"Das Fiebermessen bei den Flugpassagieren aus China ist ein pragmatischer Zugang und – im Zusammenspiel aller Maßnahmen zur Infektionskontrolle – positiv zu sehen." Das sagt der Infektionsspezialist Herwig Kollaritsch: "Wir wissen, dass die Effektivität nicht sehr groß ist. Aber vielleicht gelingt es ja doch, den einen oder anderen herauszufiltern. Eine Restwahrscheinlichkeit, dass dies gelingen kann, gibt es auf jeden Fall. Und nichts zu tun, wäre auch psychologisch gesehen falsch gewesen. Diese Maßnahme ist ganz sicher besser als nichts zu tun."
Grundsätzlich sind derartige Eingangskontrollen international umstritten und werden zum Beispiel vom Europäischen Zentrum für Krankheitskontrolle (ECDC) in Stockholm als nicht sehr wirksam bezeichnet. Mehrere Studien bei früheren Krankheitsausbrüchen (z. B. mit dem SARS-Virus) kamen zu dem Schluss, dass sie alleine nicht ausreichen und dabei Erkrankungen übersehen werden. Effizienter seien generell Ausgangskontrollen in der von einer Erkrankungswelle betroffenen Region, in diesem Fall also auf chinesischen Flughäfen. Dabei kommt es in der Regel gleichzeitig auch zu einer Befragung nach vorangegangenen Aufenthaltsorten (Reiseanamnese).
"Andererseits kann man ja nicht ausschließen, dass jemand erst auf dem Flug Symptome entwickelt und dann in Wien beim Fiebermessen entdeckt wird", betont Kollaritsch. Und er sieht noch einen weiteren Nutzen der Messungen in Wien-Schwechat: "Solche Maßnahmen haben einen hohen psychologischen Wert. Sie schärfen das Bewusstsein unter den Reisenden für die Erkrankung. Und wenn sich jemand auf dem Flug vielleicht nicht ganz wohl gefühlt hat, nützt er möglicherweise die Gelegenheit, und weist bei der Temperaturkontrolle daraufhin und ist zu einer Kooperation mit den Behörden bereit."
Warum solche Fiebermessungen Erkrankte übersehen können, hat mehrere Gründe:
Personen sind zwar schon infiziert, befinden sich aber noch in der Inkubationszeit (bis zu 14 Tage) und sind deshalb noch ohne Symptome.
Personen nehmen fiebersenkende Mittel.
Personen sind bereits erkrankt, haben aber (noch) kein Fieber. "Ich gehe davon aus, dass es auch Infektionen mit dem neuen Coronavirus bei Personen gibt, die keine Symptome zeigen", sagt der Infektionsspezialist Christoph Steininger vom AKH / MedUni Wien. "Es würde mich sehr überraschen, wenn dem nicht so wäre."
So haben Untersuchungen deutscher Experten gezeigt, dass einige der derzeit in München behandelten Coronavirus-Patienten auch bei schwachen Symptomen bereits infektiöse Viren in ihrem Nasen-Rachen-Raum hatten.
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