Covid-Impfstoffe: Welches Präparat das Fünfte in der EU sein könnte
Noch im Juni könnte mit Curevac ein weiterer mRNA-Impfstoff in der EU zugelassen werden. Infektiologe Peter Kremsner für Abschaffung aller Maßnahmen, sobald alle über 50 Möglichkeit zur Impfung hatten.
Vier Covid-19-Impfstoffe sind in der EU zugelassen – zwei mRNA-Impfstoffe (Biontech/Pfizer, Moderna) sowie zwei Vektorimpfstoffe (Astra Zeneca, Johnson & Johnson). Der mRNA-Impfstoff der Tübinger Firma Curevac könnte demnächst der fünfte Impfstoff mit EMA-Zulassung werden – Österreich hat drei Millionen Dosen bestellt. Wichtige Bestandteile werden dafür künftig auch am Novartis-Standort in Kundl, Tirol, hergestellt. Der österreichische Infektiologe Peter Kremsner ist Direktor des Instituts für Tropenmedizin, Reisemedizin und Humanparasitologie des Universitätsklinikums Tübingen und Leiter der Zulassungsstudie.
KURIER: Wann kann der Antrag auf Zulassung gestellt werden?
Peter Kremsner: Wir übermitteln seit Februar Daten an die EMA, der Zulassungsantrag könnte noch im Mai, spätestens Anfang Juni gestellt werden. Dann kann es sehr schnell gehen. Es ist möglich, dass der Impfstoff im Juni verfügbar ist. An der Zulassungsstudie nehmen 40.000 Probanden in zehn Ländern in Mittel- und Südamerika sowie in Europa teil. Was die Impfreaktionen betrifft, sehen wir keine Auffälligkeiten oder schweren Unverträglichkeiten. Bei der Sicherheit und Verträglichkeit sind wir auf einem sehr guten Weg. Zur Wirksamkeit können wir sehr bald etwas sagen. Ich bin jedenfalls sehr optimistisch.
Die EU hat sich bis 2023 den Kauf von bis zu 1,8 Milliarden weiteren Dosen von Biontech/ Pfizer vertraglich gesichert. Kommt Curevac zu spät?
Natürlich ist diese Menge für die Bevölkerung in der EU erst einmal ausreichend. Aber sehr wahrscheinlich werden Auffrischungsimpfungen notwendig sein und eventuell auch eine Anpassung an Virusvarianten – was derzeit noch nicht der Fall ist. Das heißt, es wird noch Platz für andere Impfstoffe geben.
Ich denke, dass Curevac noch schnell genug ist. Wahrscheinlich wird aber der Curevac-Impfstoff der letzte sein, der mit einer placebokontrollierten Studie – eine Gruppe erhält ein Scheinpräparat, eine den echten Impfstoff, weder Arzt noch Patient wissen, wer in welcher Gruppe ist – seine Wirksamkeit zeigen kann.
Warum?
Für viele Probanden war die Motivation zur Studienteilnahme die Chance, schneller als alle anderen eine Impfung zu bekommen. Aber jetzt verabschieden sich mehr und mehr Teilnehmer vor Studienende – und lassen sich „entblinden“, also informieren, in welcher Gruppe sie waren. Jene aus der Placebo-Gruppe melden sich dann zu einer Impfung mit einem zugelassenen Präparat an. Das war zu erwarten. Wir sind aber sicher, dass unsere Studie noch ausreichend gute Wirksamkeitsdaten liefern wird und wir, wie die anderen vier Hersteller, die Schutzwirkung in Prozentzahlen angeben können. In Zukunft wird man sich aber auf andere Marker, z. B. neutralisierende Antikörper, beschränken müssen.
Der Curevac-Impfstoff soll deutlich länger bei Kühlschranktemperatur lagerbar sein als die beiden anderen RNA-Impfstoffe mit 30 Tagen?
Wir hoffen, dass die EMA eine Zulassung für eine längere Lagerung bei Kühlschranktemperaturen aussprechen wird. Entsprechende Stabilitätsdaten wurden der EMA vorgelegt.
Sie haben kürzlich vielversprechende Daten zu einem Malariaimpfstoff veröffentlicht.
Wir injizierten 13 Probanden abgeschwächte Malariaparasiten in Kombination mit einem Anti-Malaria-Mittel. Zehn von ihnen waren nach drei Impfungen völlig immun. Das ist ein toller Erfolg, aber es interessiert kaum jemanden. Ich bekomme jeden Tag mindestens fünf, zum Teil bis zu zehn Anfragen zu Covid-19. Das wird mir schön langsam langweilig, und es wundert mich, dass es nicht allen anderen auch schon langweilig ist. Über Malaria will hingegen kaum jemand etwas wissen. Covid-19 hat sich neben Aids, Tuberkulose und Malaria als vierte bedeutende, globale Infektionskrankheit eingereiht. Natürlich ist es ein wichtiges Thema, aber wir sollten jetzt auch wieder auf anderes schauen.
