Dass kritisch kranke Menschen oft über einen längeren Zeitraum nach ihrer Spitalsentlassung noch funktionelle Einschränkungen erleben, in vielen Fällen sogar über mehrere Jahre, sei nicht neu, sagt Lamprecht. Dies sei auch 2003 nach der SARS-Pandemie aufgefallen: Immer wieder hatten Menschen auch Monate und Jahre nach der Infektion mit dem Virus noch gesundheitliche Probleme. In einer Untersuchung, für die SARS-Überlebende aus Hong Kong vier Jahre nach der Infektion befragt wurden, gaben 40 Prozent an, noch immer unter Fatigue zu leiden. In einer anderen Untersuchung klagen ehemalige SARS-1-Patienten über diffuse Muskelschmerzen, Schwäche, Depressionen und nicht erholsamen Schlaf.
Doch die Krankheitsverläufe bei SARS-1 seien vielfach noch viel schwerer gewesen als jetzt bei Covid-19 , deshalb hoffe man, dass derartige Folgesymptome diesmal nicht so lange anhalten: „Erfreulicherweise haben bei den Nachkontrollen der von uns in Linz betreuten Patientinnen und Patienten in der überwiegenden Mehrzahl nach drei und nach sechs Monaten eine nahezu vollständige Normalisierung der Lungenfunktion gesehen“, sagt Bernd Lamprecht. Und: "Ich gehe davon aus, dass der überwiegende Teil der Patienten eine vollständige Genesung zeigen wird." In Einzelfällen könne es – wie nach jeder Lungenentzündung und anderen schweren Virusinfektionen – zu einer Lungenfibrose , einer Vernarbung von Lungengewebe, kommen: „Aber die Nachbeobachtungen zeigen, dass das Einzelfälle sind.“
Woher die Müdigkeit kommt
Veränderungen des Stoffwechsels und des Hormonhaushalts - und damit einhergehende Veränderungen der Hirnfunktion - scheinen ebenso eine Rolle zu spielen wie Entzündungsbotenstoffe, die sich gegen den eigenen Körper richten. "Studien deuten darauf hin, dass es den Zellen ihrer Körper schwerer fällt als denen von Gesunden, Energie aus verschiedenen Quellen zu gewinnen" - ein wenig so, als würde sich der Körper im Winterschlaf befinden.
Auch Veränderungen im Hormonspiegel haben offenbar einen Einfluss: Das Niveau von Stresshormonen ist bei Covid-19 erniedrigt. Das Stresshormon Cortisol ist aber der Gegenspieler des "Schlafhormons Melatonin", der niedrige Cortisolspiegel könne die Erschöpfung begünstigen. Und der könnte auch dazu beitragen, dass die Entzündungsreaktionen so ungehindert und überschießend verlaufen können.
Eine umfassende Rehabilitation könne aber in vielen Fällen eine vollständige funktionelle Wiederherstellung und eine Rückkehr in ein Leben ohne Corona ermöglichen.
Warum Kinder wenige Neuinfektionen verursachen
Neue Erkenntnisse gibt es auch zum Thema Kinder und Coronavirus. So wird auf dem Lungenfachärzte-Kongress auch diskutiert, warum Kinder seltener infiziert werden, warum sie seltener Symptome haben und diese auch milder sind, wie Ernst Eber, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Pneumologie (ÖGP), sagte. Nach neuen Daten gehören nur knapp acht Prozent aller bisher mit SARS-CoV-2 infizierten Personen in Österreich der Altersgruppe 0-14 Jahre an, lediglich 1,5 Prozent waren unter fünf Jahre alt. Von mehr als 4000 Kindern und Jugendlichen mussten bisher nur knapp ein Prozent stationär behandelt werden, eine Minderheit davon auf der Intensivstation.
Diskutiert werden dafür mehrere Ursachen: Kinder haben an der Oberfläche von Zellen weniger von jenen Rezeptoren, die das Virus verwendet, um in die Zellen eindringen zu können. Am wenigsten dieser Rezeptoren gibt es bei Kindern unter zehn Jahren.
Ein weiterer möglicher Grund: "Sowohl häufige virale Infekte (etwa mit Erkältungsviren, Anm.) als auch die Impfungen im Kindesalter könnten zu einem höheren Grad der Aktivierung des angeborenen Immunsystems führen", sagte Eber. Das könnte auch erklären, warum Säuglinge teilweise schwerere Krankheitsverläufe haben als Kleinkinder: Weil sie noch wenige Virusinfekte durchgemacht haben, ist ihr Immunsystem noch nicht so gut trainiert.
Übertragungsrate in Schulen bei 0,5 Prozent
Die Infektion von Kindern findet vor allem innerhalb der Familien statt - der KURIER berichtete. In den Schulen selbst liege die Infektionsrate durch Kinder bei 0,5, sagte Eber: Ein Kind infiziert im Schnitt 0,5 weitere, also zwei infizierte Kinder können eine weitere Infektion verursachen. In Kindergärten liege sie bei einem Prozent. Diese Ansteckungsdaten stammen vor allem aus australischen Studien. Deshalb sei es nicht notwendig, bei einem Infektionsfall ganz Schulen oder Kindergärten zu schließen, aber Kontakte von Infizierten rasch zu identifizieren und zu testen.
Der deutsche Lungenfacharzt und Infektiologe Tobias Welte (Medizinische Hochschule Hannover) mahnte auf der Pressekonferenz zur Vorsicht: "Wenn wir jetzt nicht vorsichtig sind, werden wir auch wieder mehr Spitalsaufenthalte sehen." "Die Bevölkerung müsse verstehen, "das die kleinen Einschränkungen durch die AHA-Regeln - Abstand halten, Händehygiene, Alltagsmaske tragen - gegenüber einem Lockdown Petitessen sind". Jede Art von Masken reduziere die Übertragung von Aersoloen, auch wenn selbst genähte Masken weniger effizient als chirurgische seien, "haben sie doch eine deutliche Schutzwirkung".
Warten auf den Impfstoff
Bis ein breit einsetzbarer Impfstoff zur Verfügung stehe werde, werde noch ein dreiviertel Jahr vergehen, sagte Welte überdies: Auch wenn es erste Ergebnisse Ende des Jahres geben sollte, werde man über den Winter und in das Jahr 2021 noch mit der Pandemie leben müssen: "Es bleibt uns nichts übrig, als auf Sicht zu fahren." Die Erwartungen bezüglich der Einführung und Entwicklung eines Impfstoffes seien bisher zu optimistisch gewesen.
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