„Es ist schwer, das nicht als einen Anstoß für einen Impfstoff vor der Wahl (3.11.) zu sehen“, wird die Epidemiologin Saskia Popescu in der New York Times zitiert. Bereits vor einigen Tagen hatte der Chef der US-Arzneimittelbehörde FDA, Stephen Hahn, erklärt, ein Impfstoff könnte noch vor Abschluss der Studien zugelassen werden - vielfach wurde daraufhin die Sorge geäußert, Druck der Politik könnte dafür den Ausschlag geben. Allerdings sagte auch der führende und politisch unverdächtige US-Infektiologe Anthony S. Fauci: Bei sehr positiven Daten könnte man einen Impfstoff für bestimmte Gruppen auch vor Abschluss der Studien verfügbar machen.
„Das geht aber nur, wenn so viele Daten vorliegen, dass wir sicher wissen: Der Impfstoff ist gut verträglich und bietet einen gewissen Schutzeffekt“, betont der Infektiologe Herwig Kollaritsch. Käme es zu einer Zulassung ohne ausreichende Datengrundlage, „dann wäre der gute Ruf der FDA ein für alle Mal dahin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Experten der Behörde das kampflos hinnehmen würden.“
Mit „Impfstoff A“ und „Impfstoff B“ dürfte die US-Behörde die Kandidaten der US-Firma Moderna und des deutsch-amerikanischen Konsortiums Biontech/Pfizer meinen. Sie sind am weitesten mit ihrer Studie vor einer möglichen Zulassung (der russische Impfstoff hat zwar seit kurzem eine Zulassung, mit der Phase 3 wurde dort aber erst im August begonnen). Pfizer erklärte, dass bis Ende Oktober aussagekräftige Daten vorliegen könnten – Grundlage für einen Zulassungsantrag.
Ähnlich weit ist Moderna – beide Firmen starteten Ende Juli die Phase-3-Studie mit je 30.000 Freiwilligen. Beim Impfstoff der Uni Oxford und AstraZeneca könnte es hingegen bis Jahresende dauern, ehe erste Dosen verfügbar sind. „Wenn alles gut läuft, kann es in den USA noch heuer erste Notzulassungen geben, etwa für das extrem gefährdete Gesundheitspersonal“, so Kollaritsch.
Möglicherweise sind auch die ersten Impfstoffe nicht die mit der stärksten Wirkung: Die zwei Projekte, die am weitesten sind, eben Moderna und Biontech / Pfizer, sind RNA-Impfstoffe. Bei diesen erhält der Körper nur die Bauanleitung für den Impfstoff und produziert ihn selbst. Bisher gibt es noch kein Vakzin mit dieser Technologie.
„Möglicherweise werden diese Impfstoffe nur vor einer schweren Erkrankung schützen können, aber nicht generell vor einer Infektion und auch nicht vor einer Weitergabe einer Infektion an andere“, sagt Kollaritsch. „Aber allein mit einer Abschwächung des Krankheitsverlaufs und dem Verhindern von Todesfällen bei Gesundheitspersonal und anderen gefährdeten Gruppen wäre viel erreicht.“
Eine zweite Generation an Impfstoffen – jene mit Transportviren (siehe Grafik) – werde dann vielleicht eine stärkere Reaktion des Immunsystems auslösen: „Zumindest deuten die wenigen Daten, die es bisher gibt, daraufhin.“ Es könnte also sein, dass erst diese Generation auch die Weitergabe einer Infektion verhindern könne.
Und egal, welche Entscheidungen in den USA getroffen werden: „Die europäische Behörde EMA wird einen Impfstoff erst dann freigeben, wenn alle Daten auf dem Tisch liegen.“
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