Coronavirus: Warum die Pandemie noch nicht zu Ende ist
1.390 gemeldete Corona-Neuinfektionen am Dienstag, 2.614 am Mittwoch: „Wir sehen derzeit starke Schwankungen“, sagt der emeritierte Statistikerprofessor Erich Neuwirth zum KURIER. „Insgesamt ist der Trend leicht steigend, aber bei Weitem nicht in dem Ausmaß, wie wir ihn schon hatten, wenn Wellen begonnen haben. Und die Schwankungen sind fast stärker als der österreichweite Trend.“ Zwar hat die Regierungskrise die Pandemie aus den Schlagzeilen verdrängt – vorbei ist sie nicht.
„Insgesamt sind die Zahlen unerfreulich hoch, auch wenn es starke Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt“, sagt Statistiker Neuwirth.
Von Anfang Juli bis Mitte September seien die Infektionszahlen ziemlich stark bergauf gegangen, „dann etwa zwei Wochen lang hinunter und jetzt geht es wieder leicht hinauf“. Oberösterreich sei schon seit rund 14 Tagen bei einer Inzidenz von rund 200, in Salzburg ist sie in einer Woche von 150 auf 200 gestiegen: „Das finde ich erschreckend“, sagt Neuwirth: Wien hingegen liege derzeit „ziemlich gut, besser sind nur Vorarlberg, Tirol und das Burgenland“.
Die Zahl der Covid-Patienten auf den Intensivstationen schwanke zwischen 200 und 230, die Zahl der täglichen Todesfälle zwischen 5 und 15: „Das ist viel, auf ein Jahr gerechnet wären das bei im Schnitt zehn Todesfällen täglich 3.600 Menschen“, betont der Statistikprofessor: „Das ist nicht akzeptierbar.“
Ähnlich sieht das auch der Infektiologe Herwig Kollaritsch: „Wir sind in keiner epidemiologisch stabilen Situation. Dafür ist die Durchimpfungsrate noch zu gering.“ Aber die bisherigen Impfungen reichen aus, einen exponentiellen Anstieg zu verhindern: „Wir müssen momentan auch nicht fürchten, dass es wieder zu einem Lockdown kommt. Ich würde sagen, wir sind in einer mittleren Phase. Zur Tagesordnung übergehen können wir aber noch nicht.“
Kombi funktioniert
Auch wenn die Masken vielen lästig sind: „Wir sehen, dass die Kombination der Impfungen mit den nicht-pharmazeutischen Maßnahmen wie den Masken und Tests im Moment ganz gut funktioniert. Wobei ich ausdrücklich betonen möchte: ,im Moment‘.“
Für eine Lockerung der Maßnahmen sei es noch zu früh, sagt Kollaritsch: „Es kann sein, dass die jetzige relativ stabile Situation zum Teil auch noch dem Saisoneffekt geschuldet ist, weil der September und Oktoberanfang doch noch sehr schön waren und sich die Leute viel im Freien aufgehalten haben. Wir sollten die Situation noch eine Weile beobachten bis wir sicher sind, dass eine Lockerung nicht sofort wieder dazu führt, dass wir Probleme bekommen.“
Der Intensivmediziner Walter Hasibeder betont, dass auch eine dauerhafte Zahl von mehr als 200 Intensiv- und 600 Normalstationspatienten eine große Belastung für die Spitäler bedeutet. Auch Neuwirth rät zur Vorsicht: „Immer dann, wenn sich die Entwicklung gedreht hat, war das ja nicht wirklich vorhersagbar, die Knickpunkte in den Kurven hat nie jemand solide voraussagen können.“ Angesichts der kommenden kälteren Tage sei es wahrscheinlicher, dass sich die Zahlen in eine unerfreuliche Richtung entwickeln. Auch das Covid-Prognose-Konsortium rechnet mit einem leichten Anstieg der Fallzahlen und knapp 250 Intensivpatienten in zwei Wochen. Kollaritsch: „Aus dem Schneider sind wir noch nicht.“
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