Studie: Kinder haben so viele Viren im Rachen wie Erwachsene
Welche Rolle spielen Kinder bei der Weitergabe einer Infektion mit SARS-CoV-2-Virus? Diese Frage ist bis jetzt ungeklärt. Eine Studie des Instituts für Virologe der Berliner Charité zeigt nun: Kinder haben in ihren Atemwegen ungefähr dieselbe Menge an Viren (gemessen anhand des Virusgenoms durch PCR-Tests) wie Erwachsene. Dies ergab eine Auswertung von 3.712 Abstrichproben. Institutsleiter Christian Drosten hat den Link zu der Studie via Twitter geteilt. Die Studie ist aber noch in keinem Fachjournal erschienen.
"Wir fanden keinen signifikanten Unterschied zwischen verschiedenen Alterskategorien, einschließlich der Kinder", heißt es in der Studienzusammenfassung. Und: "Auf Basis dieser Resultate warnen wir in der gegenwärtigen Situation vor einer uneingeschränkten Wiedereröffnung von Schulen und Kindergärten. Kinder könnten genauso infektiös sein wie Erwachsene."
Bei einer Studie in chinesischen Haushalten und mit einer begrenzten Zahl von Kontaktverfolgungen in Deutschland habe man gesehen, dass sich die Ansteckungsrate von Kindern mit SARS-CoV-2 in Familien nicht von der bei Erwachsenen unterscheide. Ist eine infizierte Person im Haushalt, stecken sich Kinder und Erwachsene mit der gleichen Häufigkeit an. Allerdings ist unklar, in welchem Ausmaß Kinder die Infektion in Kindergärten, Schulen und in Familien weitergeben. Und ob das Verbreitungspotenzial vielleicht niedriger ist als bei Erwachsenen.
Externe Umstände
Dass solche verlässlichen Daten noch fehlen, hänge auch damit zusammen, dass Schulen und Kindergärten geschlossen wurden, bevor dort entsprechende Beobachtungsstudien beginnen konnten, heißt es in der Studie. Und durch die geschlossenen Schulen und Kindergärten sei es deshalb bis jetzt auch weniger wahrscheinlich gewesen, dass Kinder die primäre Ansteckungsquelle in Familien waren. Im Gegenteil: Kinder standen bisher immer am Ende von Übertragungsketten in Haushalten, weil Erwachsene (z. B. die Skifahrer) die Infektion in die Haushalte brachten und eben nicht die Kinder, sagte Drosten in seinem NDR-Podcast.
Wie viele Menschen sind an Kindern infizieren, könnte man im Kindergarten messen, aber das sei bisher nicht möglich gewesen. Deshalb habe man diese Studie mit der Viruslast im Rachenabstrich durchgeführt.
Die Studienautoren listen auch auf, was dafür und was dagegen spricht, dass Kinder Infektionen in einem ähnlichen Ausmaß weitergeben wie Erwachsene:
Dagegen spreche, dass sie meist keine Symptome haben, daher weniger Husten und so weniger Virus verbreiten. "Und weil sie so klein sind, haben sie ein relativ kleines Lungenvolumen und geben auch bei einem Atem- oder Hustenstoß oder beim Schreien weniger Luftvolumen und weniger mobilisiertes Virus von sich", erklärte Drosten in seinem Podcast. "Es gibt aber andere Argumente, die für eine Übertragung sprechen", heißt es in der Studie: Die größere körperliche Aktivität der Kinder und ihre engeren Sozialkontakte zum Beispiel.
Fazit für die Studienautoren: Es müsse weiterhin alles getan werden, um die Übertragungsraten bei Kindern niedrig zu halten.
Christian Drosten selbst wies via Twitter wenig später auf eine andere neue Studie hin: Unter Berufung auf diese Science-Studie berichtete Drosten im NDR auch davon, dass Kinder und Erwachsene offenbar ein unterschiedlich großes Ansteckungsrisiko haben: Kinder seien - stark vereinfacht gesagt - nur ein Drittel so anfällig wie Erwachsene dafür, infiziert zu werden, bilanzierte der Wissenschaftler. Er gab jedoch zu bedenken, dass sich das vielleicht durch das Verhalten wieder ausgleiche - etwa weil Kinder untereinander viel intensivere Kontakte hätten.
Der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, betonte am Donnerstag, dass Kinder für die Ausbreitung wohl dieselbe Rolle spielten wie Erwachsene. „Sie können angesteckt werden, sie können das Virus ausscheiden und andere anstecken“, sagte er. Dabei spiele ihr Sozialverhalten eine größere Rolle als bei Erwachsenen. Kinder seien weniger gut darin, sich an Abstandsregeln zu halten.
Kinderärzte-Gesellschaft: "Kinder nicht hauptverantwortlich"
In einer Stellungnahme der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde zu dem Thema der Übertragung des Coronavirus durch Kinder heißt es, dass bisherige Studien und Erhebungen den Schluss nahe legen, dass Kinder und Jugendliche nicht hauptverantwortlich für die Verbreitung von SARS-CoV-2 sind. Und: Der Nachweis von Virus-Genom im Rachen (wie es bei den üblichen PCR-Tests der Fall ist) sei nicht gleichbedeutend mit Ansteckungsfähigkeit. "In Studien wurden nach einwöchiger Krankheitsdauer trotz weiterhin positiver PCR (Nachweis von Virus-Genom) keine vermehrungsfähigen Viren mehr nachgewiesen."
"Kinder erkranken nicht nur seltener und (meist) milder, sondern sind offensichtlich auch seltener symptomlose Virus-Ausscheider als Erwachsene", heißt es in der Stellungnahme.
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