Covid-19: Warum Experten jetzt auf Anti-Virus-Pillen hoffen
Eines ist für den Infektiologen Florian Thalhammer vom Wiener AKH und der MedUni Wien klar: "Zuerst kommt die Impfung, dann kommt lange nichts." Doch am Ende dieses "langen Nichts" könnte sich eine neue Strategie in der Behandlung bzw. Vorbeugung von Covid-19 anbahnen: Die Gabe von Tabletten unmittelbar nach einem positiven PCR-Test, um den Covid-Ausbruch zu verhindern. Mediziner nennen es "Postexpositionsprophylaxe".
"Es wird drei Anbieter von speziellen Wirkstoffen geben, die die Virusvermehrung hemmen", sagt Thalhammer. Am weitesten ist der Wirkstoff Molnupiravir von MSD. "Hier läuft bereits die Zulassungsstudie (Phase 3), möglicherweise kann bereits im Herbst die Zulassung beantragt werden und das Präparat noch heuer zur Verfügung stehen". In bisherigen Studien hat sich gezeigt: "Die Viruslast (Virenzahl, Anm.) ging nach der Einnahme dramatisch zurück. Am Tag fünf nach positivem PCR-Test konnte kein Virus mehr nachgewiesen werden."
Thalhammer sieht eine Einsatzmöglichkeit bei allen Personen, die einen positiven PCR-Test erhalten haben: "Nimmt man die Tabletten gleich im Anschluss an den Test, könnte der Ausbruch einer Erkrankung verhindert werden – und auch die weitere Verbreitung des Erregers unterbunden werden. Noch ist das Zukunftsmusik, aber wenn das funktioniert, könnte sich auch die Dauer der Quarantäne reduzieren."
"Wichtige Ergänzung"
Die Impfung können solche Tabletten aber nicht ersetzen, betont Thalhammer: "Sie sind eine zusätzliche Verteidigungslinie. Nur darauf kann man sich nicht verlassen."
Das betont auch der US-Infektiologe Anthony Fauci: "Impfstoffe bleiben eindeutig das Kernstück unseres Arsenals gegen Covid-19." Antivirale Mittel könnten jedoch eine wichtige Ergänzung sein. Die US-Regierung hat bereits einen Vorvertrag abgeschlossen: Bei einer Zulassung bestellen die USA 1,7 Millionen Behandlungseinheiten.
Die Wirksamkeit dieser Antivirus-Wirkstoffe wird von neuen Varianten nicht beeinflusst, sagt Thalhammer: "Sie hemmen Enzyme, die bei der Vermehrung der Viren eine Rolle spielen und sich nicht verändern." In den bisherigen Daten waren die Tabletten sehr gut verträglich, die Nebenwirkungsrate nicht höher als bei Placebos.
Kommt man mit diesen Tabletten zu spät, weil es bereits Symptome gibt, die sich verschlechtern, könnte der rechtzeitige Einsatz von Antikörper-Präparaten (Infusionen) einen Spitalsaufenthalt verhindern. Vier dieser Medikamente, die als Infusionen verabreicht werden müssen, prüft die EU-Arzneimittelagentur gerade. "Sie könnten verstärkt für Covid-19-Patienten eingesetzt werden, die schon Symptome haben, aber noch nicht ins Spital müssen und gleichzeitig Risikofaktoren für einen schweren Verlauf aufweisen." Bisher war hier das Problem, dass die Erkrankung oft zu weit fortgeschritten war, bis die Patienten im Spital solche Antikörperpräparate erhielten: "Dann ist die Wirksamkeit deutlich geringer." Bisher beschränkte sich der Einsatz aber auf wenige Patienten – vor allem mit geschwächtem Immunsystem – und wenige Spitäler.
Eine gewisse vorbeugende Wirkung haben auch Nasen- und Rachensprays auf Basis der aus Algen gewonnenen Carragelose. Und die EU-Arzneimittelagentur prüft derzeit zwei Zulassungsanträge von Wirkstoffen gegen entzündliches Rheuma: Sie sollen auch bei Covid-19 die Entzündungsreaktionen dämpfen.
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