Corona: Wie gut Virusvarianten im Abwasser nachweisbar sind
Eine österreichische Studie zeigt erstmals, dass die Bestimmung von Virusvarianten im Abwasser extrem genau ist. Österreich ist dabei international führend.
„Die Methode ist erstaunlich sensitiv“, erzählt der Immunologe Andreas Bergthaler: „Bei einer Kläranlage, in die das Abwasser von rund 50.000 Menschen eingeleitet wird, können wir eine Virusvariante bereits nachweisen, wenn nur ein oder zwei Menschen damit infiziert sind.“
Österreich hat 2020 sehr früh damit begonnen, das Erbgut von SARS-CoV-2 im Abwasser nachzuweisen – und auch die jeweiligen Virusvarianten zu bestimmen. „Das ist ein Beispiel, wo Österreich etwas sehr früh sehr gut gemacht hat“, sagt Bergthaler. – „Bei der Abwassertestung werden wir derzeit von Nachbarländern wie Österreich abgehängt“, beklagte kürzlich auch ein Experte der TU Dresden im NachrichtenmagazinDer Spiegel. „Das Besondere in Österreich war, dass sehr früh mehrere Forschungseinrichtungen in ganz Österreich gut kooperiert und auch mit den Gesundheitsbehörden gut zusammengearbeitet haben“, betont Bergthaler.
Genauer Überblick
„Unsere Ergebnisse bestätigten, dass die Ergebnisse der Abwasseranalyse einen sehr genauen Überblick über das Pandemiegeschehen eines ganzen Landes bieten“, sagen Fabian Amman (CeMM – Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österr. Akademie der Wissenschaften) und Rudolf Markt (Uni Innsbruck). Sie sind die Erstautoren einer Studie, die zeigt, dass die Abwasserdaten sehr genau die Verbreitung von Virusvarianten widerspiegeln. Eingebunden waren auch Partner zahlreicher weiterer Einrichtungen, etwa der MedUni Wien, der TU Wien und der AGES. Die Studie wurde im Fachjournal Nature Biotechnology publiziert.
Der Vergleich von 311.000 epidemiologischen Einzelfällen mit der räumlichen und zeitlichen Häufigkeit von Virusvarianten aus den Abwasserproben zeigte eine hohe Übereinstimmung von 86 Prozent. In drei Prozent der Abwasserproben fanden sich Varianten, die zum jeweiligen Zeitpunkt in Patienten-Tests noch nicht aufgeschienen sind.
„Die österreichische Studie ist neben einer aus den USA derzeit sicher die wichtigste zu den Abwasseranalysen“, sagt Bergthaler, dessen CeMM-Forschungsgruppe die Überwachung von Virusvarianten mitentwickelt hat. „Abwassertests haben einige Vorteile, sie sind ein Frühwarnsystem und man bekommt ein Bild der Großwetterlage der Region. Es werden auch Asymptomatische erfasst sowie Personen, die sich generell nicht testen lassen.“
Gleichzeitig brauche es aber auch Tests von Einzelpersonen: „Wenn man etwa bestimmen will, wie gut die Impfungen vor neuen Varianten schützen, oder wie sich Krankheitsverläufe verändern, dann benötigt man Daten von Einzelpersonen. Wichtig ist beides – Abwasseranalysen und Einzeltests.“
Bisher gab es neben dem Programm des Gesundheitsministeriums mit den Variantenuntersuchungen auch die Analyse von Abwässern von Schulstandorten (siehe oben) – dieses Programm läuft Ende August aus. Bergthaler: „Viele Länder schließen jetzt beim Abwasserscreening zu uns auf, Kanada etwa will bis Jahresende 80 Prozent der Bevölkerung damit abdecken, ohne die Schulstandorte wären wir bei nur 50 Prozent Abdeckung. Es besteht die Gefahr, dass uns andere Länder trotz derzeitig guter Ausgangslage abhängen. Die Frage ist, gibt man sich mit einer Abdeckung von 50 Prozent der Bevölkerung zufrieden?“
BA.2.75 noch nicht im Abwasser nachgewiesen
Doch der Immunologe hat auch eine gute Nachricht: „Derzeit sehen wir nichts Auffälliges. Die in Indien zuerst entdeckte Omikron-Subvariante BA. 2.75 konnte in Österreich bisher im Abwasser noch nicht nachgewiesen werden. „Mehr als 80 Prozent der Nachweise macht BA.5 aus, der Rest verteilt sich auf BA.2, BA.4 und die sogenannte New Yorker Subvariante BA.2.12.1.“ Ohne Pandemie wäre die Variantenanalyse im Abwasser nicht so weit, wie sie derzeit ist: „Es war für uns überraschend, dass ein Virus, das sich vorwiegend im Atmungstrakt vermehrt, so gut im Abwasser nachweisbar ist.“
In Zukunft könnte die Methode auch zum frühzeitigen Nachweis von Ausbrüchen anderer Infektionskrankheiten verwendet werden – nicht nur in Österreich: „Ich sehe viel Potenzial auch in unterprivilegierten Ländern im weltweiten Kampf gegen Infektionskrankheiten.“
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