Coronavirus: Warum die Entwicklung eines Wirkstoffs noch dauert
Man kennt das neue Coronavirus SARS-CoV-2 und die davon ausgelöste Erkrankung COVID-19 erst seit zweieinhalb Monaten. Doch die Frage nach einem Gegenmittel wird angesichts der Folgen auf Alltag und Wirtschaft drängender. Virologe Heinz Burgmann von der MedUni Wien dämpft aber Hoffnungen auf eine rasche Verfügbarkeit. "Auf der experimentellen Ebene wird sich relativ schnell etwas tun. Bis es zum klinischen Einsatz für sehr viele Menschen kommt und in großen Mengen produziert werden kann, bedarf es gewisser Vorlaufzeiten", betont er im KURIER-Gespräch.
KURIER: Warum dauert die Entwicklung eines Wirkstoffs so lange? Es arbeiten ja schon viele Forscher daran.
Heinz Burgmann: Bis Impfstoffe oder Medikamente für die Allgemeinheit zugelassen werden, müssen sie ausreichend getestet werden. Am wichtigsten ist die Risikoabwägung zwischen Nutzen und Schaden. Ein neues Medikament darf vor allem keine Nebenwirkungen haben. Niemand hat etwas davon, wenn es zwar wirkt, aber die negativen Effekte größer sind.
Aber zum Beispiel gegen die Ebola-Epidemie in Afrika gab es schon früh Medikamente.
Ebola ist durch eine sehr hohe Sterblichkeit gekennzeichnet. Da geht es darum, mit einem Impfstoff die Mortalität zu senken. Bei COVID-19 sehen wir derzeit, dass die Sterblichkeit wesentlich geringer ist.
Welcher Zeitraum ist für den Einsatz eines Wirkstoffs gegen COVID-19 realistisch?
Eine Prognose ist schwierig. Die WHO geht von einem Zeitraum bis Mitte oder Ende 2021 aus.
Woran wird gearbeitet?
In experimentellen Versuchen hat man gesehen, dass etwa bekannte Medikamente gegen HIV, ein altes Malariamedikament oder Interferon Wirkung zeigten. Ein sehr interessanter, wirklich neuer Ansatz wären die Forschungen von Josef Penninger.
Was macht das Coronavirus SARS CoV-2 eigentlich so besonders?
Zu rund 80 Prozent stimmt es genetisch mit dem schon bekannten SARS-Virus überein. Das neue Virus SARS-CoV-2 verfügt über ähnliche Rezeptoren, um in den Körper einzudringen. Klinisch ist es anders. Gewisse Eigenschaften unterscheiden sich aber deutlich. SARS wurde etwa erst spät infektiös, wenn bereits Symptome aufgetreten sind und die Krankheitsverläufe waren schwer.
Bei SARS CoV-2 wissen wir, dass es schon sehr früh infektiös ist, vielleicht sogar bereits, wenn noch gar keine Symptome da sind. Es gibt aber viele Erkrankungen, die leicht verlaufen. Es ist also deutlich infektiöser, aber deutlich weniger gefährlich.
Die Vertreter der Coronaviren sind für ihre Fähigkeit für Mutationen bekannt. Mutiert auch das neue?
Es scheint unterschiedliche Subtypen des Virus zu geben. Eine Form, genannt L-cov, dürfte häufiger vorkommen, aggressiver sein und für schwerere Verläufe sorgen. Sie ist in einer chinesischen Studie in 70 Prozent der Proben vorgekommen und vor allem in der chinesischen Region Wuhan aufgetreten. Die zweite Form – S-cov – dürfte von der Evolution des Virus her die ältere Variante sein. Die Erkrankungen sind aber leichter.
Aus heutiger Sicht sind das aber noch immer Spekulationen. Man muss wirklich noch warten, wie man das einordnet. Auch wenn laufend Publikationen mit durchaus validen Daten herauskommen. Wir lernen jeden Tag dazu.
Erhöhte Vorsicht bei Erkrankungen der Lunge
Wer an Erkrankungen leidet, sollte besonders darauf achten, eine Ansteckung mit dem neuartigen Coronavirus zu verhindern. Experten empfehlen Betroffenen, gut auf die empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen wie häufige Handhygiene zu achten und Menschenansammlungen zu meiden.
- Ältere Personen gelten in der aktuellen Virusepidemie generell als gefährdeter. Einerseits, weil das Immunsystem im Lauf des Lebens an Stärke verliert. Andererseits sind gerade Ältere bereits von Vorerkrankungen betroffen.
- Da sich das Virus vor allem in der Lunge festsetzt, betrifft Vorsorge "Menschen mit Vorerkrankungen, die die Lunge betreffen", sagt Virologe Christoph Steininger von der MedUni Wien.Das betreffe Krankheiten, die bei Rauchern auftreten (COPD, Anm.) oder Asthma.
- Erhöhte Vorsicht vor einer Infektion empfiehlt Steininger auch bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie etwa Herzschwäche.
- Eine weitere Personengruppe, bei der eine Infektion schwerere Folgen haben kann, sind immunsupprimierte Menschen, sagt Steininger. Ihr Immunsystem wird als Therapie einer anderen Erkrankung heruntergefahren – dadurch sind sie generell anfälliger für Krankheitserreger. Das ist unter anderem bei Krebspatienten, Organtransplantierten, Multiple Sklerose, Schuppenflechte oder rheumatischen Erkrankungen der Fall. Steininger warnt: "Aus Sorge einer Coronavirusinfektion darf man die Immunsuppressiva keinesfalls weglassen."
Aktuelle Projekte
Impfstoffe
Die Entwicklung basiert oft auf früheren Projekten (SARS, Ebola, HIV). Eine Firma arbeitet an einem über die Nase anwendbaren Mittel.
Medikamente
Auch hier wird derzeit bei Arzneien angesetzt, die gegen andere Krankheiten entwickelt wurden, u. a. mit einem Wirkstoff gegen entzündliche Darmkrankheiten. Hoffnungen setzt man auch in Antikörper, die aus Blut von Patienten mit überstandener Infektion von SARS entstanden.
Einen neuen Ansatz verfolgt der Österreicher Josef Penninger. Er entwickelte vor 15 Jahren gegen SARS ein Präparat, das den Eintritt der Viren in die Zellen verhindert und sie wie ein Schwamm aufsaugt. Es soll auch in Wuhan an Menschen eingesetzt werden.
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