Nach Corona-Gipfel: Steht jetzt noch eine Influenza-Epidemie bevor?
Die Osterwoche brachte nicht nur deutlich sinkende Corona-Zahlen - auch die Gesamtzahl der Nachweise an Influenza-Viren ging angesichts der geschlossenen Schulen nach einem Anstieg über mehrere Wochen hinweg leicht zurück, berichtete Donnerstag das "Diagnostische Influenza Netzwerk Österreich" (DINÖ).
Allerdings: Unter allen an das Zentrum für Virologie der MedUni Wien von Ärztinnen und Ärzten eingeschickten Verdachtsabstrichen stieg der Anteil der Influenza-positiv getesteten Proben weiter an - im Vergleich zur Vorwoche von 21 Prozent auf 27 Prozent.
Kann es also heuer noch zu einer Grippe-Epidemie in Österreich kommen?
Ob die Aktivität des Influenzavirus "heuer noch ein epidemisches Niveau erreichen wird, kann derzeit nicht vorhergesagt werden", schreibt Virologin Monika Redlberger-Fritz von der MedUni Wien in einem aktuellen Artikel des Informationsdienstes Virusepidemiologische Information (Ausgabe 08/22).
In der ZIB 1 vom Mittwoch, 20.4., erklärte sie: "Wir sehen eine deutliche Influenzavirus-Aktivität und sind mehr oder minder vor einer Schwelle zu einer Grippe-Welle, haben die eigentliche Grippe-Welle aber noch nicht erreicht." Ob es dazu kommt, werden die kommenden zwei Wochen zeigen: "Wir können also sehr gespannt sein, wie sich die Situation innerhalb der zwei Wochen nach den Osterferien weiterentwickeln wird."
Die derzeit in ganz Europa weiterhin zunehmende Influenzavirus-Aktivität zeige, dass es pandemiebedingt weltweit zu einer Verschiebung der zeitlichen Aktivität der Influenzaviren gekommen sei, schreibt Redlberger-Fritz.
Doch zuletzt zeichnete sich eine Trendwende ab. Diesen Donnerstag, 28.4, berichtete das berichtete das Zentrum für Virologie der MedUni Wien, dass die Influenza in Österreich immer weniger nachgewiesen wird. Zwar gab es bei der Positiv-Rate in der vergangenen Woche nach den Osterferien noch die obenstehend erwähnte Zunahme auf 27 Prozent. Derzeit beträgt in den Sentinelproben der Anteil an auf Influenza positiv getesteten Proben aber nur noch 18 Prozent.
In Österreich konnten im Influenzaüberwachungsnetzwerk (DINÖ) die ersten Influenzaviren in den letzten Wochen des vergangenen Jahres nachgewiesen werden. Mit Jänner setzte sich dieser Trend fort, und es wurden zunehmend Influenzaviren in ganz Österreich entdeckt.
"Seit Ende der Semesterferien und vor allem mit zunehmender Lockerung der Hygienemaßnahmen in den Schulen kann weiterhin eine zunehmende Influenzavirusaktivität verzeichnet werden", so Redlberger-Fritz.
Derzeit sei man in einer Situation, "bei der wir es einerseits mit einer so spät wie noch nie einsetzenden Influenzavirus-Aktivität zu tun haben und gleichzeitig geltende Hygienemaßnahmen weiter gelockert werden".
Dem gegenüber stehe zum einen der saisonale Effekt durch die nun wärmere Jahreszeit und des damit verbundenen geänderten Freizeitverhaltens, und zum anderen die Osterferien, welche eine Weitergabe des Virus innerhalb der Schulen verhindern.
Der Impfschutz werde jetzt wahrscheinlich nicht mehr ausreichen, wenn man sich im Oktober oder November impfen hat lassen, sagte Redlberger-Fritz in der ZiB 1. Generell geht man bei der Influenza von der Dauer der Schutzwirkung der Impfung von rund einem halben Jahr aus.
Überdies kam es seit Produktion der Impfstoffe bei dem derzeit dominanten Influenza-Virus A(H3N2) zu einer so starken Veränderung der Oberflächenstruktur, dass es trotz Impfung vom Immunsystem nur schlecht erkannt wird. 95 Prozent aller positiven Influenzaproben am Zentrum für Virologie der MedUni Wien waren bisher A(H3N2)-Viren.
Heuer wurden auch bereits fünf Doppelinfektionen von Influenza A(H3N2) und SARS-CoV-2 sowie eine Doppelinfektion von Influenza B und SARS-CoV-2 nachgewiesen. "Und das in einer Situation, in der Influenzaviren wohl aktiv waren, aber noch kein epidemisches Niveau erricht hatten. Dadurch kommt der Influenzaschutzimpfung auch in der kommenden Wintersaison wieder große Bedeutung zu."
Eine Influenza zeigt sich häufig mit plötzlichem Krankheitsbeginn, hohem Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen.
"Ein verlässliches Unterscheidungsmerkmal zu Covid-19 ist das aber nicht", betont der Infektiologe Alexander Zoufaly. Gerade bei Geimpften gebe es oft einen abgemilderten Verlauf: "Anhand der Symptome kann man nicht eindeutig sagen, ob es sich um Influenza oder Covid handelt."
Viele Experten befürchten, dass es ohne Schutzmaßnahmen wie Lockdowns, Zutrittsbeschränkungen und Masken durchaus auch zu einer "Twindemie" kommen könnte, einem gleichzeitigen starken Auftreten von Influenzaviren und dem neuen Coronavirus. Dass dies in den vergangenen zwei Jahren ausgeblieben ist - es gab praktisch keine Influenzafälle in den ersten beiden Pandemiejahren - wurde bisher vor allem auf die Schutzmaßnahmen zurückgeführt.
Doch keine "Twindemie"?
Jetzt wird aber auch ein anderes Szenario diskutiert: Eine "virale Interferenz", also eine Art Wechselspiel zwischen den Viren.
Bei einer Virusinfektion werden Interferone ausgeschüttet - Moleküle, die zu der ersten Abwehrlinie des Körpers zählen. Sie verhindern die Vermehrung und Ausbreitung von Viren im Körper und alarmieren das Immunsystem.
Die nach einer SARS-CoV-2-Infektion ausgeschütteten Interferone könnten - vorübergehend - einen gewissen Schutz vor einer Influenza-Infektion bedeuten, so die Theorie. "Mein Bauchgefühl und mein Gefühl auf der Basis unserer jüngsten Forschung sagt mir, dass es diese virale Interferenz tatsächlich gibt", sagt die Immunologin Ellen Foxmann von der Yale School of Medicine in der New York Times.
Endgültig belegt ist das aber noch nicht, es gibt auch Gegenargumente. Daten aus Ghana, wo es keinerlei Beschränkungen in der Pandemie gab, zeigten jedenfalls: Zwischen April 2020 und Juni 2021 gab es dort Infektionswellen mit Rhinoviren (Schnupfenviren), Influenza und dem Coronavirus - mit den Spitzen dieser Wellen aber zu unterschiedlichen Zeiten.
Doch Redlberger-Fritz betont in ihrem Artikel: "Wie die nächste Saison verlaufen wird, ist nicht vorhersagbar, weder wann sie startet, noch welches Virus dominieren oder wie intensiv sie ablaufen wird."
Eines könne aus ihrer Sicht jedoch vorausgesetzt werden: "Es wird wieder zu einer Zirkulation der Influenzaviren kommen und dies könnte auch zeitlich mit einer SARS-CoV-2-Welle zusammentreffen."
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