Gesundheitszustand entscheiden. Wie sich diese Faktoren über viele Jahrzehnte auf das Gehirn auswirken, zeigen erste, vorab veröffentlichte Daten einer US-Studie mit fast 14.000 Frauen, deren Gesundheitsdaten über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrzehnten erfasst wurde. Die Autoren konnten nachweisen, wie sehr der Lebensstil in den mittleren Lebensjahren einen Einfluss darauf hat, ob es Jahrzehnte später zu einer Demenz kommt oder nicht.
Diese ersten Daten wurden kürzlich auf der Jahrestagung der American Academy of Neurology in einem Abstract präsentiert. Zu den sieben entscheidenden Faktoren zählen nicht nur „aktiv sein“, und „bessere Ernährung“ (wenig Fleisch und Milchprodukte, viel Obst, Gemüse und Fisch), sondern auch „ein gesundes Gewicht halten“, „nicht rauchen“., ein „normaler Blutdruck“, ein „niedriger Blutzuckerspiegel“ und kein erhöhtes Cholesterin.
Das Durchschnittsalter der Frauen lag zu Beginn bei 54 Jahren. In der mehr als 20-jährigen Beobachtungszeit sind dann 1.771 Frauen (13 %) an einer Form von Demenz erkrankt.
Je gesünder, umso geringer das Risiko
Für jeden der sieben Faktoren wurde für jede Frau aufgrund ihrer Daten ein Wert zwischen 0 (schlechte Gesundheit) und 1 (ideale Gesundheit) ermittelt. Im besten Fall war also ein Gesamtwert von sieben Punkten erreichbar. Der Durchschnittswert zu Studienbeginn lag bei 4,3 Punkten (zehn Jahre später waren es 4,2).
Dabei zeigte sich eindeutig: Für jeden Punkt zwischen 0 und 7, den eine Frau mehr hatte, sank ihr Demenzrisiko um sechs Prozent.
„Solche beeindruckenden Langzeitdaten hatten wir bisher nicht“, sagt dazu der Neurologe Peter Dal-Bianco, Präsident der Österreichischen Alzheimergesellschaft.
„Da wir heute wissen, dass Demenz im Gehirn schon Jahrzehnte vor der Diagnose beginnen kann, ist es wichtig, dass wir mehr darüber erfahren, wie sich die Lebensgewohnheiten im mittleren Alter auf das Risiko im Alter auswirken können“, sagt die Epidemiologin Pamela Rist vom Brigham and Women's Hospital in Boston, USA, Erstautorin der Studie, in einer Presseaussendung. „Die gute Nachricht ist, dass eine gesunde Lebensweise im mittleren Alter zu einem geringeren Demenzrisiko im späteren Leben führen kann.“
Aber von wann bis wann dauern die „mittleren Lebensjahre“? „Ich spreche von 30 bis 60 Jahren – in diesem Zeitraum sammelt man nämlich die Gut- oder Schlechtpunkte für das letzte Lebensdrittel“, sagt Dal-Bianco. Natürlich sei es auch gut, wenn man – bevor es nie passiert – erst mit 60, 65 oder 70 anfängt, die sieben Faktoren wirklich ernst zu nehmen: „Aber da ist es nicht mehr so wirksam.“
Die Studie könne jedenfalls eine zusätzliche Motivation sein, zum Beispiel regelmäßig den Blutdruck zu kontrollieren: „Ein hoher Blutdruck ist ein stilles Leiden, das nicht wehtut, aber irgendwann Konsequenzen hat. Die Blutdruckkontrolle ist einer der wesentlichsten Punkte in der Prävention von Herzinfarkten, Schlaganfällen aber langfristig gesehen eben auch von Demenz.“ Auch Studienautorin Rist verweist auf die Motivation: „Es kann für Menschen ermutigend sein, zu wissen, dass sie ihr Demenzrisiko verringern können, wenn sie z. B. täglich eine halbe Stunde Sport machen oder ihren Blutdruck unter Kontrolle halten.“ Dal-Bianco betont auch, dass man „aktiv sein“ nicht nur auf körperliche Aktivitäten beziehen dürfe: „Hier geht es auch um die geistige Aktivität, das lebenslange Lernen und die lebenslange Neugierde – die muss man sich erhalten.“
40 Prozent vermeidbar
Erst kürzlich zeigte auch eine chinesische Studie, dass die Kombination von gesunder Ernährung, regelmäßigem Sport, Kartenspielen und geselligem Beisammensein mindestens zweimal pro Woche dazu beitragen kann, die Geschwindigkeit des Gedächtnisverlusts zu verlangsamen.
Betroffene von Demenz
115.000 bis 130.000 Menschen leben mit einer Form einer Demenz in Österreich, heißt es auf dem öffentlichen Gesundheitsportal gesundheit.gv.at. Aufgrund des Altersanstiegs in der Bevölkerung wird sich diese Anzahl bis zum Jahr 2050 laut Prognosen verdoppeln.
Die häufigste Form
Alzheimer ist mit einem Anteil von rund zwei Dritteln die häufigste Form von Demenz. Weltweit sind fast 50 Millionen Menschen von Demenz betroffen
Wie mit höherem Alter das Risiko steigt
Der Anteil der Demenz-Betroffenen in der jeweiligen Altersgruppe erhöht sich ab einem Alter von über 60 Jahren exponentiell:
- In der Altersgruppe der 65-70-Jährigen sind fünf von 1.000 Personen von Demenz betroffen.
- In der Altersgruppe der 85-Jährigen und Älteren sind bereits 60 bis 80 von 1.000 Personen von Demenz betroffen.
- In der Altersgruppe der über 90-Jährigen sind 300 von 1.000 Menschen von Demenz betroffen.
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„Bis zu 40 Prozent der Demenzerkrankungen könnten durch die Vermeidung von zwölf wichtigen Risikofaktoren verhindert werden“, sagte anlässlich des Welt-Alzheimertages die Demenzforscherin Elisabeth Stögmann von der Uni-Klinik für Neurologie der MedUni/AKH Wien. Dazu gehören bevölkerungsweite Faktoren wie der Zugang zu Bildung und das Ausmaß an Luftverschmutzung sowie eben individuelle wie Bewegungsmangel, Rauchen, Übergewicht und Bluthochdruck.
„Ältere Erwachsene, die sich sportlich betätigen, erhalten ihre kognitiven Fähigkeiten mit größerer Wahrscheinlichkeit als diejenigen, die sich nicht bewegen“, betont Stögmann. Und sie verweist auch darauf, dass es nicht nur körperliche Faktoren gibt: „Es ist seit einiger Zeit bekannt, dass es einen Zusammenhang zwischen sozialer Isolation und Demenz gibt.“
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