KURIER: Was würden neuerliche Schulschließungen für Kinder bedeuten?
Gabriela Krauland: Solche Veränderungen lösen – vor allem in jüngeren Kindern – meist das aus, was von Eltern vermittelt wird. Je nachdem, mit wie viel Klarheit und Unaufgeregtheit die Situation von Mama und Papa geschildert wird, so gefasst oder ängstlich gehen sie damit um. Das heißt nicht zwingend, dass Eltern ängstlicher Kinder bei der Informationsvermittlung etwas "falsch" gemacht haben. Es wäre wichtig, kindgerecht zu erklären, warum die Schulen wieder geschlossen werden und welchen Zeitrahmen es dafür gibt.
Warum ist Letzteres wichtig?
Weil jüngere Kinder noch keine zeitliche Orientierung haben. Es kann sinnvoll sein, einen Kalender zu führen, um ihnen visuell zu zeigen, wie lange etwas dauern wird.
Wie gestaltet man den Alltag bei geschlossenen Schulen unterstützend für Kinder?
Am besten man versucht, das Tagesgefüge so gut es geht aufrecht zu erhalten. Indem man klare Aufsteh-, Essens-, Lern- und Freizeiten definiert, aber auch klare Zeiträume festlegt, in denen sich jeder für sich beschäftigt. Mit älteren Kindern lässt sich das gut gemeinsam erarbeiten. So erleben sie Selbstwirksamkeit und bekommen das Gefühl von Kontrolle zurück. Die Wochenenden sollten sich von den Wochentagen vom Rhythmus und den Aktivitäten her abgrenzen.
Wie beugt man Streit vor?
Zentral ist, Rückzugsgebiete abzustecken, damit der – teilweise verständlichen – Gereiztheit vorgegriffen wird. Das kann bei Platzmangel auch mal die Badewanne sein. Und Bewegung sollte nicht zu kurz kommen, damit es körperliche Auslastung gibt.
Die Handynutzung ufert im Lockdown ja oft aus.
Es ist sicher wichtig, den Medienkonsum etwas stärker zu kontrollieren. Videotelefonie mit Familienmitgliedern und Freunden gilt es aber zu fördern. Damit soziale Interaktion nicht zu kurz kommt.
Wie gehen Kinder mit Ungewissheit um?
Kinder sind es gewohnt, von außen "kontrolliert" zu werden. Der Rahmen, in dem Kinder selbst bestimmen können, wird von Eltern, Großeltern oder Lehrern vorgegeben. Wenn die Familie in Krisenzeiten dieses Muster nicht aufrechterhalten kann, wird es kritisch. Kinder verlassen sich darauf, dass Eltern Handlungsspielräume aufzeigen.
Angststörungen sind die häufigsten psychischen Störungen bei Kindern. Wie reagiert man richtig?
Wenn man als Elternteil das Gefühl hat, dass das Angstverhalten einen gewissen Rahmen sprengt, etwa wenn das Kind in seinem Alltag stark eingeschränkt wird, und man sich mit bewährten Strategien nicht mehr zu helfen weiß, würde ich raten, sich professionellen Rat zu holen. Das kann in einem ersten Schritt über eine Hotline (z. B. die BÖP-Helpline unter 01/504 8000) passieren.
Wie äußert sich Angst?
Angst ist etwas, das Kinder oft nicht einordnen oder ausformulieren können. Stattdessen treten oft körperliche Reaktionen auf: Bauchweh oder ein Druck auf der Brust. Verhaltensweisen, die beobachtbar sind, sind vielfältig – Nervosität, Einschlafschwierigkeiten, Durchschlafprobleme, erhöhte Schreckhaftigkeit oder Anhänglichkeit, aber auch Gereiztheit. Je weiter Kinder kognitiv reifen, desto klarer können sie sagen, was ihre Befürchtungen sind. Hier ist die beste Strategie zuzuhören, die Ängste nicht zu bagatellisieren. Austausch in der Familie – ohne zu dramatisieren – ist überhaupt enorm wichtig. Und Eltern dürfen ruhig zugeben, dass sie vieles selbst nicht wissen.
Welche Botschaft brauchen Kinder jetzt?
Idealerweise eine, die die Zuversicht stärkt. Alles, was jetzt passiert, dient dazu, irgendwann wieder zur normalen Realität und damit auch in die Schule und zu den Freunden zurückzukehren. Man sollte aber nichts krampfhaft verschweigen. Kinder spüren, was gerade vor sich geht. Widerspricht das Gefühlte der Information von Vertrauenspersonen, kann das erst recht zu Verunsicherung führen.
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