Forscher Josef Penninger: "Wir wollen auch nach Wuhan"
"Grundlagenforschung ist ein schweres Geschäft. Und es kann lange dauern – aber letztlich kann etwas herauskommen, was vielen Menschen hilft", sagt Josef Penninger. Der österreichische Forscher und viele Wissenschafter mit ihm haben die Hoffnung, dass eine Arbeit, die sie vor mehr als 15 Jahren in Wien begonnen haben, jetzt die Früchte trägt. Und sie möglicherweise eine wirksame Therapie gegen das neue Coronavirus entwickelt haben. In den kommenden Tagen soll der Wirkstoff in China den ersten 24 Patienten verabreicht werden.
Der Mann dahinter
Der Oberösterreicher Penninger studierte in Innsbruck Medizin und ging anschließend 1990 nach Kanada. Dort entdeckte er in Mäusen jenes Eiweiß, das für den Knochenabbau verantwortlich ist. Penninger entwickelte ein Medikament, das dieses Protein blockiert. Und es zeigte sich, dass damit auch Brustkrebsfälle verhindert werden können.
Von 2003 bis 2018 war er Direktor des von ihm aufgebauten IMBA-Instituts in Wien (Institut für Molekulare Biotechnologie). Eine der ersten spektakulären wissenschaftlichen Entdeckungen könnte jetzt gegen das neue Coronavirus helfen: „Wir haben 2003 den Mechanismus herausgefunden, warum das SARS-Coronavirus so tödlich war (jeder zehnte Infizierte starb damals, Anm.) und zu so einer weltweiten Bedrohung werden konnte. “ Penninger gründete die Wiener Biotechfirma Apeiron, um einen Wirkstoff gegen SARS zu entwickeln – von den damals begonnenen Arbeiten könnten jetzt Coronavirus-Patienten profitieren.
"Wir leben in einer spektakulären Welt", sagt Penninger, wenn er an die weltweiten Erfolge in der medizinischen Forschung denkt. Zwar brauche man oft einen langen – finanziellen – Atem, um erste Erfolge zu erzielen: "Aber es zahlt sich, wie man sieht, aus, in diesem Bereich zu investieren."
Seit mehr als einem Jahr arbeitet er wieder in Kanada – als Direktor des renommierten „Life Science Institut“ in Vancouver. Trotzdem kommt er regelmäßig nach Wien, am IMBA hat er noch eine Forschungsgruppe.
"Logistischer Albtraum"
Jetzt hofft er, dass es schnell geht mit den Studien in China: "Wenn die erste kleine Studie in Guangzhou in der Nähe von Hongkong erfolgreich ist, wollen wir mit einer größeren Studie mit mehr Patienten auch nach Wuhan gehen. Wir sprechen bereits mit dem zuständigen chinesischen Ministerium."
Doch jetzt ist er erst einmal erleichtert, dass 24 Patienten behandelt werden können: "Es war ein logistischer Albtraum, aber wir haben innerhalb von vier Wochen alles organisiert – Experten aus China, Nordamerika und Europa haben an einem Strang gezogen. Vor zwei Tagen ist unser Medikament in China gelandet, jetzt warten wir darauf, dass es der erste Patient injiziert bekommt."
Vor 15 Jahren entdeckte Penninger, dass das SARS-Coronavirus über ein spezielles Enzym mit dem Namen „ACE 2“ an die Körperzellen andockt: Es ist seine Eintrittspforte. Und es blockiert gleichzeitig dieses – schützende – Enzym: „Das war der Grund, warum es so häufig zu einem tödlichen Lungenversagen kam.“
In den vergangenen zwei Monaten konnte das Team von Apeiron zeigen, dass das neue Coronavirus genau denselben Mechanismus nützt, um Menschen zu infizieren: „Jeden Tag kommen neue Daten, die zeigen, dass das wirklich stimmt.“
Das Medikament (siehe li.) soll verhindern, dass sich das Virus im Körper ausbreitet. Jetzt profitiert Penninger von der früheren Forschung: Denn die Wirksamkeit und Sicherheit der Substanz wurde bereits im Zuge der SARS-Studien getestet, deshalb ist jetzt so ein rascher Einsatz bei erkrankten Menschen möglich: „Unsere Hoffnung ist, dass wir noch beim derzeitigen Ausbruch das Medikament einsetzen könnten.“
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