Kommt als nächstes eine noch deutlich infektiösere Variante?
Für heftiges Aufsehen hat der deutsche Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach gesorgt, als er vor einigen Tagen vor einer möglichen "Killervariante" des Coronavirus im Herbst warnte. Diese könnte so ansteckend wie Omikron und so tödlich wie Delta sein. Lauterbach wurde dafür heftig kritisiert. Jetzt hat er sich über den Kurznachrichtendienst Twitter neuerlich zum Thema Varianten zu Wort gemeldet: "In den USA ist eine neue Variante aufgetreten, die deutlich ansteckender als Omicron BA.2 zu sein scheint", schreibt er.
Wie ist diese Aussage zu bewerten? Und wie geht es mit den Varianten weiter? Wird jede neue infektiöser sein als die vorhergehende?
"Niemand hört das gerne, aber es ist so: Das Coronavirus bleibt unberechenbar. Durch Überwachung neuer Varianten und Anpassungen der Impfstoffe sind wir aber gut vorbereitet", schreibt Lauterbach.
Diese neue Omikron-Subvariante BA.2.12.1, auf die Lauterbach anspielt, wird von den US-Gesundheitsbehörden seit mehreren Wochen intensiv beobachtet. Neue Daten der Gesundheitsbehörde CDC zeigen, dass BA.2.12.1 in der Vorwoche in den USA bereits für 19 Prozent aller Corona-Infektionen verantwortlich war - vor zwei Wochen waren es erst 11 Prozent und vor drei Wochen erst sieben Prozent. Dominierend ist nach wie vor die Subvariante BA.2, "aber sie verliert an Boden", wie es CNN formulierte.
Oder wie es der renommerte US-Wissenschafter Eric Topol formuliert: "Die BA.2-Welle in den USA wird sich bald in eine BA.2.12.1-Welle verwandeln."
Laut einer US-Datenauswertung, die Lauterbach und auch Topol in ihre Twitter-Nachrichten einbetteten, hat diese Omikron-Subvariante einen enormen Wachstumsvorteil gegenüber BA.2. Demnach verdoppeln sich die absoluten Infektionszahlen jede Woche.
Besonders stark ist die Zunahme in New York und New Jersey. Das wird von vielen Experten als besorgniserregend gesehen - "die große Mehrzahl der Menschen in New York ist entweder geimpft, genesen oder beides", sagte der Mediziner Daniel Griffin vom Columbia University Medical Center zu CNN. "Was wir also jetzt sehen sind Reinfektionen, wir sehen eine Umgehung des Immunsystems."
Deutlich höhere Infektiosität?
Bereits vergangene Woche sprachen die New Yorker Gesundheitsbehörden von einer um 25 Prozent höheren Infektiosität im Vergleich zu BA.2 - möglicherweise ist dieser Prozentsatz aber auch noch deutlich höher.
Doch was das tatsächlich für den Pandemieverlauf bedeutet ist noch offen: Derzeit gibt es noch keine Hinweise darauf, dass BA.2.12.1 zu mehr schweren Krankheitsverläufen führt. "Wenn Sie geimpft sind oder infiziert waren und neuerlich Covid einfangen, ist das Risiko für einen Spitalsaufenthalt um 90 Prozent reduziert." Und wird die Infektion früh erkannt und werden Risikopersonen mit monoklonalen Antikörpern oder dem Medikament Paxlovid behandelt, reduziert sich das Restrisiko nochmals um 90 Prozent.
Der Molekularbiologe und Immunologe Andreas Bergthaler, Professor für Molekulare Immunologie an der MedUni Wien und Leiter des Instituts für Hygiene und Angewandte Immunologie, betonte kürzlich ebenfalls, dass es keine Anhaltspunkte für einen schwereren Krankheitsverlauf bei Ungeimpften und nicht Genesenen gibt.
Und ebenso gibt es keine Hinweise darauf, dass diese oder eine andere Omikron-Subvariante eine bereits bestehende Immunität durch Impfung oder Genesung so stark umgehen kann, dass hier der bisherige hohe Schutz vor schweren Krankheitsverläufen vermindert wäre.
Unumstritten unter Experten ist, dass neue Subvarianten, die künftig in größerer Zahl für Neuinfektionen sorgen werden, infektiöser sein werden, sagt Bergthaler: "Sonst würden sie es nicht schaffen sich durchzusetzen. Die Mechanismen dagegen, ob beispielsweise durch höhere Virustiter, einem geänderten Infektionsmuster im Atmungstrakt oder der Flucht vor der Immunantwort können unterschiedlich sein."
In welche Richtung geht die Variantenentwicklung?
Wie sich künftige Varianten und Subvarianten auf den Krankheitsverlauf auswirken, lässt sich hingegen nicht vorhersagen: Was Ungeimpfte und nicht Genesene betrifft, also Menschen, die noch gar keinen Kontakt mit dem Coronavirus bzw. Viruspartikeln hatten, "da kann sich eine neue Variante gegenüber einer vorhergehenden in die eine oder andere Richtung entwickeln, also zu milderen oder schwereren Verläufen führen. Da haben wir bei Omikron einfach Glück gehabt, dass es im Vergleich zu Delta mildere Verläufe auslöst."
Doch die Hoffnung besteht, dass es auch ohne Vorhersagemöglichkeit mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einem Szenario ohne mehr schwere Erkrankungen kommt: "Jede Variante, die jetzt noch kommt, stößt auf eine Gesellschaft, die schon eine breite Immunität durch Impfungen und Infektionen hat. Deshalb sollten wir auch bei einem künftigen Virus, das noch infektiöser ist und in hohen Zahlen zirkuliert, hoffentlich weniger schwere Fälle sehen", sagt Bergthaler.
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