Covid-19: Wirksames Rheuma-Medikament kann einfach verabreicht werden
Das in der Behandlung von chronischer Polyarthritis seit Jahren mit guter Wirkung eingesetzte Medikament Tocilizumab scheint bei schwerem Covid-19-Verlauf einen sehr positiven Effekt zu haben. Der monoklonale Antikörper kann laut italienischen Infektiologen auch einfach per subkutaner Injektion (Injektion in das Unterhautfettgewebe, Anm.) verwendet werden, heißt es in einer aktuellen Beobachtungsstudie.
Mögliches Therapeutikum
Tocilizumab als Rezeptorblocker für den starken Entzündungsfördernden Immunbotenstoff Interleukin-6 ist schon vor einigen Monaten als mögliches Therapeutikum bei schwerem Covid-19-Verlauf genannt worden. In diesem Stadium der durch SARS-CoV-2-verursachten Erkrankung kommt es zu einer massiv verstärkten Immun- und Entzündungsreaktion, was zu Lungen- und Multiorganversagen führen kann.
Laut Antonio Mastroianni von der Infektionsabteilung des Annunziata-Spitals in Cosenza in Kalabrien in Süditalien und seinen Co-Autoren zeigte bisher vor allem eine Beobachtungsstudie mit Tocilizumab-Infusionen bei 21 Patienten in China positive Resultate. So wurde der Bedarf an künstlicher Sauerstoffzufuhr 75 Prozent von 21 schwerkranken Covid-19-Patienten nach der Behandlung binnen weniger Tage reduziert. Der Zustand der meisten Patienten besserte sich signifikant.
Die Ärzte in Cosenza berichten (1. Juli) über die Therapie von zwölf Covid-19-Patienten im mittleren Alter von 58 Jahren. Alle benötigten entweder Sauerstoff via Nasenkanüle oder nicht-invasive mechanische Beatmung und wiesen bereits ein "Zytokinsturm"-Syndrom (massive Entzündungsreaktion, Anm.) vom Grad 1 bis 3 auf. Zwei Kranke erhielten Tocilizumab in einmaliger Dosis (324 Milligramm), zehn Patienten zweimal je 324 Milligramm. Das erfolgte nicht per Infusion, sondern einfach per subkutaner Applikation unter die Haut.
Zytokinsturm verhindert
Das Hauptergebnis, wie die Wissenschafter in EClinicalMedicine laut Lancet jetzt schrieben: Keiner der Patienten entwickelte einen schweren "Zytokinsturm". Stattdessen besserten sich die Entzündungszeichen infolge der überschießenden Immunreaktion durch Covid-19 schnell und stark. "Alle Patienten zeigten eine Verbesserung der CT-Befunde der Lunge", fügten die Wissenschafter hinzu.
Tocilizumab wird auch in Österreich bei manchen Patienten zur Behandlung von schwerer Covid-19-Erkrankung verwendet. In den USA ist es zum Beispiel auch zur Behandlung eines solchen "Zytokinsturms" nach einer potenziell hoch wirksamen CAR-T-Zelltherapie bei Leukämieformen zugelassen.
Wirksamkeit noch nicht endgültig geklärt
Ende März dieses Jahres gab der Schweizer Pharmakonzern Roche bekannt, dass er Tocilizumab in einer "randomisierten (Zufallszuteilung der Probanden; Anm.) doppelt-blinden (weder Arzt noch Patient wissen, wer was erhält; Anm.) und Placebo-kontrollierten Phase III-Studie" erproben wolle, um "Sicherheit und Wirksamkeit" einer intravenösen Gabe des Medikaments bei "hospitalisierten Patienten mit schwerer Covid-19-Erkrankung" zu untersuchen.
Diese wissenschaftliche Untersuchung läuft offenbar noch. Insgesamt sollen 330 Patienten aufgenommen werden. Entwicklung des klinischen Zustandsbildes, Mortalität, Dauer der notwendigen künstlichen Beatmung und Aufenthaltsdauer auf Intensivstationen sind die Auswertungsparameter. Die Studie wurde Anfang April gestartet. Die Beobachtungsdauer sollte 60 Tage betragen. Erst eine derartige Untersuchung gibt endgültig Hinweise auf die Wirksamkeit, Beobachtungsstudien werden als weniger aussagekräftig eingeschätzt. Die Studie aus Kalabrien ist aber weltweit die erste derartige Untersuchung mit subkutan appliziertem Tocilizumab.
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