"Impfstoff in einem Jahr ist realistisch"

"Impfstoff in einem Jahr ist realistisch"
Weltweit laufen bereits 158 Studien zur Bekämpfung des Virus. Pharmaindustrie: "Trotz Schnelligkeit muss aber die Sicherheit gewährleistet bleiben."

"Noch nie haben pharmazeutische Unternehmungen und Forschungseinrichtungen so schnell auf einen neuen Erreger reagiert, wie diesmals auf Sars-CoV-2." Das sagte Freitag Alexander Herzog, Generalsekretär der Pharmig (Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs), in einem virtuellen Pressegespräch zum Thema Forschung.

"Es gibt eine beeindruckende weltweite Zusammenarbeit von Firmen, Behörden, Wissenschaft, Gesundheitssystemen und der Politik, um die Auswirkungen von Covid-19 gemeinsam stemmen zu könnnen."

Weltweit laufen derzeit 158 klinische Studien zur Bekämpfung des Virus. Zwei Impfstoffkandidaten sind derzeit laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der klinischen Prüfung, werden also bereits am Menschen getestet.

48 Impfstoffkandidaten sind in der präklinischen Prüfung, also noch in der Forschungsstufe vor dem ersten Einsatz am Menschen. Man unternehme alles, damit es rasch gehe, aber ein Medikament müsse auch sicher sein, ehe es den Patienten zur Verfügung gestellt werde, betonte Herzog: "Daran führt kein Weg vorbei und diese Prüfung dauert eine gewisse Zeit." Basis aller Entwicklungen müssten immer "fundierte wissenschaftliche Erkenntnisse" sein.

Das betonte auch Stefan Kähler, Vorsitzender des zuständigen Pharmig-Komitees für die klinische Forschung: "Ein realistischer Zeitpunkt für einen ersten verfügbaren Impfstoff ist ein Jahr. Es wird eine Zeit dauern. Er muss sicher sein und im Großmaßstab zur Verfügung gestellt werden können."

Etwas schneller könnte es bei bereits für andere Krankheiten zugelassenen Medikamenten gehen, zwischen sechs Monaten und einem Jahr, sagte Kähler. "Es hängt davon ab, wie viele Patienten man in die Studien einschließen kann."

Der Vorteil von bereits in anderen Bereichen angewendeten Wirkstoffen sei, dass man ihr Sicherheitsprofil bereits sehr gut kenne und eine Nutzen-Risiko-Bewertung dadurch leichter falle.

Dabei gibt es folgende Ansätze:

  • Große Hoffnung wird in bereits entwickelte antivirale Medikamente gesetzt, die gegen andere Viruserkrankungen bereits eingesetzt werden (etwa HIV, Hepatitis, Ebola) und teilweise auch schon früher an anderen Coronaviren (SARS, MERS) getestet wurden. "Sie sollen die Vermehrung der Viren blockieren oder verhindern, dass sie in die Lungenzellen eindringen."
  • Ein weiterer Ansatz, so Herzog, sind Medikamente, die etwa gegen rheumatoide Arthritis oder entzündliche Darmerkrankungen entwickelt wurden: "Sie sollen die Abwehrreaktionen des Körpers insoferne begrenzen, dass diese nicht noch mehr Schaden anrichten im Körper als die Viren selber."
  • Auch Medikamente für Lungenkranke werden gegen das neue Coronavirus getestet: Diese sollen verhindern, dass die Lunge des Menschen das Blut nicht mehr mit genügend Sauerstoff versorgen kann.

Daneben gibt es zahlreiche Projekte zur Neuentwicklung antiviraler Medikamente. Erforscht werden aber auch die Auswirkungen von Social Media Use auf die Psyche in der derzeitigen Situation oder auch die Frage, ob es bei einer Endoskopie zu einer Übertragung des Coronavirus kommen könne.

Zahlreiche Studien laufen auch in Österreich. Es gibt sowohl Projekte zur Impfstoffentwicklung, zu Wirkstoffen, die die Erkrankungsdauer reduzieren, Antikörper-Therapien als auch ganz gezielt gegen das akute Lungenversagen.

Ein Überblick über alle Forschungsaktivitäten in Österreich zu Covid-19 (Forschung, Produkte und Dienstleistungen) findet sich auf der Internet-Seite lisavienna.at.

"Keine Gefährdung"

Was neue Arzneimittelwirkstoffe betrifft, betonte Kähler, dass es im Normalfall eine Entwicklungszeit von rund 13 Jahren benötige, bis ein neues Medikament zur Marktreife gebracht werden könne.

Jetzt setze man alles daran, diese Zeitspanne zu verkürzen, was in Krisensituationen auch rechtlich möglich sei, durch eine bedingte, auf ein Jahr befristete Zulassung.

In diesem Zeitraum muss der Hersteller weitere Daten nachliefern. Allerdings: "Auch vor der bedingten Zulassung müssen fundierte wissenschaftliche Beweise vorliegen und es darf keine potenzielle Gefährdung der Gesunden oder der Patienten geben."

"Was jetzt gerade in der Forschung passiert, ist unfassbar und großartig", sagte Herzog. "Umso wichtiger ist es, dass die derzeitige Förderung und Anerkennung (die Regierung stellt 23 Millionen Euro für die Coronavirus-Forschung zur Verfügung, Anm.) nicht auf die jetzige Situation beschränkt bleibt. Wir müssen Österreichs Forschungskapazitäten weiter stärken und absichern."

Dazu müsse die nötige Infrastruktur geschaffen werden und Personal bereitgestellt werden. Spitäler und Krankenhausträger müssen mit der forschenden Industrie stärker vernetzt werden.

Kähler betonte, dass alles, was jetzt an Forschungsarbeit geleistet werde, auch einen Nutzen für die Zukunft hat: "Was uns davon vielleicht jetzt noch nicht helfen kann, hilft uns bei der nächsten Pandemie oder der nächsten Ausbreitung eines Erregers."

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