Wie viele Covid-Impfstoffe in Österreich bald ablaufen
Nur 150 Menschen in Österreich haben sich am Donnerstag eine erste Corona-Schutzimpfung geholt. "Wir liefern derzeit kaum Impfstoffe aus", sagt Andreas Windischbauer, Präsident des Verbandes der Österreichischen Arzneimittelgroßhändler (Phago) und Geschäftsführer des Großhändlers Herba-Chemosan. In den Lagern der Phago-Verbandsmitglieder werden die Covid-Impfstoffe vor ihrer Auslieferung zentral aufbewahrt - Comirnaty von Biontech/Pfizer etwa bei minus 60 bis minus 90 Grad, Spikevax von Moderna bei minus 25 bis minus 15 Grad. Die geringe Impfbereitschaft führt dazu, dass die Gefahr eines Verfalls von Impfstoffdosen besteht. Verlängerungen der Haltbarkeit durch die Europäische Arzneimittelbehörde EMA sollen das möglichst verhindern. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wie viele Impfstoffdosen wurden in Österreich bereits ausgeliefert und wie viele liegen derzeit auf Lager?
"Seit der Zulassung der Covid-Impfstoffe haben wir rund 18 Millionen Impfdosen an Covid-Impfstoffen ausgeliefert", sagt Windischbauer. "In allen Niederlassungen der Arzneimittelgroßhändler haben wir derzeit rund 15 Millionen Impfstoffe auf Lager."
Wie viele Impfostoffdosen werden in den kommenden Monaten noch erwartet?
"Aktuell erwarten wir im zweiten Quartal Lieferungen von insgesamt rund 6,4 Millionen Impfstoffdosen", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Gesundheitsministeriums an den KURIER. Für das dritte Quartal erwarten wir aktuell rund 8,2 Millionen Dosen." Derzeit finden laut Sozialministerium auf europäischer Ebene Gespräche mit den Herstellern statt, um Impfstoffe, die für das zweite Quartal bestellt wurden, erst im dritten bzw. vierten Quartal zu erhalten.
Und wie viele Impfdosen sind vom Verfall bedroht?
Laut Gesundheitsministerium haben bisher nur 390.602 Dosen in der Verfügungsgewalt des Bundes das Verfallsdatum überschritten, davon sind ein Großteil Vektorimpfstoffe von Astra Zeneca und Johnson&Johnson. "Diese werden allerdings nicht vernichtet, sondern produktgerecht verwahrt, da teilweise mit einer rückwirkenden Verlängerung der Haltbarkeit seitens der Europäischen Arzneimittelagentur zu rechnen ist."
Laut Andreas Windischbauer könnten bis Ende Juni 1,1 Millionen Dosen vor allem von Moderna ablaufen. Allerdings wurde bereits eine Verlängerung der Haltbarkeit durch die EMA von sieben auf neun Monate bewilligt: "Jetzt braucht es nur noch für die konkreten Chargen, die bei uns lagern, die Freigabe auf neun Monate." Und wenn voraussichtlich im Spätsommer die Kampagne für den vierten Stich startet, werden jene Chargen, die am frühesten ablaufen würden, als erste ausgeliefert.
Bei Biontech/Pfizer hat die EMA bereits eine Verlängerung der Haltbarkeit von ursprünglich sechs auf zunächst neun und zuletzt im März auf zwölf Monate bewilligt. Windischbauer: "Und beim Vektorimpfstoff von Johnson&Johnson konnte die Haltbarkeit von ursprünglich 4,5 auf 9 Monate verlängert werden."
Windischbauer betont, dass andere Impfstoffe zum Teil 24 oder sogar 36 Monate haltbar sind.
Wurde zu viel eingekauft?
"Nein", heißt es dazu im Gesundheitsministerium. "Beschaffungen für das Jahr 2022 mussten schon mit viel zeitlichem Vorlauf - meistens bereits im Sommer 2021 - getätigt werden. Der Impfstoff wurde daher im Sinne eines Risikoportfolios für eine ungünstige Entwicklung der Pandemie und danach im Lichte der gesetzlichen Impfpflicht angeschafft." Diese Sicherheitsrechnung sei mit der aktuellen Omikron-Variante und den derzeitigen Empfehlungen zu weiteren Impfungen nach der dreiteiligen Grundimmunisierung - also vorerst keine vierte Impfung für weite Teile der Bevölkerung - nicht eingetreten.
"Es ist aber nicht ausgeschlosen, dass es zu neuen Varianten kommen wird bzw. die Pandemie einen Verlauf nimmt, bei dem wieder rasch breite Impfungen eines Großteils der Bevölkerung notwendig werden. Auch musste, um Ausfallssicherheit zu gewährleisten, auf verschiedene Impfstoffe gesetzt werden, das einerseits nicht klar war, welche Impfstoffe bis wann eine Zulassung erhalten würden und es zweitens auch nicht gesichert ist, dass alle Impfstoffe gleich gute Effektivitätsdaten gegen neue Varianten haben."
Im Ministerium betont man überdies, dass Sicherheit bei der Versorgung der Bevölkerung mit Impfstoffen höchste Priorität habe. "Der finanzielle Schaden ist im Vergleich zu den möglichen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen von Engpässen bei Impfstoffen gering."
Aber könnte man nicht die Verträge ändern, um das Überangebot zu reduzieren?
