Covid-Medikament Paxlovid: "Die Versorgungslage ist kritisch"

Covid-Medikament Paxlovid: "Die Versorgungslage ist kritisch"
Corona-Tabletten sind vielfach nicht mehr erhältlich. Restbestände sollen jetzt an Apotheken verteilt werden, die keine Vorräte mehr haben.

30 Apotheken musste der Wiener Universitätsprofessor Nikolaus Forgó anrufen, um an eine - ärztlich verschriebene - Packung des Covid-Medikaments Paxlovid zu gelangen, wie er auf der Plattform X berichtete. Von 29 Apotheken wurde ihm mitgeteilt, dass Paxlovid "nicht lieferbar" sei. "Die 30. hatte noch eine Packung."

Das ist kein Einzelfall: "Aufgrund eines regional unterschiedlichen Infektionsgeschehens und unterschiedlicher Verschreibungspraxis durch die Ärztinnen und Ärzte kommt es in einigen Apotheken derzeit zu einem Paxlovid-Engpass", heißt es in einer Stellungnahme der  Österreichischen Apothekerkammer. Laut Wiener Ärztekammer dürften die Versorgungslücken aber deutlich über einige Apotheken hinausgehen, die Lagerbestände in Österreich seien "völlig erschöpft".

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Der Bund hat insgesamt 180.000 Packungen Paxlovid beschafft und über den Pharma-Großhandel an öffentliche Apotheken, Hausapotheken und Spitalsapotheken in Österreich ausgeliefert, heißt es im Gesundheitsministerium auf KURIER-Anfrage.  "Davon wurden insgesamt 121.000 Packungen Paxlovid an die öffentlichen Apotheken ausgeliefert", so die Apothekerkammer. Bis Ende Oktober 2023 wurden in den Apotheken rund 95.000 Packungen an die Kundinnen und Kunden abgegeben. Die Abrechnungszahlen für November liegen noch nicht vor.

"Derzeit prüfen wir gemeinsam mit dem Bund eine bedarfsgerechte Umverteilung von in Krankenhäusern, Apotheken und ärztlichen Hausapotheken noch lagernden Mengen. Zudem prüft der Bund die Beschaffung zusätzlicher Mengen, um die Versorgung durchgehend sicherzustellen. Die Apothekerkammer begrüßt diese Maßnahme", heißt es einer Stellungnahme der Apothekerkammer.

"Die Versorgungslage mit Paxlovid ist kritisch", heißt es auf KURIER-Anfrage beim Verband der Österreichischen Arzneimittelgroßhändler (Phago). "An den 23 Standorten des Arzneimittelgroßhandels in Österreich gibt es nur mehr geringe Restbestände."  Der Großhandel lagert Paxlovid im Auftrag des Bundes. Seit Wochenbeginn werde versucht, über den Großhandel Ware aus den Spitälern, die diese abgeben können, in öffentliche Apotheken zu transferieren, die keine Vorräte mehr haben.

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Laut Gesundheitsministerium wurden von den Apotheken bis Ende Oktober bereits rund 110.000 Packungen abgegeben. Man arbeite gemeinsam mit der Apothekerkammer an einer Neuverteilung bestehender Vorräte auf jene Apotheken, in denen derzeit kein Paxlovid vorrätig ist. Parallel dazu prüfe der Bund die Beschaffung zusätzlicher Mengen, um die Versorgung jederzeit durchgehend sicherzustellen. Insgesamt gebe es aber noch genügend Vorräte.

Kritik kommt von der Wiener Ärztekammer: "Laut aktuellen Informationen sind die Lagerbestände in Österreich völlig erschöpft", auch die Apotheken würden nur noch über Restbestände verfügen, heißt es in einer Aussendung.

Wiener Ärztekammer: "Große Sorgen"

"Der aktuelle Engpass bei Paxlovid, das Versagen bei der Logistik der Grippeimpfung und die Tatsache, dass es noch immer nicht absehbar ist, ob es bis zum Ende der Erkältungssaison auch genügend Antibiotika und Medikamente für Kinder geben wird, bereiten uns große Sorgen",  sagt Naghme Kamaleyan-Schmied, Vizepräsidentin und Kurienobfrau der niedergelassenen Ärzte der Ärztekammer für Wien, die selbst eine Kassenpraxis in Wien führt. 

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"Es war klar und lange vorhersehbar, dass die Corona-Zahlen wieder steigen werden und es ausreichend Kontingente und Reserven von wichtigen Medikamenten und Impfstoffen braucht. Der Gesundheitsminister hat versagt und offenbar aus den Fehlern der vergangenen Jahre überhaupt nichts gelernt.“

Der Gesundheitsminister müsse nun endlich handeln und für Nachschub sorgen. Während sich der Gesundheitsminister auf die Entmachtung der Ärztekammer konzentriert hat, hat er offenbar völlig auf die Patientinnen und Patienten vergessen. Die Patientensicherheit ist zentral und er setzt das Vertrauen der Bevölkerung aufs Spiel“, wird Kamaleyan-Schmied zitiert.

NÖ-Ärztekammer: Apotheken sollen Bestand bekanntgeben

Der Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich, Harald Schlögel, empfahl der Apothekerkammer in einer Aussendung die Veröffentlichung einer laufend aktualisierten Liste, auf der sämtliche Apotheken nach Bezirken sortiert ihren Bestand an Paxlovid bekanntgeben: „Nur so können Erkrankte selbst nachschauen, wo sie das Medikament am schnellsten erhalten und die Wege für kranke Menschen könnten so kurz wie möglich gehalten werden.“ Max Wudy, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte, erklärte: „Wenn erst langwierig gesucht werden muss, welche Apotheke in der Nähe Paxlovid vorrätig hat, geht dadurch wertvolle Zeit verloren.“

Kritik kommt auch von dem österreichischen Molekularbiologen Ulrich Elling auf der Plattform X (Twitter): "Ich kann bestätigen was Nikolaus Forgo hier berichtet. Persönliche Recherchen haben ergeben, dass Paxlovid in Österreich vergriffen ist weil es national nicht rechtzeitig bestellt wurde. Fehlendes Paxlovid und fehlende Kommunikation wird Leben kosten. Auch die Hürden einen Termin zur Covidimpfung zu bekommen sowie mangelnde Kommunikation haben offensichtlich ihr Ziel verfehlt. Influenzaimpfstoff scheinbar teilweise knapp, Kommunikation zur Maske oder Vorbilder im Gesundheitsbereich Mangelware."

Die Welle sei lange erwartet worden: "Nein, sie kommt nicht überraschend. Die Vorbereitung auf selbige ist praktisch abwesend. Wer nicht impft, ist gewissermaßen selber schuld. Wer keinen Impfstoff oder sogar kein Paxlovid bekommt, ist aber unverschuldet im Risiko", schreibt Elling.

Tabletten hemmen die Virusvermehrung

Mit der Einnahme von Paxlovid sollte in den ersten fünf Tagen nach Symptombeginn begonnen werden. Die Tabletten hemmen die Virusvermehrung,  verringern und verkürzen die Virusausscheidung. Paxlovid enthält zwei Wirkstoffe: Einen,  der die Virusvermehrung hemmt.  Und einen zweiten, der den Abbau des Medikaments verlangsamt.

Paxlovid ist derzeit die einzige zugelassene orale antivirale Therapie gegen schwere Verläufe von Covid-19 und ist vor allem für Menschen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Covid-Verlauf gedacht, wie etwa ältere Menschen oder Personen mit einem beeinträchtigten Immunsystem.

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