Covid: Fast jeder Zweite kennt Covid-Medikamente und -Risikofaktoren nicht

Covid: Fast jeder Zweite kennt Covid-Medikamente und -Risikofaktoren nicht
Von jenen, die sie kennen, würden drei Viertel mit der Einnahme zu lange zuwarten. Dabei helfen sie nachweislich gegen schwere Krankheitsverläufe.

Bei einem positiven Covid-Test zählt für Risikopersonen die Zeit: Die beiden verfügbaren Medikamente Paxlovid und Lagevrio, die schwere Verläufe reduzieren, müssen möglichst vor Einsetzen von Symptomen eingenommen werden. Nur wenn die Therapie innerhalb von zwei bis höchstens fünf Tagen beginnt, kann sie eine Vermehrung des Virus verhindern. Das wissen aber viele nicht: Laut aktueller Umfrage der Österreichischen Lungenunion, ein Selbsthilfeverein für Menschen mit Lungen- und Hauterkrankungen sowie Allergien, würden 76 Prozent der Befragten mit der Therapie zuwarten bis sich die Symptome verschlechtern – und das betrifft nur jene, die überhaupt über die Medikamente informiert sind. Fast jeder Zweite wusste gar nicht, dass es eine antivirale Therapie gibt.

Zudem ist vielen nicht bewusst, was als Risikofaktor für einen schweren Krankheitsverlauf gilt und ob sie möglicherweise zu einer Risikogruppe zählen. Nur jeder Zweite nannte in der Umfrage unter 1.000 Personen ab 18 Jahren Lungenerkrankungen als Risikofaktor, Herz-Kreislauf-Erkrankungen nannten 38 Prozent, Diabetes 30 Prozent.

"Besonders unterschätzt wird das Alter. Nur elf Prozent der Befragten gaben das Alter als Risikofaktor für einen schweren Verlauf an. Das ist sehr wenig, da das Alter schon einer der wichtigen Risikofaktoren ist", sagte Arschang Valipour, Leiter der Abteilung für Innere Medizin und Pneumologie in der Klinik Floridsdorf bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Ebenfalls unterschätzt wird der Einfluss von Krebserkrankungen (26 Prozent), Autoimmunerkrankungen (26 Prozent) und Asthma (11 Prozent).

Covid: Fast jeder Zweite kennt Covid-Medikamente und -Risikofaktoren nicht

Lungenmediziner Arschang Valipour

Jeder Dritte erfüllt mindestens einen Risikofaktor

Tatsächlich ist mindestens ein Drittel der Bevölkerung in Österreich von einem oder mehreren Risikofaktoren betroffen, in den USA sind es sogar 50 Prozent, so Valipour. "Aktuell steigen die Infektionszahlen wieder an, wir rechnen mit einer Zeitverzögerung bei den Spitalspatienten von zwei bis vier Wochen. Es ist zu erwarten, dass eine höhere Belastung im Spital auf uns zukommt", betonte der Lungenmediziner.

Die verfügbaren Medikamente tragen dazu bei, die Wahrscheinlichkeit eines Spitalsaufenthalts beziehungsweise eines schweren Verlaufs zu verhindern. Dazu zählen einerseits die Virostatika, die eine Vermehrung des Virus hemmen und oral als Tabletten zuhause eingenommen werden, andererseits die monoklonalen Antikörpertherapien, die Spitalspatienten verabreicht werden können.

Erstere werden derzeit deutlich weniger verschrieben als erwartet. Nur ein Fünftel der rund 240.000 in Österreich zur Verfügung stehenden Therapiezyklen wurde bisher verabreicht. Und das obwohl ihre Wirksamkeit nachgewiesen wurde. So haben 95 Prozent der Patienten am dritten Tag kein vermehrungsfähiges Virus mehr, nach Tag fünf sind es bereits 100 Prozent. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit für einen Krankenhausaufenthalt auf einer Normal- sowie einer Intensivstation geringer, ebenso wie das Risiko an einem schweren Verlauf zu versterben.

Ärzte zaghaft

Die Gründe dafür liegen nicht nur bei Patienten, die die Medikamente nicht kennen, sondern auch bei Ärzten, die aufgrund möglicher Wechselwirkungen zaghaft verschreiben. "Es gibt inzwischen Apps, mit denen man Interaktionen mit anderen Medikamenten kontrollieren kann. Das geht sehr flott und wir sind sehr froh, dass Covid-19 damit ambulant behandelt werden kann", sagte Infektiologe Florian Thalhammer. Die Virostatika können sowohl geimpften als auch ungeimpften Personen verabreicht werden. Eine aktuelle kanadische Studie zeige, dass auch jüngere Patienten ab 18 Jahren profitieren.

Während die Virostatika aufgrund ihres Wirkprinzips auch bei neu auftretenden Varianten wirken, setzen monoklonale Antikörpertherapien am Spike-Protein an, also jenem Teil des Virus, mit dem es an menschliche Zellen andockt. Bei neuen Varianten bestehen besonders am Spike-Protein meist Mutationen, sodass – ähnlich wie bei den Impfungen – die Wirkweise eingeschränkt sein kann. Ein Teil der ursprünglich verfügbaren Medikamente kann daher nicht mehr eingesetzt werden.

Die Österreichische Lungenunion startet mit Unterstützung der Ärzte- sowie der Apothekerkammer und von Fachgesellschaften Mitte Oktober eine Kampagne mit dem Titel "Covid-19 positiv, nicht warten, Anruf schnell starten", um über Risikofaktoren für schwere Covid-Verläufe aufzuklären sowie über mögliche Therapien und wie man sie erhält.

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