Bundeskanzler und Berater wollen öffnen, "was irgendwie geht"

Bundeskanzler und Berater wollen öffnen, "was irgendwie geht"
Bundeskanzler Sebastian Kurz ließ mit dieser Ankündigung im Bundesrat aufhorchen. Der Innsbrucker Infektiologe Günter Weiss drängt auf Lockerungen ab 8. Februar.

"Alles öffnen, was nur irgendwie zu öffnen geht", das versprach Bundeskanzler Sebastian Kurz am Donnerstag im Bundesrat. Ab Montag soll mit Vertretern aller Parteien und den Landeshauptleuten beraten werden, wie es nach dem 7. Februar, dem eigentlich geplanten Lockdown-Ende, weitergeht.

"Mit dem selbstverständlichen Ziel, alles zu öffnen, was nur irgendwie geöffnet werden kann, ohne dass es unverantwortlich ist und mit der Garantie, dass die Schulen jedenfalls bei einem ersten Öffnungsschritt immer dabei sein werden," so der Bundeskanzler am Donnerstag. 

Infektiologe: Bevölkerung "wieder ins Boot holen"

Auch der Innsbrucker Infektiologe und Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin, Günter Weiss, drängt auf Lockerungen des Lockdowns mit 8. Februar. Es gelte, die "erschöpfte und perspektivlose Bevölkerung wieder ins Boot zu holen", sagte Weiss im Gespräch mit der Tageszeitung Die Presse.

Zudem kritisierte er die "eindimensionale Strategie" des Krisenstabes und forderte einen Strategiewechsel weg vom ausschließlichen Schielen auf die Sieben-Tage-Inzidenz.

Zuerst Öffnung von Schulen und Kindergärten, dann der Handel

Am Lockdown festzuhalten, bis eine Sieben-Tage-Inzidenz von höchstens 50 erreicht wird, hielt Weiss, der dem Beraterstab der Corona-Taskforce im Gesundheitsministerium angehört, nicht für zielführend.

Zu viele Menschen seien nicht mehr bereit, diese Strategie mit einem schwer erreichbaren Ziel mitzutragen. Anstatt ausschließlich auf die Sieben-Tage-Inzidenz zu schielen und zu versuchen, sie unter 50 zu drücken, sollte "ein Mittelweg angestrebt werden" - in Form von ersten Lockerungen ab 8. Februar, zum Beispiel mit der Öffnung von Schulen und Kindergärten, des Handels sowie der körpernahen Dienstleistungen wie Friseure.

"Die Stimmung könnte tatsächlich kippen, wie man an den Protesten in den Niederlanden gesehen hat", fürchtete Weiss und fügte hinzu: "Zudem bahnt sich so etwas wie ein Generationenkonflikt an. Junge Leute fragen sich, wie lang sie noch auf ihre Jugend verzichten sollen, um ältere und vulnerable Personengruppen zu schützen".

Die Pannen und Verzögerungen bei den Impfungen, die wiederholte Verlängerung des Lockdowns sowie die anhaltende Perspektivlosigkeit hätten dazu geführt, dass sich "immer mehr Menschen von den Maßnahmen zur Kontaktreduktion verabschiedet haben", argumentierte der renommierte Mediziner.

Zero-Covid sei ein realitätsfernes Wunschdenken von Theoretikern

Überhaupt nichts hielt Weiss zudem von der sogenannten "Zero-Covid-Strategie", also das Drücken der Neuinfektionen in Richtung null, wie sie von manchen Epidemiologen gefordert wird. Dies sei ein "realitätsfernes Wunschdenken", das nur von "Theoretikern" stammen könne.

Dass sich die Zahlen seit Mitte Dezember nicht mehr nennenswert ändern, sei ein eindeutiges Zeichen dafür, dass ein großer Teil der Bevölkerung nicht mehr bereit sei, soziale Kontakte weitgehend zu meiden. Das müsse nicht immer mit Vorsatz geschehen, aber der Wunsch nach Normalität und dem Ende des ständigen Verzichts sei einfach zu groß.

Weiss gilt auch als enger Berater von Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), der bereits diese Woche die Stimmung in der Bevölkerung "kippen" sah.

Für Öffnungsschritte sprach sich am Freitag indes auch der Tiroler NEOS-Landessprecher und Klubobmann Dominik Oberhofer aus. "Wir müssen sanfte Öffnungsschritte mit Hirn setzen, bevor die Gesundheitskrise immer mehr zu psychosozialen Krise wird", meinte er. Bei allem Verständnis dafür, dass es weiterhin unkalkulierbare Risiken gebe, "fehlt mir nach fast einem Jahr der Pandemie die Verhältnismäßigkeit. Wir alle brauchen endlich eine Perspektive", so Oberhofer.

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