Laut einer Auswertung von 3712 Abstrichproben durch ein Team um Christian Drosten von der Berliner Charité ist die Viruskonzentration in den Atemwegen bei Kindern und Erwachsenen ungefähr gleich. Es gebe keine nachweisbaren Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Allerdings stammten nur 49 Proben von Kindern unter elf Jahren. "Kinder könnten genauso infektiös sein wie Erwachsene", heißt es in der Studie. Deshalb müssten bei der Beurteilung der Ansteckungsgefahr in Schulen und Kindergärten die gleichen Annahmen zugrunde gelegt werden, die auch für Erwachsene gelten.
Infektiologe Heinz Burgmann von der MedUni Wien betont: "Nachgewiesen wurde mittels PCR-Test Viruserbgut im Rachen. Das zeigt nicht an, ob noch infektiöse Viren vorhanden sind." Und auch Strenger erklärt: "Der Nachweis von Virus-Genom ist nicht gleichbedeutend mit Ansteckungsfähigkeit."
Drosten selbst zeigt die unklare Datenlage anhand einer neuen Studie aus China auf: Demnach haben Kinder nur ein Drittel des Risikos von Erwachsenen, sich an der gleichen Person zu infizieren. Hingegen hat jemand über 65 das eineinhalbfache Infektionsrisiko eines jüngeren Erwachsenen. Ähnlich eine weitere Studie: Demnach haben sich in chinesischen Haushalten zwar 20,5 Prozent der Erwachsenen, aber nur 4 Prozent der Kinder an Ausgangsfällen angesteckt.
Doch die Daten sind widersprüchlich: Thomas Müller, Direktor der Uni-Klinik für Pädiatrie I der MedUni Innsbruck, zitiert eine Arbeit, in der "mit statistischer Signifikanz" gezeigt wurde, "dass Kinder aller Altersgruppen und Erwachsene die gleichen Infektionsraten in Haushalten hatten." Und: "Wir wissen bisher nicht, ob asymptomatisch infizierte Kinder weniger oder mehr Viren über den Rachen ausscheiden als Erwachsene."
Ursprünglich entstand die Sorge um die Virenausbreitung durch Kinder aus der Hypothese, sie würden sich gleich häufig wie Erwachsene infizieren, dann aber weniger Symptome haben und unbemerkt Infektionen weitergeben. Wie häufig sie tatsächlich infiziert sind, ist unklar: Bei einer isländischen Studie wurde von über 800 getesteten Kindern unter zehn Jahren kein einziges positiv getestet, während 1 Prozent der Erwachsenen positiv war.
Da Kinder meist kaum Symptome haben, husten sie weniger und verbreiten weniger Viren, so eine These. Durch ihr kleineres Lungenvolumen ist auch die Menge der Ausatemluft geringer. Andererseits haben sie mehr und engere Sozialkontakte – das wiederum könnte eine Virenverbreitung begünstigen.
Der Schweizer Covid-19-Experte Daniel Koch sieht es sogar als vertretbar an, wenn Großeltern Kinder unter zehn Jahren umarmen: Hier gebe es praktisch kein Risiko. Viele andere Experten stimme dem nicht zu: Das Risiko mag geringer sein, aber es liege nicht bei Null.
Strenger betont, dass er die Maßnahmen für die Schulen nicht infrage stellt: "Die sind angesichts unseres nicht kompletten Bildes wichtig. Aber es geht darum, dass man Kinder und Jugendliche nicht pauschal als die Treiber dieser Pandemie verdächtigt."
Nur wenige Kinder in Spitalsbehandlung
Eine positive Nachricht: In Österreich waren bisher nur wenige Kinder mit Covid-19 in Spitalsbehandlung. "Wir haben noch keine Gesamtzahl, aber viele von uns angefragte Kinderkliniken hatten erkrankte Kinder nur im niedrigen einstelligen Bereich, manche auch gar keine. In der Regel war der Verlauf mild", sagt Strenger. Ihm sei bisher auch nur ein Fall eines Kindes auf einer Intensivstation bekannt – "dieses ist bei uns in Graz und hatte eine starke Entzündung im Bauchraum. Mittlerweile geht es ihm aber schon wieder besser". Ob es sich dabei um jene dem "Kawaski-Syndrom" (eine schwere Gefäßentzündung) ähnliche Erkrankungsform gehandelt hat, von dem in der Vorwoche Kinderärzte aus Deutschland, Italien und Spanien berichteten, ist aber unklar, betont Strenger. Der Infektiologe Burgmann betont, dass man aus Österreich derartige schwere Verläufe bisher nicht kenne.
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