Kommt ein gemeinsamer Impfausweis für alle EU-Bürger?

Kommt ein gemeinsamer Impfausweis für alle EU-Bürger?
Positive Erfahrungen mit dem EU-Covid-Impfzertifikat könnten die Grundlage dafür sein. Warnung vor Masern- und Keuchhusten-Ausbrüchen.

Die EU-Kommission lässt derzeit eine Machbarkeitsstudie zu einem gemeinsamen Impfausweis für alle EU-Bürger durchführen. Das gab Wolfgang Bogensberger, stellvertretender Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Freitag bei einer Pressekonferenz des Verbandes der Österreichischen Impfstoffhersteller anlässlich der Europäischen Impfwoche bekannt.

"Derzeit wird geprüft, oft das technisch möglich ist und auch die Bereitschaft in den Mitgliedsstaaten besteht, einen solchen gemeinsamen Impfausweis zu erstellen", sagte Bogensberger. Eine Grundlage für die Vorarbeiten sind die positiven Erfahrungen mit EU-Covid-Impfzertifikat. "Dieses ist ein Erfolgsmodell, 60 Staaten weltweit haben das Zertifikat übernommen, es hat auf allen fünf Kontinenten Anwendung gefunden, der Tourismus hat ganz wesentlich profitiert."

Bogensberger veröffentlichte auch aktuelle Zahlen zum Thema Corona-Impfungen in der EU:

Insgesamt hat sich die EU-Kommission im Rahmen der EU-Impfstoffstrategie 4,2 Milliarden Dosen Corona-Impfstoff gesichert."Mittlerweile sind mehr als 83 Prozent der Erwachsenen in der EU vollständig geimpft." Seit Dezember 2020 wurden fast zwei Milliarden Impfstoffdosen in 165 Länder exportiert: "Dies entspricht etwa zwei Dritteln der in der EU hergestellten Impfstoffe." Das "Team Europa", wie Bogensberger es bezeichnete - EU-Institutionen, EU-Mitgliedsstaaten, Finanzinstitute - habe bisher mehr als 408 Millionen Impfstoffdosen weltweit gespendet. "46 Milliarden Euro wurden für die weltweite Corona-Krisenreaktion bereitgestellt."

Laut der Wiener Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde Daniela Kasparek zeigen Erhebungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, dass durch Impfungen jährlich zwei bis drei Millionen Menschenleben gerettet werden können, weitere 1,5 Millionen Tote könnten durch verbesserte Durchimpfungsraten vermieden werden. Allerdings: "Angesichts sinkender Impfzahlen besteht die Gefahr, dass verschiedene Krankheiten wieder vermehrt auftauchen, etwa Masern, Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten." Denn bei diesen Erkrankungen müssen 95 Prozent der Bevölkerung geimpft sein, damit die gesamte Population geschützt ist, betonte Kasparek.

Eines der Erfolgsbeispiele aus Österreich sei die Einführung der Kinderimpfung gegen Rotaviren. "Sie führen bei Säuglingen und Kleinkindern zu schweren Durchfallserkrankungen, die Kinder trocknen aus", sagt Kasparek. "Ich selbst habe vor Einführung des Impfprogramms mehrere Kinder daran sterben sehen."

Ein weiteres Beispiel aus Österreich für den Erfolg von Impfungen sei die FSME-Impfung. "Davor hatten wir jährlich bis zu 1.000 Krankheitsfälle, jetzt sind es an die 100 jährlich."

Weltweit habe allein die Masern-Impfung zwischen den Jahren 2000 und 2018 dazu geführt, dass 23,3 Millionen Todesfälle vermieden werden konnten. "Es ist ein wenig in Vergessenheit geraten, dass keine andere Gesundheitsmaßnahme mit Ausnahme von sauberem Trinkwasser so positive Auswirkungen auf das Bevölkerungswachstum und den Rückgang der Sterblichkeit gehabt hat wie die Einführung von Impfungen."

"Impfstoffe sind eine der kosteneffektivsten Maßnahmen um den Wohlstand zu fördern", betonte Renée Gallo-Daniel, Präsidentin des Verbands der Impfstoffhersteller. "Die Pocken konnten dadurch ausgerottet werden und Europa ist frei von Polio."  Bei vielen anderen Erkrankungen werden die Krankenhausaufenthalte durch Impfprogramme deutlich reduziert.

Allerdings: "Der Erfolg eines Impfprogrammes ist gleichzeitig auch eine Gefahr für ein bestehendes Impfprogramm", betonte Gallo-Daniel. Vor der Einführung einer speziellen Impfung gibt es naturgemäß meistens sehr viele Krankheitsfälle. "Dann nimmt die Krankheitshäufigkeit ab, das Vertrauen der Menschen in die Impfungen ist hoch. Verschwindet aber die Erkrankung, kommt es zu einem Vertrauensverlust und es kann passieren, dass die Krankheiten wieder auftreten. Erst dann steigt das Vertrauen in die Impfungen wieder an."

 

 

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