Tests erfassen nicht alle: Neues Modell soll genaue Zahlen liefern

Massentests in Österreich
Mit der herkömmlichen Teststrategie würden nur 60 Prozent aller Fälle entdeckt. Bis jetzt waren in Österreich sieben Prozent der Menschen infiziert.

Eine neue Studie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Technischen Universität Wien zeigt, wie weit wir noch vom sogenannten Herdenschutz vor dem Coronavirus entfernt sind. Den Daten zufolge waren bis jetzt etwa sieben Prozent der Österreicherinnen und Österreicher mit dem Coronavirus infiziert. Für eine Herdenimmunität ist das zu wenig.

Auch die Weltgesundheitsorganisation sieht noch einen langen Weg bis zum Herdenschutz. „Wir werden 2021 nicht irgendwelche Stufen von Bevölkerungsimmunität oder Herdenimmunität erreichen“, sagte die WHO-Chefwissenschafterin Soumya Swaminathan bereits Anfang Jänner – und das trotz Impfung.

Die Studienergebnisse zeigen, dass selbst in stark vom Infektionsgeschehen betroffenen Gebieten wie den US-Bundesstaaten New York oder New Jersey weniger als 20 Prozent aller dort lebenden Menschen bis jetzt infiziert waren. „Unsere Methode zeigt, dass Herdenimmunität hier keine geeignete Strategie ist“, berichtet Co-Autorin Vanessa Di Lego.

Lücken beim Testen

Aber nicht nur das. Die neue Studie zeigt auch: Mit der derzeitigen Teststrategie werden in Österreich – wie auch in vielen anderen Ländern – nur etwa 60 Prozent aller Infektionen entdeckt. Rechnet man die bereits Genesenen und momentan aktiven Fälle laut Ages-Dashboard zusammen und vergleicht diese Zahl mit der österreichischen Gesamtbevölkerung, kommt man auf etwa 4,4 Prozent, die bis jetzt mit dem Coronavirus infiziert waren. Wie kommen die Demografen der Studie dann auf 7 Prozent?

„Unterschiedliche Testverfahren, asymptomatische Personen und die begrenzte Verfügbarkeit von Tests in großem Maßstab verringern die Chancen, wirklich alle Fälle zu erkennen“, erklärt Miguel Sánchez-Romero von der Akademie der Wissenschaften und Erstautor der aktuellen Publikation.

Im Ages-Dashboard scheinen nur die positiven Testergebnisse auf. Die genauen Infektionszahlen zu kennen, sei aber ganz zentral, um die aktuelle Entwicklung der Pandemie gut einschätzen zu können. Sánchez-Romero und sein Team schlagen daher einen ergänzenden Ansatz vor, um an realistische Zahlen zu kommen: eine indirekte Schätzmethode.

Schätztechnik

Voraussetzung für diese indirekte Schätztechnik sind folgende demografische Daten: Die Altersstruktur der Bevölkerung, die altersspezifischen Todesfälle (ohne Covid-19), die Anzahl der Covid-19-bedingten Sterbefälle und die fallbezogene Sterblichkeitsrate – also die Covid-19-bezogenen Sterbefälle in Relation zur erhobenen Zahl der Infizierten.

In der gestern Abend veröffentlichten Studie hat das Forscherteam die Pandemieausbreitung in den USA analysiert – das Land mit den weltweit bisher höchsten gemeldeten Todeszahlen. „Unser Modell ist ein Werkzeug, das für den weltweiten Einsatz geeignet ist – ohne jedes länderspezifische Detail kennen zu müssen“, sagt Sánchez-Romero.

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