"Es handelt sich um europaweit gültige Verträge mit internationalen Unternehmen", lautet die Antwort aus dem Büro von Gesundheitsminister Johannes Rauch. "Es wird von Seiten der Europäischen Kommission daher versucht, praktikable Lösungen zu forcieren, da ein ähnliches Überangebot derzeit in fast allen EU-Mitgliedsstaaten besteht. Grundsätzlich sind bestehende Verträge aber einzuhalten."
Wieso wird die Haltbarkeit überhaupt verlängert?
"Da muss man zunächst einmal sehen, dass es mit dem Präparat Comirnaty von Biontech/Pfizer gelungen ist, innerhalb von weniger als einem Jahr bereits am 21.12.2020 einen Impfstoff durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA zuzulassen", sagt Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Verbandes der Österreichischen Impfstoffhersteller (ÖVIH) zum KURIER. Gut zwei Wochen danach, am 6.1.2021, erfolgte die EMA-Zulassung des Moderna-Impfstoffes Spikevax. "Damals konnten wir die Haltbarkeit von sechs Monaten gewährleisten. Doch seither sind die Untersuchungen und Studien weitergegangen, wurden Haltbarkeitsdaten für neun und dann zwölf Monate verfügbar." Gibt es solche Daten, kann der Hersteller aktiv zur Zulassungsbehörde gehen und eine Verlängerung der Haltbarkeitsfrist einreichen.
Was wird da eigentlich geprüft?
Es wird die Stabilität der mRNA geprüft, ob sie noch in der angegeben Menge enthalten ist. "Es gibt Qualitätskontrollen, deren Ergebnisse die Firmen den Zulassungsstellen vorlegen müssen", sagt Gallo-Daniel. "Jede Änderung der Haltbarkeitsdauer geschieht im Rahmen der Zulassung und muss umfangreich dokumentiert sein. Dafür gibt es ganz klare Regelungen. Es handelt sich auch um keinen ungewöhnlichen Prozess."
"Die Verlängerung der Haltbarkeitsdauer ist ein normaler Routinevorgang, der sehr oft bei rezent zugelassenen Impfstoffen und anderen Biologika erfolgt", erklärte auch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) bereits vor einiger Zeit auf APA-Anfrage. Es gebe ein vorab genehmigtes Protokoll, in dem die Durchführung der Stabilitätsstudien genau geregelt sei. "Bei einer Verlängerung der Zulassung ist selbstverständlich garantiert, dass die Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffes unverändert ist", betont Gallo-Daniel.
Der Impfstoff von Biontech/Pfizer ist für Erwachsene in Fläschchen zu sechs Dosen, jener von Moderna in Fläschchen zu zehn Dosen abgefüllt. Ist hier garantiert, dass es zu keinem Verwurf kommt?
"Die impfenden Stellen sind seitens des Gesundheitsministeriums selbstverständlich angehalten, die Mehrdosen-Ampullen so bestmöglich zu verwenden und Verwurf zu vermeiden", so das Ministerium. "Fertigspritzen (Einfachbehältnisse) stehen leider nach wie vor nicht zur Verfügung. Für uns hat es Vorrang, Interessierte so rasch wie möglich zu impfen, auch wenn es nicht für alle Impfdosen in der Ampulle sichere Abnehmerinnen und Abnehmer gibt. So ist jeder und jede Einzelne bestmöglich geschützt. Da wir in Österreich in der glücklichen Lage sind, genug Impfstoff für alle zu haben, sollten Impfungen nicht auf Grund logistischer Überlegungen verweigert werden. Kurz: Auch in Österreich kann es aufgrund der derzeit geringeren Anzahl an Impfungen, die dezentral durchgeführt werden, vereinzelt zu Verwurf kommen. Dem Gesundheitsministerium liegen jedoch keine Hinweise auf systematischen Verwurf vor."
Und wie viele Impfstoffdosen hat Österreich bisher gespendet?
Aktuellen Zahlen des Ministeriums zufolge hat Österreich insgesamt 5.428.020 Impfstoffdosen zum Schutz vor Covid-19 gespendet, davon 3.803.200 direkt an bedürftige Staaten. Der größte Abnehmer war Bangladesch, das in zwei Tranchen etwas mehr als 1,25 Millionen Astra-Zeneca-Dosen erhalten hat. Eine Million ging in drei Tranchen in den Iran, 345.000 nach Ghana. In einer ersten Tranche hat die Ukraine 250.000 Dosen bekommen. Weitere 1.624.800 Dosen wurden über GAVI/COVAX - eine Initiative, die einen weltweit gleichmäßigen und gerechten Zugang zu Covid-19-Impfstoffen gewährleisten will - an andere Länder übergeben. Darüber hinaus warten weitere an COVAX gespendete Dosen noch auf die Auslieferung in die jeweiligen Empfängerländer.
„Österreich ist bereit, Impfstoffe an Drittstaaten zu spenden. Jedoch zeigt sich, dass der Bedarf in anderen Staaten in den vergangenen Monaten rückläufig ist, während das Angebot an Spenden gleichzeitig steigt“, betonte das Gesundheitsministerium.
Wird jetzt nur deshalb so viel gespendet, weil die Präparate kurz vor dem Ablauf der Haltbarkeit stehen?
"Nein", betont Gallo-Daniel: "Es war von Anfang an geplant, einen Teil der über die EU zentral bezogenen Impfstoffe zu spenden", sagt Gallo-Daniel. "Die ersten Spenden gab es bereits von einem Jahr, das hat mit der Haltbarkeit nichts zu tun."
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