Was die Malaria betrifft: Die Covid-19-Forschung wird mit Geld überschüttet, aber für unsere Malariaimpfstoff-Forschung fehlen die Mittel, deshalb geht es auch viel langsamer. Ich wünschte mir, dass wir nur einen ganz geringen Teil von dem, was wir für Covid-19 bekommen, auch für Malariaforschung bekämen. Das wäre extrem wichtig, weil durch unterbrochene Präventionsmaßnahmen ein Anstieg der Fälle befürchtet wird.
In Österreich war gestern – von der Gastronomie bis zur Kultur – der große Öffnungstag. Aus Sicht des Infektiologen ein sicherer Schritt?
Ja. Die über Monate getroffenen Maßnahmen waren zwar teilweise sehr sinnvoll, aber inzwischen bin ich gegen allzu große Einschränkungen, mittlerweile war es viel zu viel der Freiheitsberaubung und zum Beispiel nationale Grenzschliessungen unabhängig vom regionalen Infektionsgeschehen sind eine Schande und ein Rückfall in schlimme nationalistische Denkmuster.
Und spätestens, sobald in einer großen Region wie der EU alle Über-50-Jährigen durchgeimpft sind bzw. die Möglichkeit zu einer Impfung hatten, bin ich für die Abschaffung aller Maßnahmen, auch der Masken und der Abstandsregeln. Die Impfstoffe werden uns helfen, jetzt bald endgültig jenen Punkt zu erreichen, wo es wieder in Richtung Normalität geht. Das sieht man schon an den rückläufigen hospitalisierten Patientenzahlen überall dort, wo viel geimpft wird. Ein Geimpfter hat einerseits ein deutlich reduziertes Risiko, sich selbst zu infizieren. Sollte es doch zu einer asymptomatischen Infektion kommen ist auch das Risiko, dass die Infektion weitergegeben wird, stark vermindert.
Aber es können doch auch Jüngere schwer erkranken?
Aber das Risiko ist sehr, sehr gering, sodass man aus meiner Sicht keine speziellen Maßnahmen mehr benötigt. Natürlich muss es die Chance geben, dass sich alle impfen lassen können, die das auch wollen. Wer sich nicht impfen lässt, dem kann man nicht helfen. Deswegen müssen die anderen nicht Maske tragen und Abstand halten. Und man darf eines nicht vergessen, das sage ich immer wieder: Covid-19 ist eine Erkrankung der alten Menschen. Und wenn wir jetzt die Über-65-Jährigen durchgeimpft haben, dann ist es, wie man hier im Schwabenland sagen würde, „g´schwätzt“, also "gegessen".
Und was ist mit denjenigen, die aufgrund bestimmter Vorerkrankungen nicht geimpft werden können oder gar nicht auf eine Impfung ansprechen?
Für sie ist die Herdenimmunität, der Gemeinschaftsschutz wichtig – genauso wie bei anderen Infektionskrankheiten, wo wir auch keine speziellen Maßnahmen haben. Tatsächlich ist aber das Alter der wichtigste Risikofaktor für einen schweren Verlauf, alles andere ist zweitrangig.
Auch wenn es einmal keine Pflicht mehr gibt: Auch freiwilliges Maskentragen kann im Winter sinnvoll sein?
Die Wirksamkeit der Masken auch für andere Infektionskrankheiten haben wir ja vergangenen Winter gesehen: Es gab keine Influenzawelle und auch keine Erkrankungswellen mit respiratorischen Viren, die einzige Ausnahme waren die Rhinoviren, die sich trotz Abstand und Masken ausbreiten konnten. Wobei ich finde, dass man da gar nichts vorgeben muss, ich denke, das wird von selbst kommen, dass die Menschen hier ein wenig ihr Verhalten ändern werden. In Infektiologenkreisen ist das immer schon ein Thema gewesen, dass man bei jedem Händeschütteln auch die Infektion sofort als Hintergedanken im Kopf hatte. Aus sozialer Sicht halte ich es aber nicht für angebracht, sich gar nicht mehr die Hand zu geben, nicht mehr zu umarmen oder in naher Distanz miteinander zu reden – obwohl wir uns dabei immer mit kleinsten Tröpfchen anspucken. Wie gesagt: Wie das künftig im Alltag wird, wird sich von selbst ergeben.
Und worauf freuen Sie sich jetzt besonders, wenn die Normalität zurückkehrt?
Dass bei uns in Tübingen, aber natürlich besonders auch in Österreich das Kulturleben wieder losgeht, die Staatsoper und alle anderen Bühnen wieder öffnen können. Und als Rapid-Wien-Anhänger würde es mich natürlich besonders freuen, Rapid bald wieder vor vollem Haus gewinnen zu sehen, Zeit würde es ja werden nach drei Niederlagen in Folge!
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